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Kirgistan: Oppositioneller Journalist nach Russland ausgewiesen

Der Oppositionelle und Journalist Bolot Temirow ist nach einem Gerichtsurteil aus Kirgistan nach Russland ausgewiesen worden. Zuvor wurde ihm die kirgisische Staatsangehörigkeit aberkannt. Die Ausweisung ist Teil einer Repressionsspirale, die die Regierung in den letzten Monaten gegen oppositionelle Medien in Gang gesetzt hat.

Der Oppositionelle und Journalist Bolot Temirow ist nach einem Gerichtsurteil aus Kirgistan nach Russland ausgewiesen worden. Zuvor wurde ihm die kirgisische Staatsangehörigkeit aberkannt. Die Ausweisung ist Teil einer Repressionsspirale, die die Regierung in den letzten Monaten gegen oppositionelle Medien in Gang gesetzt hat.

Das Urteil wurde am 23. November im Berufungsverfahren gefällt: Ein Gericht in Bischkek hat Bolot Temirow schuldig im Sinne der Anklage gesprochen und ihn nach Russland ausgewiesen. Damit einhergehend verlor er die kirgisische Staatsbürgerschaft. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung wurde der Oppositionelle von der Polizei an einen unbekannten Ort gebracht. Sein Anwalt habe daraufhin „ein erzwungenes Verschwinden“ angeprangert, berichtet das kirgisische Nachrichtenportal Kloop.

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Die Behörden teilten mit, dass sie ihn zum Flughafen Manas gebracht hatten, um ihn dort in ein Flugzeug nach Russland zu setzen. Mittlerweile ist bekannt, dass Temirow bei seiner Familie in Moskau ist. Im April war der Oppositionelle und Investigativ-Journalist wegen illegalen Grenzübertritts und versuchter Dokumentenfälschung angeklagt worden.

Laut einer Erklärung von Kirgistans Präsidenten Sadyr Dschaparow habe Temirow „den Militärausweis eines anderen gestohlen, sein eigenes Foto eingefügt, seinen Nachnamen geändert und auf der Grundlage dieses Militärausweises einen kirgisischen Pass erhalten“. Wegen Verjährung wurde Temirow zunächst freigesprochen. Gegen diese Entscheidung legte die kirgisische Staatsanwaltschaft aber sofort Berufung ein.

Sorge um das Schicksal des Journalisten

Auch wenn Temirow äußerte, er wolle „seine Arbeit fortsetzen“, werden Bedenken hinsichtlich seiner Sicherheit geäußert. Als Inhaber eines russischen Passes könnte er mobilisiert werden, um an der ukrainischen Front zu dienen.

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Darüber hinaus ist die Pressefreiheit in Russland sehr eingeschränkt, unabhängige Medien leiden insbesondere seit der Invasion in der Ukraine unter Verboten und Zensur. Russland liegt im Press Freedom Index 2022 von „Reporter ohne Grenzen“ auf Platz 155 von 180 Ländern. Temirows Angehörige und andere Oppositionelle befürchten daher, dass der Journalist dort ähnlichen Repressionen ausgesetzt sein wird wie in Kirgistan.

Politisch motivierte Justiz

Zweck des Gerichtsurteils ist es, ein wichtiges Mitglied der unabhängigen Presse mundtot zu machen. Bolot Temirow, Gründer des YouTube-Nachrichtenkanals Temirov Live KG, untersucht hauptsächlich staatliche Korruption in Kirgistan. Seine rechtlichen Probleme mit dem kirgisischen Staat begannen nach der Veröffentlichung eines Videos, in dem er einen großen Korruptionsskandal enthüllte, an dem Geheimdienstchef Kamtschybek Taschijew und dessen Verwandten beteiligt waren.

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Nach diesen Enthüllungen wurden auf Befehl Taschijews Durchsuchungen in den Büros von Temirows Teams durchgeführt. Taschijew erklärte, dass „sein [Temirows] einziges Ziel darin besteht, die Regierung vor der Gesellschaft in ein negatives Licht zu rücken. […] Diese Untersuchung ist eine reine Lüge und eine Verleumdung, die auf keinerlei Tatsachen beruht.“

Zunehmende Repression

Die Ausweisung Temirows soll auch eine Botschaft an die oppositionelle und unabhängige Presse in Kirgistan senden. Der Staat versucht seit der Wahl Dschaparows im Jahr 2021, der Presse einen Maulkorb zu verpassen, um Informationen besser kontrollieren zu können. Seit der Verabschiedung eines Gesetzes zur Kontrolle falscher Informationen hat eine gewisse Unklarheit über die Bedingungen der Medienzensur deren Arbeit erschwert.

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So wurde Radio Azattyk, der kirgisische Dienst von Radio Free Europe, am 26. Oktober für zwei Monate gesperrt, weil ihm vorgeworfen wurde, falsche Informationen über den Grenzkonflikt mit Tadschikistan verbreitet zu haben. Auch die politische Opposition erlebt eine Verschärfung der Repressionen. Als es im Oktober als Reaktion auf ein Grenzabkommen mit Usbekistan zu Demonstrationen kam, wurden rund 20 Gegner:innen des Projekts, hauptsächlich Menschenrechtler:innen, Journalist:innen und Politiker:innen, festgenommen. Die Repressionsspirale scheint daher allmählich die gesamte kirgisische Zivilgesellschaft zu erfassen.

Noé Lhomme, Redakteur für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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