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Kirgistanischer Sicherheitsdienst veröffentlicht persönliche Daten von Sexarbeiterinnen

Am 28. November kündigte das Staatliche Komitee für Nationale Sicherheit (GKNB) "die Schließung von Bordellen an, die intime Dienstleistungen anbieten". Zusammen mit der Nachricht veröffentlichte der Geheimdienst persönliche Daten von mehr als 70 Frauen, die scheinbar in Prostitution verwickelt waren.

GKNB veröffentlicht unrechtmäßig Daten von Sexarbeiterinnen

Am 28. November kündigte das Staatliche Komitee für Nationale Sicherheit (GKNB) „die Schließung von Bordellen an, die intime Dienstleistungen anbieten“. Zusammen mit der Nachricht veröffentlichte der Geheimdienst persönliche Daten von mehr als 70 Frauen, die scheinbar in Prostitution verwickelt waren.

Unter dem Deckmantel der Prävention

Nach Angaben des Staatskomitees wurde am 25. und 26. November ein Netz von Einrichtungen, die „intime Dienstleistungen anbieten”, ermittelt und geschlossen. Gleichzeitig veröffentlichte der Geheimdienst Fotos von Dutzenden von Frauen, die nach Ansicht des Ausschusses der Prostitution nachgingen, zusammen mit Passdaten, Adressen und Namen der Eltern einiger dieser Personen. Die Institution beschrieb ihr Handeln als „Präventionsmaßnahme für diejenigen, die beabsichtigen, solche illegalen Aktivitäten zu organisieren oder sich daran zu beteiligen”.

Zuvor hatte der Leiter des GKNB, Kamtschybek Taschijew, erklärt, dass die meisten Sexarbeiterinnen Studentinnen seien und diese Entwicklung bekämpft werden müsse. Taschijew forderte die GKNB-Beamt:innen auf, auf Prostitution zu achten und behauptete, dass in letzter Zeit die „Mädchen verdorben“ seien. Das Video der Razzia sowie die vom GKNB veröffentlichten Fotos der Frauen kursierten in den sozialen Netzwerken und wurden auch in staatlichen Fernsehsendern ausgestrahlt.

Vorgehen der Behörden gesetzeswidrig

Das Ombudsmann-Institut für Menschenrechte in Kirgistan kommentierte das Vorgehen des Sonderdienstes und forderte die Regierungsbehörden auf, die Einhaltung der Rechte von Sexarbeiterinnen zu gewährleisten: „Nach dem Gesetz ist es nicht erlaubt, die personenbezogenen Daten von Bürger:innen ohne deren Zustimmung offenzulegen, außer in gesetzlich festgelegten Fällen. Außerdem besagt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, dass es unzulässig ist, persönliche Informationen zu verbreiten.

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Auch die Anwältin Fatima Jakupbajewa weist in einem Interview mit Kloop darauf hin, dass die Veröffentlichung oder Verbreitung von Foto- oder Videomaterial ohne Zustimmung einer Person die Privatsphäre verletzt und als Straftat gilt: „Wenn eine Person für Geld Sex bekommt, beraubt sie das nicht ihres Rechts, ihre Privatsphäre und ihr eigenes Bild zu schützen. Die Veröffentlichung der vergangenen Razzia macht das Vorgehen der Behörden in Bezug auf die Veröffentlichung von Fotos von Sexarbeiterinnen nicht legal. Sexarbeit ist in Kirgistan seit 1998 entkriminalisiert, so dass es keine rechtliche Grundlage für die Veröffentlichung der Fotos gab„.

Die Anwältin Tattuubu Ergeschbajewa unterstützt diese Punkte und nennt das Vorgehen des GKNB gesetzeswidrig, da es dem Grundsatz der Unschuldsvermutung widerspreche: „Die Veröffentlichung der persönlichen Daten von Inhaftierten, wie Fotos und Kopien von Dokumenten, kann sich negativ auf ihre Sicherheit auswirken und eine voreingenommene öffentliche Haltung gegenüber diesen Menschen hervorrufen, die sie als schuldig einstuft, bevor ihre Schuld überhaupt bewiesen ist„. Ergeschbajewa erklärt, dass personenbezogene Daten nur in bestimmten Fällen veröffentlicht werden dürfen – wenn dadurch eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit abgewendet oder die Persönlichkeitsrechte anderer geschützt werden können.

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In den meisten Fällen ist die Veröffentlichung personenbezogener Daten von Häftlingen ohne deren Zustimmung jedoch eine inakzeptable Praxis und kann als Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte angesehen werden„, so die Anwältin abschließend.

Jakupbajewa fügt hinzu, dass die illegale Verbreitung persönlicher Geheimnisse unter Ausnutzung einer offiziellen Position strafbar ist und die Opfer ihre Rechte gerichtlich geltend machen können.

Folgen der Veröffentlichung für die Sexarbeiterinnen

Eine Frauenrechtsaktivistin, die anonym bleiben möchte, berichtet gegenüber Kloop von schwerwiegenden Konsequenzen für Sexarbeiterinnen, deren persönliche Daten veröffentlicht wurden. Einige der Betroffenen gaben an, dass sie sich ihren Familien nicht mehr zeigen können, da sie landesweit in Ungnade gefallen seien und in ständiger Angst vor deren Reaktionen leben. Häufig sind es ältere Männer, die den Frauen physische Gewalt zufügen, von Schlägen bis zur Verweigerung jeglicher Kommunikation.

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Die Kinder der Sexarbeiterinnen leiden ebenfalls unter der Offenlegung der Daten ihrer Mütter, da sie schikaniert, belästigt und gedemütigt werden, falls ihre Mütter in den veröffentlichten Materialien des GKNB erkannt werden.

Die Frauenrechtsaktivistin betont, dass Sexarbeiterinnen in Kirgistan schon immer Belästigung und Verfolgung ausgesetzt sind, wenn auch in varierendem Maße. Der aktuelle Vorfall verdeutlicht die anhaltenden Herausforderungen und Gefahren, mit denen Sexarbeiterinnen in der Region konfrontiert sind, und wirft ein Schlaglicht auf die mangelnde Schutzmechanismen sowie die prekäre gesellschaftliche Lage, in der sie sich befinden.

„Die Daten der wirklichen Kriminellen werden geschützt“

Auch eine Reihe Abgeordneter verurteilte das Vorgehen der GKNB. Der Parlamentarier Dastan Bekeschew merkt an, dass selbst bei der Festnahme von Kriminellen diese lediglich Verdächtige seien und ihre Daten nicht veröffentlicht werden dürften: „Diese Sexarbeiterinnen wurden für das ganze Land entehrt, indem man sie vorführte. Ich halte das für eine Verletzung ihrer Rechte. Außerdem: Wer ist aus moralischer Sicht verantwortlich, wenn eine von ihnen Selbstmord begeht? Ja, Prävention ist notwendig, aber auf eine andere Art und Weise. Im Gegenteil, wir sollten stattdessen die Gesichter der Freier zeigen„.

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Die Schriftstellerin und feministische Aktivistin Altyn Kapalowa beklagt in einem Kommentar an Kloop, dass der Staat, vertreten durch das GKNB, seinen Teil zu geschlechtsspezifischer Gewalt und Femizid beiträgt: „Wenn man ihr völlig unprofessionelles Handeln umfassend betrachtet, unterscheiden sie sich nicht von häuslichen Tyrannen und Vergewaltigern. Glauben sie wirklich, dass sie das Verbrechen bekämpfen? Glauben sie wirklich, dass sie durch ihr Handeln die Situation verbessern?

Auch sie schlägt stattdessen vor, dass das GKNB Listen ihrer „Kunden“ zusammenstellt und diese veröffentlicht: „Es ist immer einfacher, Frauen aus gefährdeten Gruppen für ihren ‚Kampf‘ zu benutzen. Die Aktionen des GKNB verletzen die Rechte dieser Frauen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass niemand für dieses Video bestraft werden wird, denn unsere Strafverfolgungsbehörden sind voller Vergewaltiger und Moralisten„, schließt Kapalowa.

Prostitution in Kirgistan

Laut einer 2023 durchgeführten Studie des Landesweiten Netzwerks HIV-positiver Frauen sind in Kirgistan über 9‘000 Frauen in der Sexarbeit tätig, was etwa 0,26 Prozent der weiblichen Bevölkerung entspricht. Einige begannen damit bereits vor dem Erwachsenenalter, darunter 10 Prozent in Bischkek und 4,5 Prozent in Osch. Prostitution wird hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen betrieben, um Familien zu unterstützen, Schulden zu begleichen und teure Operationen zu finanzieren.

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Laut einer 2018 durchgeführten Studie haben 73 Prozent der Sexarbeiterinnen Angehörige, durchschnittlich vier Personen pro Sexarbeiterin. Zusätzlich sind 33 Prozent der Frauen in der Prostitution auch berufstätig oder studieren. Die Studentinnen, die ohne elterliche Unterstützung in Mietwohnungen leben, benötigen eine zusätzliche Einnahmequelle für Studiengebühren und Lebenshaltungskosten in den Großstädten.

Das Landesweite Netzwerk HIV-positiver Frauen hebt hervor, dass Sexarbeiterinnen im Jahr 2021 in 147 Fällen Opfer von Straftaten wurden, wobei in 60 Prozent der Fälle Vollzugsbeamte die Täter waren. Körperliche und sexuelle Gewalt, sowohl durch Strafverfolgungsbehörden als auch durch Kunden, stellen die häufigsten Straftaten dar.

Die Redaktion von Kloop

Aus dem Russischen übersetzt von Ramona Bleimhofer

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