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Wie Bitcoins die zentralasiatische Wirtschaft revolutionieren könnten

(Dieser Artikel erschien ursprünglich beim russischen Businessmagazin „Sekret Firmy“. Wir übersetzen ihn mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.)

Sekret Firmy 

Redigiert von: gregorb

Bitcoin Zentralasien
Bitcoin Zentralasien

(Dieser Artikel erschien ursprünglich beim russischen Businessmagazin „Sekret Firmy“. Wir übersetzen ihn mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.)

„Ich bin mir sicher, dass Kryptowährungen zu einem profitablen Geschäft in Kirgistan werden“, sagt Emanuele Costa, Besitzer der ersten Bitcoinstation Zentralasiens. Wie andere Finanzexperten sieht er aber auch Probleme für die weitere Entwicklung. Eine Analyse über das Potenzial des neuen Zahlungsmittels.

Der in Bischkek lebende Italiener führt aus: „Es bedarf riesiger Investitionen, um Überweisungen in Bitcoins den Massen zugänglich zu machen. Das Problem ist nicht allzu groß. Ich bin mir sicher, dass Akteure wie Western Union sich erlauben könnten, die notwendige Infrastruktur zu finanzieren. Das wahre Problem liegt aber in der Politik:

Emanuele Costa

Die Behörden haben noch keine Stellung zu Bitcoins bezogen. Vor einem Jahr fing die Regierung an, eine Regulierung von elektronischen Währungen, also auch Kryptowährungen, zu erarbeiten. Die Lizenzen, die dafür eingeführt werden, machen eine Nutzung der Bitcoins unmöglich.“

Lest auch den ersten Teil der Artikelreihe: Wie in Kirgistan mit Bitcoins experimentiert wird

Der bischkeker Programmierer Danil Wartanow versichert: „Für jeden in Mathematik und Programmierung bewanderten Menschen, der den Artikel von Satoshi Nakamoto (der Pseudonym des oder der Entwickler von Blockchain – Anm. d. Red.) liest, ändert sich damit das Leben. Die Blockchain-Technologie, nach der die Bitcoins funktionieren, ist so schön und durchdacht, dass ich nicht schlafen konnte, als ich erstmals von ihr erfuhr!“

Danil Wartanow

Vor zwei Jahren begann er, kostenlose Kurse zu Bitcoins und der Blockchains-Technologie anzubieten. Dort antwortet er auf alle Fragen zu der Kryptowährung und liefert detaillierte Erklärungen zu ihrer Funktionsweise. Die Kurse richten sich an Unternehmer, ziehen aber auch einfache Nutzer an.

Wartanow ist der größte Prediger der Bitcoins in Kirgistan. Er engagiert sich für die Erschaffung einer Bitcoin-Gemeinschaft im Land und seine inspirierenden Reden zur Legalisierung der Kryptowährung wurden von Tausenden Youtube-Nutzern gesehen. Er ist sicher, dass sie Investitionen ins Land bringen werden und jeden Bürger reicher machen können.

Wie Fremdarbeiter profitieren könnten

Laut Weltbank betrugen 2014 die Rückzahlungen der Migranten aus dem Ausland 30% des Bruttoinlandsproduktes, ca. 2,4 Milliarden US Dollar in absoluten Zahlen. Je nach Summe beträgt die Kommission für Überweisungen ein bis drei Prozent, so dass den Bürgern jährlich mehrere hundert Millionen entgehen.

Laut dem Nationalen Statistikkomitee lebt knapp ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, verdient also weniger als 500 US Dollar im Jahr.

Das Problem der im Laufe der Überweisungen verlorenen Summen könnte man mit Kryptowährungen auf zwei Weisen lösen. Erstens, indem man das Geld auf Bitcoin-Geldbeutel überweist. Die Kommission dafür beträgt höchstens ein Zehntausendstel Bitcoin, also ca. 0,02 US Dollar.

Wenn zudem ein Teil der kirgisischen Wirtschaft Bitcoins annimmt, geht möglicherweise gar kein Geld mehr verloren. Wartanow glaubt an diese Entwicklung:

„Irgendein Origineller wird bestimmt bald einen Laden eröffnen, in dem man in Bitcoins zahlen kann. Ich glaube, das wird in einem abgelegenen Dorf geschehen, weil es dort besonders wichtig ist, kein Geld beim Transfer zu verlieren.“

Wartanow wiederholt gerne, dass Kryptowährungen die einzige technologische Revolution sind, die nicht aus dem Silicon Valley in die Welt getragen wird, sondern, andersrum, von Entwicklungsländern angetrieben ist. So zum Beispiel von Kenia:

Eine bedeutende Zahl der Kenianer arbeitet in Europa. Das Geld senden sie mit Bitcoins in die Heimat. Die Familien vor Ort merken nicht, dass sie es mit Kryptowährungen zu tun haben. Die Infrastruktur ist so gebaut, dass sie das Geld einfach aus einem Western-Union-Büro abholen können.

Wie Bitcoins Krisen überwinden helfen könnten

Auch bei einer sehr volatilen Nationalwährung können Bitcoins eingesetzt werden. So verlor der argentinische Peso letztes Jahr zum Beispiel mehr als einen Drittel seines Wertes. Aus Angst vor Verlusten legten viele Argentinier ihr Geld in Bitcoins an und alle großen Geschäfte fingen an, die Währung anzunehmen.

Da die Nutzung von Kryptowährungen für Unternehmen günstiger ist als traditionelle Geldtransfersysteme, wurden bis zu 10 Prozent Ermäßigungen auf Bitcoin-Zahlungen geboten.

Heute hält Argentinien den ersten Platz im Bitcoin Market Potential Index, der die Wahrscheinlichkeit der Einführung der Kryptowährung in einem Land misst.

Wirtschaftskrisen sind natürlich keine Voraussetzung zur Entwicklung der Bitcoins. Auch das reiche Australien ist bereit, Bitcoins als offizielles Zahlungsmittel anzuerkennen.

Die Steuerbehörde dort setzt sich dafür ein, dass die Steuern für Start-ups, die mit Bitcoins arbeiten, nicht zu hoch ausfallen. Die Behörden möchten solche Unternehmen nämlich im Land behalten.

Staatliche Hürden und ihre Sinnlosigkeit

Wartanow erzählt, dass sich schon mehrfach Programmierer an Vertreter der Nationalen Bank gewendet haben um zu erklären, dass dem Land viele Investitionen entgehen, weil Geschäfte mit Bitcoins verhindert werden. Bisher ohne Ergebnis:

„Die Behörden unseres Landes schauen oft nach Moskau. Wären Bitcoins in Russland verbreitet, würden sie auch bei uns schnell legalisiert werden“, beklagt Wartanow.

Auch in Russland ist die Zukunft der Bitcoins unklar. Im vergangenen Juli erklärte der russische Präsident Wladimir Putin, dass Kryptowährungen in manchen Bereichen genutzt werden können.

Im September kündigte QIWI (ein russischer Zahlungsdienstleister, Anm. d. Red.) an, dass die Herausgabe von BitRubel erwogen wird. Später schlug das Finanzministerium vor, die Verbreitung von Kryptowährungen strafrechtlich verfolgen zu lassen.

„Generell haben die Regierungen zwei Kritikpunkte an Bitcoins“, sagt Wartanow, „Erstens, die Anonymität, die für kriminelle Zwecke genutzt werden könne. Das ist aber ein Mythos.

Jede Transaktion bei Blockchain wird von anderen Nutzern bestätigt. Man kann sehr gut errechnen, wer versucht hat, dort Drogen zu kaufen oder zu verkaufen. In den Vereinigten Staaten werden Drogenbosse einfach festgenommen, auch wenn sie Bitcoins nutzen.

Zweitens: die Unzuverlässigkeit. Die Behörden wiederholen oft, dass die Bevölkerung ihre Ersparnisse verlieren kann, wenn sie Bitcoins benutzt. Aber wie jede andere Währung weltweit sind Bitcoins auch nur so viel Wert wie die Produkte, die man mit ihnen kaufen kann.

Die Bitcoin-Wirtschaft hat keine staatlichen Grenzen, daher sind Bitcoins auch in jedem Fall zuverlässiger als die regelmäßig an Wert verlierenden Nationalwährungen.“

Die Zukunft der Bitcoins in Zentralasien

So oder so: ganz ohne Risiko ist das Geschäft mit Bitcoins nicht. Das liegt vor allem an der hohen Volatilität. Im Januar letzten Jahres war ein Bitcoin über 300 US-Dollar wert, im Sommer sank der Kurs auf 230 US-Dollar.

Heute steht die Währung bei über 450 US-Dollar. Seine Ersparnisse in Bitcoins aufzubewahren ist nicht ungefährlich. Dafür könnte man eine perfektioniertere Kryptowährung schaffen.

An dieser Idee sitzt auch der Business-Analytiker Iskender Scharschejew. Es wäre technisch möglich, eine staatliche Kryptowährung zu schaffen.

Finanzanalytiker Scharschejew

Das wäre ein Bitcoin, der internationale Geldüberweisungen günstiger macht, also viele Geschäfts-Prozesse vereinfacht und auch keiner Inflation unterliegt. Solange die kirgisischen Behörden ihre Position dazu nicht klären, bleibt das aber nur eine Idee.

Aber Scharschejew ist sich sicher, das keine Regierung der Welt die Entwicklung der Kryptowährungen aufhalten kann: „Die staatliche Kontrolle des Geldes ist ein Atavismus. Die Menschheit entwickelt sich schnell und braucht keine Kontroll- und Exekutivapparate mehr. Die heutige Gesellschaft kann sich gut selbst regulieren.“

Scharschejew schrieb einmal in seinen Blog, dass er bereit ist, Güter gegen Bitcoins auszutauschen. Im Prinzip ist das die erste Online-Tauschbörse im Land. Zwar mit wenigen Transaktionen, aber Scharschejew zweifelt nicht daran, dass die Kryptowährungen schnell einen Boom im Land erfahren werden.

Es muss nur erst der Internetzugang in Kirgistan verbessert werden, bislang liegt er nur bei ca. 30 Prozent der Bevölkerung.

Polina Potapowa
Redakteurin für das russische Businessmagazin „
Sekret Firmy

Aus dem Russischen übersetzt von Florian Coppenrath
Mitbegründer Novastans

Redaktion: Gregor Bauer
Chefredakteur

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