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Referendum in Kirgistan: Verfassungsreform mit 80% angenommen

Vorläufigen Ergebnissen zufolge stieß das Verfassungsreferendum auf die Zustimmung der kirgisischen Bevölkerung. Jedoch wurden massive Unregelmäßigkeiten beobachtet.

Die Redaktion 

Atambajew Referendum
Atambajew (rechts) bei seiner Stimmabgabe am Sonntag, 11. Dezember.

Vorläufigen Ergebnissen zufolge stieß das Verfassungsreferendum auf die Zustimmung der kirgisischen Bevölkerung. Jedoch wurden massive Unregelmäßigkeiten beobachtet.

Nach den vorläufigen Ergebnissen, die eine Stunde nach der Schließung der Wahllokale verkündet wurden, stimmten 80% der Wähler für die Änderungen der kirgisischen Verfassung. Die Wahlbeteiligung war mit etwa 40% sehr niedrig, lag aber über den erforderlichen 30%, um das Referendum rechtskräftig zu machen. Allerdings wurden viele Unregelmäßigkeiten während der Abstimmung festgestellt. Von Studenten, die massenhaft zur Wahl erschienen aber schlecht bis gar nicht über die Verfassungsreform informiert waren bis zu versuchten  Stimmenkauf. 

Die Verfassung wird verändert

Das Referendum ist Sieg für die Regierung und vor allem für Präsident Almasbek Atambajew, für den die Verfassungsreform eine wichtige Errungenschaft seiner Präsidentschaft darstellt. Am Wahltag versprach er,  dass die neue Verfassung nicht verloren gehen würde – im Gegensatz zu der ersten von 2010,  deren Verlust in der internationalen Presse zu vielen spöttischen Artikeln über Kirgistan geführt hatte.

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Die Verfassungsänderungen werden vor allem die Befugnisse des Premierministers auf Kosten des Parlaments vergrößern, ohne die Macht des Präsidenten zu verringern. Dieser und andere Punkte der Reform wurden von der Opposition stark kritisiert. Die Punkte beinhalten unter anderem eine größere Abhängigkeit der Richter von den Legislativ- und Exekutivmächten und die Marginalisierung der Menschenrechte in dem Wertekanon der Kirgisischen Republik.

Die populistischen Maßnahmen, wie die Möglichkeit des Entzugs der Staatsbürgerschaft von Terroristen und dem Verbot der Homo-Ehe, scheinen den Wählern gefallen zu haben. Ein Video des unabhängigen kirgisischen Online-Magazins kloop.kg zeigt, wie Studenten massenweise diese Maßnahmen als Grund ihres „Ja“zum Verfassungsreferendum nennen.

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Weit verbreitete technische Probleme

Während die Behörden und unabhängige Wahlbeobachter (ausschließlich aus den Ländern der ehemaligen UdSSR) von einem guten allgemeinen Niveau bei der Organisation der Abstimmung sprachen, wurden mehrere Mängel und Zwischenfälle über den Tag  hinweg bemerkt.

In vielen Fällen zeigten die elektronischen Abstimmungsmaschinen Störungen. Manche konnten die Fingerabdrücke der Wähler nicht lesen – und nach zehn erfolglosen Versuchen verlieren die Wähler ihr Wahlrecht.

Im Wahlbüro 1214 in Bischkek, der Hauptstadt Kirgistans, konnten die Maschinen den Pass des ersten Wähler des Tages nicht lesen. Der Wähler musste fünf Versuche unternehmen, bevor er von der Maschine richtig identifiziert wurden. In einem anderen Büro steckten einige Wähler wegen technischer Probleme ihre Stimmzettel in einen Karton und nicht in die E-Box.

Laut der Aktivistin Dinara Ocshurachunowa wurde das Referendum nicht genügend vorbereitet. Technische Fehler waren zahlreicher als bei den Parlamentswahlen im Oktober 2015, als die elektronische Abstimmung eingeführt wurde. Die ukrainische Wahlbeobachter schlugen eine Verbesserung des Systems der Wähleridentifizierung vor, wie die kirgisische Nachrichtenagentur 24kg berichtet.

Fehlende Übersichtlichkeit bei der Wählerregistrierung

Auch das Wählerregistrierungsverfahren wurde sehr unklar gehandhabt. Das Chaos machte nicht einmal vor hohen Politkern halt: der Ministerpräsident, Sooronbai Jeenbekow, stand offenbar nicht auf der Wählerliste, als er in seinem Wahllokal erschien. Dies hinderte ihn nicht daran, seine Stimme abzugeben.

Andere Wähler konnten nicht an dem Ort ihrer Registrierung wählen.  Dies war anscheinden der Fall für den Parteichef der Respublika-Partei, Omourbek Babanow, und seine Frau. Obwohl sie unter derselben Adresse registriert waren, mussten sie in zwei separaten, fünf Kilometer entfernten Wahllokalen wählen.

Ein weiteres Hindernis für den Wahlvorgang waren die neuen Vorraussetzungen: ein biometrischer Personalausweis ist obligatorisch. Viele Wähler konnten aus diesem Grund nicht zur Wahlurne schreiten.

Vorwürfe von Korruption und Wahlfälschung

Nach Informationen des Magazins Azattyk begann die Polizei einige Tage vor den Wahlen Untersuchungen mehrerer Personen, die angeblich Stimmen für 1000 Som (ca. 13 Euro) kauften – in Bischkek, aber auch auf dem Land wie in dem Dorf Kara-Balta. Dies geschah wahrscheinlich im Zusammenhang mit den Regionalwahlen, die zur gleichen Zeit wie das Referendum stattfanden.

Die Bewohner des 6. Mikrobezirks von Bischkek, im Südwesten der Stadt, beklagten sich bei einer Pressekonferenz am Freitag, den 9. Dezember, über falsche Registrierungen: nicht existierende Personen wurden zur Registrierung eingeladen. Die Wahlkommission von Bischkek wurde zu diesem Thema befragt. Am Tag der Abstimmung wurden laut 24.kg Fälle von Wahlfälschung, zum Beispiel in Dschalalabad im Süden des Landes, festgestellt.

Die Wählerinnen und Wähler hatten auch darauf bestanden, dass die Wahlurnen transparent sind. Daher ist die Wahl eines jeden in der Wahlurne sichtbar für andere Anwesende.

Schlecht informierte Wähler?

Almasbek Atambajew wehrte sich gegen Vorwürfe, er habe „administrative Ressourcen“, womit Funktionäre und vor allem Universitätsprofessoren gemeint sind, als Verteidiger seiner Reform genutzt. „Wenn etwas die Lehrerschaft dazu beweg hat, für die Reform der SDPK zu stimmen, dann war es zweifellos das Vertrauen, das sie in diese Partei haben“, sagte Atambajew.

Laut einer vom Magazin Kloop.kg während der Abstimmung durchgeführten Umfrage sind jedoch nur wenige Studierende in der Lage zu erklären, für welche Verfassungsänderungen sie gestimmt haben. Beobachter vermuten daher, dass viele Menschen ihre Wahl nicht gemäß ihrer Überzeugungen getroffen haben.

Die politische Kampagne rund um das Referendum war im öffentlichen Raum tatsächlich beinahe unsichtbar und wurde vor allem im Parlament geführt. Die kirgisischen Bürger waren daher schlecht über den genauen Inhalt der Reform und ihre Implikationen für die politische Zukunft des Landes informiert.

Wann die Verfassungsreform in Kraft tritt ist noch nicht klar, obwohl in nur elf Monaten, im November 2017, die Präsidentschaftswahlen bevorstehen. Noch immer ist es die Debatte über die Verfassungsänderungen, die das politische Leben Kirgistans so kurz vor einem weiteren entscheidenden Datum bestimmt.

Die Redaktion

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