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Spotify expandiert nach Zentralasien

Wie der schwedische Streaming Dienst Spotify am 22. Februar ankündigte, können nach Kasachstan auch Nutzer aus Kirgistan und Usbekistan bald auf seine Kataloge zugreifen. Für die Nutzer vor Ort bedeutet das einen Streaming-Dienst mehr auf dem Markt, für Musiker einen weiteren Weg hin zu einem Publikum im Ausland.

Florian Coppenrath 

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Yamadzhi Feidzhi Spotify
Die kirgisischen Musiker Yamadzhi & Feidzhi auf dem Cover einer russischen Spotify-Playlist

Wie der schwedische Streaming Dienst Spotify am 22. Februar ankündigte, können nach Kasachstan auch Nutzer aus Kirgistan und Usbekistan bald auf seine Kataloge zugreifen. Für die Nutzer vor Ort bedeutet das einen Streaming-Dienst mehr auf dem Markt, für Musiker einen weiteren Weg hin zu einem Publikum im Ausland.

Spotify erweitert sich nach Zentralasien. Am 22. Februar gab der schwedische Audio-Streaming Dienst bekannt, dass er sich in den Folgetagen in über 80 neue Märkte ausweitet, darunter auch nach Kirgistan und nach Usbekistan. Musikfans aus Kasachstan haben bereits seit Juli 2020 Zugriff auf Spotify, als die Firma den lang erwarteten Sprung nach Russland und in weitere osteuropäische Länder machte.

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Es ist die „bislang weiteste Marktexpansion“ des Unternehmens, das die Zahl seiner Zielländer fast verdoppelt. „Diese über 80 Märkte repräsentieren mehr als eine Milliarde Menschen – potentielle Spotify-Hörer, die die Leistung unserer Plattform noch nicht entdeckt haben“, heißt es in der Pressemitteilung. Neben einem uneingeschränkten Zugriff auf den verfügbaren Musik- und Podcastkatalog soll der Schritt auch Musikern vor Ort neue Möglichkeiten „in einem wahrlich grenzenlosen Audio-Ökosystem“ eröffnen.

Streaming in mäßigem Fortschritt

Im Gegensatz zur Erweiterung letzten Sommer, kommt der Schritt etwas überraschend. Womöglich baut er aber auf dem Erfolg des Eintritts in den russischen Markt auf: „Die Einführung war wirklich ein Triumph, die beste Markteinführung in unserer Firmengeschichte“, erklärte der Leiter von Spotify in Russland und den GUS-Staaten Ilja Aleksejew Anfang Dezember in einem Interview mit dem unabhängigen Online-Medium Meduza. „In den ersten drei Monaten nach dem Start haben wir das Abonnentenziel erreicht, das wir uns für das erste Jahr gesetzt hatten, und dabei haben wir es geschafft, in die Top 25 der Spotify-Märkte weltweit zu kommen.“

In Kirgistan und in Usbekistan wächst die Nutzung von Streaming-Plattformen allmählich, nachdem weitere Dienste wie Apple Music, Deezer und russische Plattformen wie Yandex Music und BOOM dort in den vergangenen Jahren verfügbar wurden. Auch mehr und mehr Musik aus Zentralasien ist bereits über Streaming-Dienste zu hören. Vor Ort wird die Entwicklung von spezialisierten Musikvertrieben gefördert.

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Ob Spotifys Eintritt einen großen Unterschied für seine neuen zentralasiatischen Musikmärkte machen wird, sei aber „schwer zu sagen“, meint Najot Agzamov, Gründer und Leiter der in Taschkent ansässigen digitalen Musikvertriebsfirma „Maestro“ im Gespräch mit Novastan. „Der russische Markt ist auf einem ganz anderen Niveau als der usbekische. Russland war schon lange bereit [für einen Eintritt von Spotify]“, so Agzamov, dessen Firma fünf Jahre nach ihrer Gründung die Musik von über 200 usbekischen Pop- und Folkmusikern vertreibt. Um sich in Usbekistan behaupten zu können, meint er, muss Spotify Nutzern interessante Tarife und Bedingungen bieten.      

Bakai Koltschajew, der Gründer des 2015 gegründeten Bischkeker Musikvertriebs Infinity Music, erwartet ebenso wenig einen bedeutenden Wandel: „Wenn die Musikvitrine [Spotify] den Markt betritt, wird sich im Ganze nichts ändern. Ein kleiner Teil wird sich dorthin bewegen und das Leben wird so weitergehen wie bisher“, schreibt er auf Anfrage von Novastan. In Spotifys plötzlicher Expansion sieht er aber eine sinnvolle Strategie: „Es gibt viele [Streaming-]Plattformen und einige von ihnen sind bereits im Land. Aber es ist auch ein starker Kampf um Hörer. […] Auf diese Weise wird sie eine Milliarde von Menschen erreichen, davon wird aber nur ein Bruchteil zu Nutzern.“

Legalen Musikkonsum fördern

Die Musikmärkte in Zentralasien waren lange Zeit durch Piraterie geprägt: erst über die Verbreitung musikalischer Raubkopien durch organisierte Geschäftsleute und schließlich über Musikdownloads. Für Musiker bleiben in dem Kontext nur Privatkonzerte, Konzerte und seltener Werbeverträge als Einnahmequelle. Statt von Show-Business ist oft von „Toy-Business“ die Rede, in Anspielung an Toys, wie traditionelle Großfeste wie Hochzeiten vor Ort genannt werden.

Vor dem Hintergrund bringen Streaming-Dienste auch eine gewisse Regulierung des Musikvertriebs mit sich, indem sie Anreize für eine bessere Wahrung von Urheberrechten schaffen. „Für uns ist das ein weiterer Schritt, um das Publikum dazu zu bringen, legal Musik zu hören. Wir versuchen schon seit einigen Jahren, dies zu vermitteln, es ist ein sehr langsamer Prozess“, erklärt Koltschajew. Im vergangenen Jahr hat Infinity Music bereits über 1800 Singles und 100 Musikalben herausgebracht, schreibt die Firma in einem Bericht auf Instagram.     

So haben seit dem Start von Infinity Music vor allem auch viele lokale Musiker in Bischkek begonnen, sich für Streaming zu interessieren. Für sie bieten Dienste wie Spotify und auch YouTube erstmals die Möglichkeit, unmittelbar Geld für den Konsum ihrer Musik und Video-Materialien zu erhalten. Wenn die Einkünfte sich auch in Grenzen halten: Laut Agzamov kann keiner der über Maestro vertriebenen Musiker allein von Streams leben. 

„Local to Global“

Während der Streaming-Konsum in Kirgistan und Usbekistan nur mäßig wächst, bieten solche Dienste Musikschaffenden aber vor allem ein Tor zu neuen Ohren. Den Ansatz verfolgt Spotify laut eigenen Angaben ganz bewusst: „Diese Erweiterung wird dazu beitragen, dass einst lokale Klänge und Geschichten ein globales Publikum erreichen können“, schreibt das Unternehmen.

Das kommt alles auf die Promo an“, antwortet Agzamov auf die Frage, wie er das Potential für usbekische Künstler im Ausland einschätzt. „Die Möglichkeit ist da, wenn Spotify unsere Künstler in unterschiedlichen Playlists, Podcasts, Postern unterstützt. Wir haben gute Musiker, nur singen sie in unserer Muttersprache [usbekisch]“. 

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Klar, es ist cool, wenn ein solcher Dienst Releases „Made in Kyrgyzstan“ unterstützt. Definitiv ein Plus für die Künstler. Aber wir reden hier vor allem von russischsprachigen Werken“, so auch Koltschajew. Dementsprechend hatte der Start von Spotify Russia im vergangenen Jahr einen größeren Effekt für Musiker in Kirgistan, als von dem Start des Dienstes in Kirgistan selbst erwartet wird. Die Musiker aus Zentralasien mit der größten Reichweite haben ihr Kernpublikum im russischsprachigen Raum.

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So zum Beispiel die zwei Rapper und Produzenten Yamadzhi & Feidzhi aus Osch, die es im November auf das Cover der beliebten russischen Playlist „Nowoje Slowo“ (Neues Wort) schafften. Zurzeit verzeichnen sie über 50.000 monatliche Hörer auf Spotify, die allermeisten darunter aus Russland. Ebenso die gut 60.000 monatlichen Hörer des Bischkeker Rappers Ulukmanapo. Usbekischsprachige Musiker, wie die berühmte Sängerin Shahzoda, haben ihre größte Streaming-Gemeinschaft eher in der Türkei.

Ob Spotify nun in Zentralasien einen großen Unterschied machen kann, bleibt somit abzuwarten. Viel mehr ist der Markteintritt Teil einer breiteren Entwicklung, in der sich die lokale Musikwirtschaft über Nebeneffekte der Streaming-Dienste zunehmend strukturiert. Und der herausragende Erfolg eines Künstlers im Ausland kann bereits eine positive Dynamik in seiner Heimat ankurbeln. Dies zeigt das Beispiel des Pawlodarer Rappers Skriptonit, auf dessen Eroberung der russischsprachigen Musikszene im Jahr 2014 eine ganze Welle an kasachstanischen Kunstschaffenden folgte.   

Florian Coppenrath
Novastan.org

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