„Russland ist das Zentrum der Freundschaft“ – mit diesen Worten begann heute Kirgistans Präsident Almasbek Atambajew seinen Tost beim gemeinsamen Dinner mit Wladimir Putin und Gästen. Einigkeit und Verbundenheit mit der großen Schutzmacht zu demonstrieren ist eben komfortabler, als akute Probleme in Sachen Wirtschaftsunion und Migration zu thematisieren.
Atambajew war am Montag zu seinem Staatsbesuch nach Russland aufgebrochen, zu dem er von Wladimir Putin persönlich eingeladen worden war. Es ist der erste Staatsbesuch des Präsidenten in Russland. In seiner bisherigen Amtszeit absolvierte er zwei Staatsbesuche – in China (im Mai 2014) und in Indien (im Dezember 2016). In Russland besuchte Atambajew drei Städte: Moskau, Ufa und Kasan.
Zwanzig präsidiale Treffen
Russland ist der wichtigste strategische Partner und Hauptabsatzmarkt Kirgistans. Das bestätigen die recht häufigen Treffen der beiden Staatsoberhäupter. Seit 2012 trafen sich Almasbek Atambajew und Wladimir Putin 20 mal. Allein in diesem Jahr berieten sie dreimal die bilateralen Beziehungen. Die Präsidenten nutzen jede Gelegenheit, um miteinander zu sprechen.
Das vierte Zusammenkommen der beiden Staatsoberhäupter fand am 20. Juni in Moskau statt. Wie die offizielle Webseite des Präsidenten Russlands im Vorfeld verlautbarte, wollten die beiden Seiten die Schlüsselfragen der bilateralen Beziehungen sowie die Entwicklung der Zusammenarbeit im Bereich der Politik, der Handelsbeziehungen, der Kultur und Wissenschaft besprechen. „Außerdem wird ein Meinungsaustausch zu verschiedenen Aspekten der Fortentwicklung der Integrationsprozesse im eurasischen Raum und einer Reihe aktueller internationaler und regionaler Probleme stattfinden“, kommentierte der Pressedienst des Kreml.
Handel, Migrant*innen und Waffen
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und Kirgistan wurden am 20. März 1992 aufgenommen. Als wichtigste politische Dokumente gelten der Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe vom 10. Juni 1992 und die Deklaration über ewige Freundschaft und Partnerschaft vom 27. Juli 2000. Während des Staatsbesuchs stand der Abschluss eines weiteren wichtigen Dokuments zur Festigung des Bündnisses und der strategischen Partnerschaft zwischen Kirgistan und Russland an.
Kirgistan und Russland blicken auf eine lange, innige Partnerschaft zurück. Ihre Zusammenarbeit beruht auf drei Säulen. Eine davon ist die militärische Zusammenarbeit. Insbesondere Russland belieferte Kirgistan in den letzten Jahren mehrfach mit Waffen und Militärtechnik. Bei der letzten Sitzung der Zwischenstaatlichen Kommission für verteidigungswirtschaftliche Zusammenarbeit der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS) wurde bekannt, das die Russische Föderation bereit ist, in die Reaktivierung der in Kirgistan stillstehenden Unternehmen des Verteidigungskomplexes zu investieren.
Die brüchige Säule Wirtschaft
Der zweite wichtige Bereich der Zusammenarbeit ist der Handel. Russland ist der Hauptabsatzmarkt für kirgisische Produkte. Seit dem Eintritt in die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU) exportiert Kirgistan noch mehr Waren dorthin. Im ersten Quartal 2017 belief sich der Export auf 327,6 Millionen Dollar, was einem Anstieg um 22,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht.
Kirgistans Exportschlager nach Russland: Trockenfrüchte, Obst und Gemüse (Foto: Matthias Buehler)
Und dennoch bleibt das Thema Eurasische Wirtschaftsunion ein neuralgischer Punkt in den Beziehungen zwischen Kirgistan und Russland. Einen unkomplizierten Warenaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten gibt es trotz Wirtschaftsunion nicht.
Die EAEU ein Heilsbringer für Migrant*innen?
Der dritte wichtige Bereich in der Zusammenarbeit beider Länder ist die Migration. Mehr als eine halbe Million Staatsangehörige befinden sich außerhalb der Grenzen Kirgistans. Sie überwiesen in den vergangenen fünf Monaten 615,1 Millionen Dollar nach Kirgistan. Der Großteil von ihnen arbeitet in Russland. Deswegen ist es dem Staat recht wichtig die Interessen dieser Bürger*innen zu verteidigen.
Seit dem Beitritt Kirgistans in die Eurasische Wirtschaftsunion erfahren die in Russland lebenden Kirgis*innen eine bessere Behandlung Seitens Russlands. Dennoch existiert bis heute eine schwarze Liste, die ein akutes Problem für die Migrant*innen darstellt; in ihr aufgelistet Migrant*innen die nicht in die Russländische Föderation einreisen dürfen.
„Als Problem in Russland erweist sich die sogenannte Schwarze Liste, auf die 2014 180.000 Personen aufgenommen wurden. Innerhalb von zwei Jahren wurde dank der Abgeordneten, des Präsidenten und des Premierministers diese Liste auf 106.000 Personen gekürzt. Wir hoffen, dass im Jahr 2017 weitere 44.000 Personen von der Liste gestrichen werden“, teilte auf einer Fraktionssitzung des „Onuguu-Progress“ der stellvertretende Vorsitzende des Staatlichen Migrationsdienstes Almas Asanbajew mit.
Einsatz in den russlischen Regionen
Neben Moskau besuchte Almasbek Atambajew auch die Hauptstädte der Regionen Baschkortostan und Tatarstan – Ufa und Kasan. Das Thema dort war die Entwicklung der überregionalen Zusammenarbeit. Kurzum, Kirgistan möchte die Handelskontakte mit den Regionen Russlands ausbauen. Hierbei geht es nicht nur um die Möglichkeit Waren zu exportieren, sondern auch darum gemeinsame Unternehmen in Kirgistan aufzubauen.
Bis dato hat sich die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Baschkortostan nur wenig entwickelt. Im Jahr 2016 betrug der Umsatz zwischen Kirgistan und dieser Region 30,7 Millionen Dollar: 29 Millionen im Export und 1,7 Millionen im Import.
Hoffnungsträger Kultur
Dafür entwickeln sich die kulturellen Beziehungen besser. In Kirgistan wirkt das Tatarisch-Baschkirische Kulturzentrum „Tugan Tel“, im Gebiet Osch das Baschkirische Gesellschaftliche Zentrum „Ak tirma“, in Karakol die Tatarisch-Baschkirische Gesellschaft „Tatyulyk“ und viele andere Zentren in Städten wie Kara-Balta, Talas, Kant, Cholpon-Ata, Batken oder Tokmok.
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Im Baschkirien ist das Kirgisische Kulturzentrum „Ala-Too“ registriert, welches im Jahr 2013 mit einem Stipendium des Präsidenten Baschkortostans in Höhe von 200.000 Rubel (fast 3000 Euro)bedacht wurde. Zwischen den führenden Hochschulen Kirgistans und Baschkortostans wurden mehr als 30 Kooperationsverträge geschlossen. Im Jahr 2016/17 studierten an baschkirischen Hochschulen 60 Studierende aus Kirgistan.
Wirtschaftliche Vernetzung mit Tatarstan rückläufig
Was Tatarstan betrifft, so steht die Zusammenarbeit auf dem Fundament des Abkommens über wirtschaftliche, wissenschaftliche, technische und kulturelle Kooperation vom 4. April 1996. Der Umsatz zwischen Kirgistan und Tatarstan betrug 2016 27,3 Millionen Dollar. Im Vergleich zu 2015 ist er um das anderthalbfache zurückgegangen.
Auch der Import ist um das anderthalbfache zurückgegangen – auf 27,1 Millionen Dollar, während der Export um das 1,9-fache anstieg – auf 224.500 Dollar. Es existieren Kooperationen mit Unternehmen aus Tatarstan wie KamAZ (Lastwagen), Tatneft (Erdöl) und Tatchimfarmpreparaty (Pharmazie). Zwischen Bischkek und Kasan findet regelmäßiger Flugverkehr statt.
Auch in Tatarstan haben sich die wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen verbessert: Im akademischen Jahr 2016/17 studierten 593 Studierende aus Kirgistan an Hochschulen in Tatarstan. Des Weiteren ist in der Teilrepublik die nationale kulturelle Autonomie der Kirgis*innen „Yntymak“ registriert. In Kirgistan arbeitet das bereits erwähnte Tatarisch-Baschkirische Kulturzentrum „Tugan Tel“. Die tatarische Diaspora im Land umfasst 50.000 Personen. Die kirgisische Seite nimmt regelmäßig am Kasaner Internationalen Filmfestival des muslimischen Kinos sowie an internationalen Theater- und Musikfestivals der Turkvölker teil. Die tatarische Seite veranstaltet in Kirgistan regelmäßig den nationalen Feiertag Sabantuy.
Quelle: 24.kg
Aus dem Russischen von Robin Roth
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