Viel wird in letzter Zeit in den Medien und sozialen Netzwerken über die Probleme Bischkeks geredet. Dadurch geraten die positiven Seiten der Stadt aus dem Blick. Das kirgisische Online-Magazin Kloop.kg hat zum Ausgleich eine Liste der schönen Seiten Bischkeks aufgestellt. Wir übersetzen den Artikel mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.
Geht man in dem in Kirgistan beliebten Onlineforum „Diesel“ in die Abteilung „Politik und Gesellschaft“, so zeigt sich für die einen die Entwicklung des Bürgerbewusstseins der Städter, für die anderen die ewige Meckerei der Internetnutzer.
Dutzende, wenn nicht sogar hunderte Themen befassen sich dort monatlich mit verschiedensten Problemen in Bischkek. Positive Aussagen über die Hauptstadt kann man dagegen an einer Hand abzählen.
Ähnliche Verhältnisse finden sich in den Medienberichten. Auch hier, wie es nun einmal dem Journalismus eigen ist, bekommen negative Fakten ein bedeutendes Übergewicht.
Sicherlich ist es möglich, dass die Hauptstadt Kirgistans die Mehrheit dieser kritischen Anmerkungen tatsächlich verdient, aber es scheint, dass noch nie jemand versucht hätte, auch einmal alle Vorzüge der Hauptstadt zusammenzutragen.
Welche Eigenschaften hat die Stadt Bischkek, die sie im positiven Sinne von anderen Städten der Region – oder sogar der ganzen Welt – unterscheiden?
1- Durchgehend geöffnete Supermärkte und Apotheken
In der kirgisischen Hauptstadt kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit praktisch alles kaufen, was das Herz begehrt. Für die Mehrheit der europäischen Länder eine nicht vorstellbare Situation. In Zentralasien findet man so etwas, außer in Bischkek, nur noch in den Großstädten Kasachstans.
2- Toleranz
Nafisa Chasanowa, geboren in Samarkand (Usbekistan, Anm. d. Red.), ist arbeitsbedingt des Öfteren in Bischkek. Sie betont, dass sie keinerlei Benachteiligung aufgrund ihrer Herkunft verspürt – auch wenn insgesamt in Kirgistan die Verhältnisse der einzelnen Ethnien zueinander, milde gesagt, nicht immer freundschaftlich sind.
„Ich empfinde Bischkek als sehr tolerante Stadt. Das einzige ist vielleicht, das ich das letzte Mal, als ich dort war, sehr häufig nach meiner Nationalität (im Sinne von ethnischer Herkunft, Anm. d. Red.) gefragt wurde. Aber ich habe keine negativen Reaktionen verspürt“, sagt sie.
Es gibt einzelne Vorfälle von Alltagsrassismus in der Hauptstadt, aber im Großen und Ganzen ist die Stadt offen für verschiedene Kulturen, so die Studentin Ekaterina Schoschina aus Duschanbe (Hauptstadt Tadschikistans, Anm. d. Red.).
„Ich bin ethnisch gemischt, und meine besten Freundinnen sind aus Kirgistan, Korea, Russland, Tadschikistan, dem tadschikischen Pamir und Tatarstan. Wir leben alle hier, gehen feiern, haben Sorgen und Freuden, studieren und verlieben uns, und fühlen uns ziemlich wohl hier“, sagt sie. „Natürlich gibt es in Bischkek, wie in jeder anderen Stadt, Auseinandersetzungen mit ethnischem Hintergrund. Mit mir persönlich hat aber noch niemand Streit gesucht.“
3- Preiswerte, vielfältige und vergleichsweise gesunde Ernährung
In Bischkek findet man eine beeindruckende Vielfalt verschiedenster Nationalküchen. Schoomart Ormonbekow, der für seinen Blog mit Restaurantrezensionen bekannt ist, lebte in den 2000ern lange Zeit im Ausland. Als er zurückkam, war er erstaunt, wie sehr sich die öffentliche Essenskultur der Hauptstadt geändert hatte. „Diese dynamische Seite der Stadt gefällt mir sehr gut. Ich war lange nicht im Land, aber als ich zurück kam, fiel mir sofort auf, dass das Essen vielfältiger geworden war“, erzählt er.
Aus allen Lokalen der Hauptstadt empfiehlt der Besitzer der Tourismusfirma „Kyrgyz Concept“ Emil Umetalijew besonders die Cafés – ein Modetrend der letzten Jahre. „Die Zahl der Cafés, die Bedienung und die Qualität der Produkte sind zwar nicht überall ideal, aber für Bischkek wirklich schon ausgezeichnet. Selbst in Prag gibt es nicht so viele moderne und gute Kaffeehäuser“, findet er.
4- Ein Hauch von Freiheit
Unter Freiheit versteht sich hier nicht nur die Möglichkeit, einmal alle fünf Jahre die Machthaber zu wechseln. Viele Einwohner der Nachbarländer Kirgistans staunen über die Möglichkeiten, die man als Einwohner Kirgistans und speziell Bischkeks hat.
Saule Meirmanowa aus Almaty (Kasachstan, Anm. d. Red.) genießt ihre politischen und bürgerlichen Freiheiten in der Stadt. „Hier bekommt man das Gefühl, sich in einer Stadt zu befinden, die frei ist von Dogmatismus. Wo frische, vielfältige Ideen in der Luft liegen, voll von kontroversen Diskussionen und ohne Angst, seine Gedanken einfach laut zum Ausdruck zu bringen“, findet sie.
Für Nafisa Chasanowa aus Samarkand sind öffentliche Liebesbekundungen ein Zeichen der Freiheit, die es so in vielen Ländern Zentralasiens nicht gibt. „Ich habe bemerkt, dass die Jugendlichen hier auf den Straßen ihre Beziehungen nicht verbergen. Viele umarmen sich und küssen sich in den Parks, das zeigt auch die Offenheit der Bevölkerung“, sagt sie.
5- Erfrischungsgetränke am Straßenrand
In wohl kaum einem anderen Land findet sich ein vergleichbares Phänomen wie Maksym: Ein Nationalgetränk, von allen geliebt, gleichzeitig markengeschützt und an jeder Ecke zu kaufen. Für viele ist das Erscheinen der Fässer mit Maksym am Straßenrand ein Vorbote des Sommers.
Als der ehemalige Bürgermeister Isa Omurkulow im letzten Jahr zur Debatte stellte, sie aus dem Stadtbild zu entfernen, zog das eine Welle des Protests unter den Stadtbewohnern nach sich. Keiner war bereit, eines der wichtigsten Symbole der Hauptstadt einfach so aufzugeben.
„Sie geben der Stadt wirklich ein eigenes Kolorit und stellen die allgemeine Verfügbarkeit eines preiswerten, leckeren und gesunden Getränks sicher. Es ist doch viel besser, wenn die Leute gesunde, traditionelle Getränke trinken, anstatt Cola und ähnlichem“, postete damals der Bischkeker Ruslan Tokotschew bei Facebook.
6- Relative Geschlechtergleichheit
Bischkek ist natürlich nicht Stockholm, aber unter den zentralasiatischen Städten hat sie eine der höchsten Stufen der Gleichbehandlung von Mann und Frau.
„Das Geschlechterverhältnis in klein- und mittelständischen Unternehmen sowie im öffentlichen Dienst ist bei uns um einiges ausgewogener als bei unseren Nachbarn“, betont Emil Umetalijew von „Kyrgyz Concept“.
Ekaterina Schoschina aus Duschanbe sieht eine andere Seite der Gleichberechtigung: Die Möglichkeit, bei hohen Temperaturen auch mal etwas weniger Kleidung zu tragen, ohne gleich von den umstehenden Menschen verschiedenste Reaktionen zu erhalten.„In Bischkek kann man sowohl im Minirock, als auch im Darth-Vader-Kostüm gehen, ohne dass einem jemand etwas sagt“, meint sie.
Lest auch bei Novastan: Die feministische Bewegung Kirgistans
Vielleicht würden die Feministinnen und Feministen der Hauptstadt dieser Aussage Schoschinas nicht komplett zustimmen, aber schon allein das Bestehen öffentlich tätiger feministischer Organisationen ist in der Region ein Alleinstellungsmerkmal für die Stadt. „Bischkek ist aktiv. Es gibt feministische Organisationen, die regelmäßig Kampagnen durchführen, und wir, die Bewohner der Stadt, machen mit. Darauf kann man stolz sein“, findet Schoomart Ormonbekow.
7- Taxis
In Bischkek gibt es beeindruckend bequeme Taxidienste. Ein „offizielles“ Taxi per Telefon zu bestellen ist schneller, preiswerter und sicherer, als sich eins an der Straße zu suchen – das ist eine Seltenheit nicht nur in Zentralasien, sondern der ganzen Welt.
Seit mehr als 20 Jahren trifft Emil Umetaliew in seinem Beruf Touristen. Dabei konnte er beobachten, wie die Taxidienste sich veränderten.„Anfang der Neunziger Jahre war es sehr schwer für mich, unsere Fahrer dazu zu bewegen, höflich und gastfreundlich zu sein. Heute hat sie – bis auf einige Ausnahmen – der Markt und die Konkurrenzlage dazu gebracht, freundlich und kundenorientiert zu handeln“, sagt er.
Die Einzigartigkeit dieses Services bestätigt uns auch ein begeisterter Ausländer: „Die Taxis in Bischkek haben mich im positiven Sinne überrascht: Sie sind schnell da, bequem und bezahlbar“, erzählt Schochruch aus Usbekistan.
8- Viel Grün
Als der berühmte russische Designer und Blogger Artemij Lebedew im Juni 2013 nach Bischkek kam, warteten viele Bischkeker voll Spannung darauf, was der für seine gnadenlosen Kritiken bekannte Internetstar über ihre Stadt schreiben würde.
Von der zu erwartenden sarkastischen Betrachtung der städtischen Infrastruktur abgesehen, fand Lebedew plötzlich etwas, was ihm gefiel – die Anzahl der Bäume.
„Da ist der Reisende mal einen Moment abgelenkt, und schon sieht er, dass die Stadt unglaublich grün ist. Fantastisch grün. So grün, dass man sich während eines Regengusses einfach unter den nächsten Baum stellen kann und nicht nass wird. Das Grün durchbricht die Eintönigkeit der Stadtanlage. Es rettet die breiten Straßen vor der Monotonie“, schrieb er in seinem Bericht über die Reise in Kirgistans Hauptstadt.
9- Kleiderbasare
Eine der Grundlagen der kirgisischen Wirtschaft sind die Kleiderbasare, besonders in den riesigen Maßstäben eines „Dordoj“ (der größte Kleidermarkt Zentralasiens, im Norden Bischkeks gelegen, Anm. d. Red.). Sie sind einer der Hauptgründe, warum verschiedenste Geschäftsmänner aus allen Nachbarländern nach Kirgistan kommen.
Besonders für seine chinesischen Waren bekannt, bezieht der Markt „Dordoj“ einen Großteil seiner Einkünfte aus deren Weiterverkauf in die Länder Zentralasiens und nach Russland. Emil Umetaliew ist überzeugt, dass der Weiterverkauf chinesischer Waren dem Staat Kirgistan „einen Blankoscheck unglaublicher Möglichkeiten“ gibt.
Amina Sulejewa
Kloop.kg
Aus dem Russischen von Katharina Kluge
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