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Kirgistan: Neue Kohlegrube gefährdet Petroglyphen

Ein türkischer Fotojournalist hat vor der möglichen Zerstörung von Tausende von Jahren alte Petroglyphen im Süden Kirgistans gewarnt.

Anouk Gohier 

Im Süden Kirgistans sind Petroglyphen sind durch eine Kohlemine von Zerstörung bedroht

Ein türkischer Fotojournalist hat vor der möglichen Zerstörung von Tausende von Jahren alte Petroglyphen im Süden Kirgistans gewarnt.

Kirgistans Kohleindustrie fordert immer wieder Opfer. Die Kohle, die im Energiemix des Landes eine zentrale Rolle spielt und deren Abbau vor kurzem den Zusammenbruch eines ganzen Gebirgsteils verursacht hat, bedroht auch das tausendjährige historische und kulturelle Erbe Kirgistans. Der türkische Fotograf Zafer Dincer hat am 13. September anhand von Fotos und Videos auf Facebook angeprangert, dass Petroglyphen durch den Bau einer Straße zu einem neuen Kohlebergwerk gefährdet werden.

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Die Straße befindet sich im Bezirk Kara-Suu, in der im Süden des Landes gelegenen Region Osch. „Viele einzigartige Steine rund um den See werden durch asphaltierte Straßen zerstört. Wenn das so weitergeht, befürchten wir, dass wir in einer Woche einen Ort von unglaublicher Schönheit verlieren werden“, beschreibt Zafer Dincer seine Aufnahmen.

https://www.facebook.com/735052695/videos/pcb.10158457904192696/10158457901512696

Petroglyphen sind wichtige Elemente der vorislamischen kirgisischen Kultur. Diese Felszeichnungen sind an mehreren Stellen des Landes in Felsen eingraviert. Obwohl ihre Datierung unter Fachleuten umstritten ist, wird allgemein angenommen, dass die ersten aus der Bronzezeit (2700-900 v. Chr.) stammen.

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Die Petroglyphen stellen alltägliche Szenen aus dem Leben jener Menschen dar, die sie gezeichnet haben. Sie sind oft von Spiritualität geprägt und insbesondere mit dem Sonnenkult verbunden. Wie das kirgisische Nachrichtenportal Kloop hervorhebt, gelten die Petroglyphen als historisches und kulturelles Erbe und sind daher durch die Gesetze des Landes geschützt.

Ein unzureichend geschütztes Erbe

Trotz dieses Rechtsschutzes reagierte das kirgisische Kulturministerium erst am 16. September, drei Tage nach der Veröffentlichung der beunruhigenden Fotos und Videos durch Zafer Dincer. Wie Kloop berichtete, sprach das Ministerium in einem Facebook-Post von „Vandalismus“ in Bezug auf den Kohlebergbau in der Region und kündigte an, dass Maßnahmen ergriffen wurden, um „Verletzungen“ dieser Objekte des historischen und kulturellen Erbes zu verhindern. Die Bauarbeiten an der Straße seien ausgesetzt und ArchäologInnen zum Petroglyphen-Feld geschickt worden, um den Schaden zu bewerten.

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Das kirgisische Nachrichtenportal Kaktus zitiert eine Pressemitteilung der Nichtregierungsorganisation (NGO) „Zentralasien – Kunstmanagement“, in der empfohlen wird, diese Petroglyphen zum UNESCO-Weltkulturerbe zu erklären, um einen besseren Schutz zu ermöglichen. Die NGO ist auch besorgt darüber, dass die Gefahr der Zerstörung, der diese Petroglyphen ausgesetzt sind, nicht von den Behörden, sondern von einem zufällig vor Ort befindlichen Journalisten aufgedeckt wurde. Dies zeige die Mängel beim Schutz des kirgisischen historischen Erbes.

Die Kohleindustrie birgt verschiedene Risiken

Die Gefahr für das historische Erbe ist nicht das einzige Problem mit Kirgistans Kohleförderstätten. So berichtete Radio Azattyk, der kirgisische Dienst des amerikanischen Rundfunkveranstalters Radio Free Europe, im Jahr 2019 von einem weiteren Vorfall im Zusammenhang mit dem Kohlebergbau im Bezirk Kara-Suu. Die EinwohnerInnen des Dorfes Karagur klagten damals über eine beunruhigende Verschlechterung des Zustands der Umwelt, insbesondere der biologischen Vielfalt. Dem Artikel zufolge wurde die Firma Dschol-Tschyrak, die in diesem Gebiet Kohleabbau durchführt, zu einer Geldstrafe von 13.000 Som (etwa 140 Euro) verurteilt, weil sie das Wasser, das das Dorf benutzt, vorsätzlich verschmutzt hatte.

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Die Ereignisse sind Teil einer allgemeinen Dynamik im Land. Gemäß den Zahlen des Nationalen Statistikkomitees ist das Volumen der Kohleproduktion seit 2015 stetig gestiegen. Die hohe Geburtenrate der letzten Jahre, die von 2,8 Kindern pro Frau im Jahr 2010 auf 3,3 im Jahr 2019 stieg, erklärt zum Teil, warum der Energiebedarf des Landes von Jahr zu Jahr gestiegen ist. Darüber hinaus werden ausländische Investitionen, die in den Energiesektor des Landes getätigt werden, weitgehend in die besonders umweltschädliche Bergbauindustrie. Und dies trotz der sichtbaren negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die Luftqualität und die menschliche Gesundheit.

Anouk Gohier, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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