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Eine von vier Familien lebt in Kirgistan unterhalb der Armutsgrenze

In Kirgistan ist die Armut von 2019 auf 2020 um 5,2 Prozentpunkte in die Höhe geschnellt - die Kirgisen, die in extremer Armut leben, werden immer zahlreicher. Der Grund dafür sei die mit Covid-19 verbundene Schließung der Grenzen, welche die Kirgisen daran hinderte ins Ausland arbeiten zu gehen und damit ihre zurückgebliebenen Familien zu ernähren. Dies zeigt eine Studie, die allerdings einige Mängel aufweist, denn ein großer Teil der kirgisischen Arbeiter bewegt sich in halboffiziellen Beschäftigungen, was es enorm erschwert, die richtigen Zahlen herauszufiltern. Während die allgemeine Armut in Kirgistan in den Jahren 2016 bis 2019 gesunken ist, ist dieser Wert zwischen 2019 und 2020 in nur einem Jahr um 5,2 Prozentpunkte von 20,1% auf 25,3% in die Höhe geschnellt. Eine von vier Familien lebt also unter der Armutsgrenze, berichtete die kirgisische Presseagentur 24.kg am 30. November. Diese Daten kommen vom Kirgisischen Nationalkomitee für statistische Daten (NSC), das eine Studie mit 4993 beteiligten Haushalten durchführte. Die veröffentlichten Zahlen zeigen ebenfalls große Unterschiede zwischen den Regionen. Während die Armut in Dschalalabat im Süden des Landes um 10,3% gestiegen ist, verzeichnet die Hauptstadt Bischkek einen Anstieg von 4,9 Prozentpunkten. In Osch, der zweitgrößten Stadt Kirgistans, die wie Dschalalabat im Süden des Landes liegt, sank die Armut im Gegensatz zu den anderen Regionen um sechs Prozent.

In Kirgistan ist die Armut von 2019 auf 2020 um 5,2 Prozentpunkte in die Höhe geschnellt – die Kirgisen, die in extremer Armut leben, werden immer zahlreicher. Der Grund dafür sei die mit Covid-19 verbundene Schließung der Grenzen, welche die Kirgisen daran hinderte ins Ausland arbeiten zu gehen und damit ihre zurückgebliebenen Familien zu ernähren. Dies zeigt eine Studie, die allerdings einige Mängel aufweist, denn ein großer Teil der kirgisischen Arbeiter bewegt sich in halboffiziellen Beschäftigungen, was es enorm erschwert, die richtigen Zahlen herauszufiltern. Während die allgemeine Armut in Kirgistan in den Jahren 2016 bis 2019 gesunken ist, ist dieser Wert zwischen 2019 und 2020 in nur einem Jahr um 5,2 Prozentpunkte von 20,1% auf 25,3% in die Höhe geschnellt. Eine von vier Familien lebt also unter der Armutsgrenze, berichtete die kirgisische Presseagentur 24.kg am 30. November. Diese Daten kommen vom Kirgisischen Nationalkomitee für statistische Daten (NSC), das eine Studie mit 4993 beteiligten Haushalten durchführte. Die veröffentlichten Zahlen zeigen ebenfalls große Unterschiede zwischen den Regionen. Während die Armut in Dschalalabat im Süden des Landes um 10,3% gestiegen ist, verzeichnet die Hauptstadt Bischkek einen Anstieg von 4,9 Prozentpunkten. In Osch, der zweitgrößten Stadt Kirgistans, die wie Dschalalabat im Süden des Landes liegt, sank die Armut im Gegensatz zu den anderen Regionen um sechs Prozent.

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Vor 2020 war laut NSC die Armutsquote im Sinken begriffen: Von 25,6 % im Jahr 2017 war die Zahl der in Armut lebenden Kirgisen 2019 auf 20,1% gesunken. Mit den 25,3% im Jahr 2020 nähert sich die Zahl der an der Armutsschwelle lebenden Kirgisen im Durchschnitt wieder den Zahlen von 2016 an. In diesem Zeitraum sahen sich einige Regionen mit einem hohen Armutsanstieg konfrontiert. Dies war zum Beispiel in Bischkek der Fall, wo sich die Armutsrate fast verdoppelte (von 9,8% im Jahr 2016 auf 16,8% im Jahr 2020). Es gab allerdings auch gegenteilige Bewegungen, wie im Gebiet Talas im Nordwesten des Landes, deren Armutsrate von 18,1% im Jahr 2016 auf 12,5 % im Jahr 2020 schmolz und damit die niedrigste in ganz Kirgistan darstellt.

„Kluft zwischen arm und reich“ und „extreme Armut“

Die Experten des NSC haben außerdem die Zahl der in extremer Armut lebenden Kirgisen errechnet. Um diese „Quote extremer Armut“ zu bestimmen, „schätzt das Komitee eine gewisse Geldsumme, die einem Korb an Grundnahrungsmitteln entspricht“, das heißt, eine Liste von lebensnotwendigen Lebensmitteln für zumindest eine Person“, erklärt Ilias Mamadiarov, Forscher des französischen Instituts für Zentralasienforschung (IFEAC). „All jene, deren (monatliches) Einkommen weniger als 38.000 Som (391,2 Euro) beträgt, werden als in Armut lebend bewertet; diejenigen, die weniger als 19.000 Som (195,6 Euro) verdienen, leben in extremer Armut“, fügt er hinzu. Die Quote extremer Armut war bereits im Sinken begriffen: von 0,8% der Bevölkerung im Jahr 2017 auf nur mehr 0,5% im Jahr 2019. Allerdings stieg sie im Jahr 2020 wieder an, und zwar auf 0,9% der Gesamtbevölkerung.

Stark eingeschränkte Arbeitsmigration

Der Anstieg der Quote extremer Armut im Jahr 2020 kann auf die Schließung der Grenzen ab März 2020 aufgrund von Covid-19 zurückgeführt werden. In Kirgistan lebt die Mehrheit der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Normalerweise ist es üblich, dass viele Menschen nach der Erntezeit ins Ausland arbeiten gehen. „Die Armut ist jahreszeitlich bedingt, es gibt viele Landbewohner, die sich dazu entscheiden nach dem Herbst nach Russland zu reisen, um dort Arbeit zu finden“, merkt Ilias Mamdiarov an. Die Migranten schicken dann das erarbeitete Geld nach Kirgistan zu ihren Familien, um ihr Überleben zu sichern. Lest auch auf Novastan: Bischkek: Die Armut hinter dem Smog Den Daten der Weltbank zufolge repräsentierten diese Geldtransfers im Jahr 2020 31,3% des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Kirgistan ist weltweit der von diesen Geldsummen am drittmeisten abhängige Staat. Aber mit der Schließung der Grenzen im März 2020 konnten die Kirgisen, die nunmehr zum Verbleib in ihrer Heimat gezwungen waren, nicht für die Deckung der Bedürfnisse ihrer Nächsten aufkommen, erklärt Roman Mogilewskij, Forscher an der University of Central Asia (UCA), im Dezember 2020 in einer Studie über die Folgen von Covid in Bezug auf die Migrationsbewegungen. Diejenigen, die sich bereits im Ausland befanden, waren ebenfalls stark von den Auswirkungen der Covid-Pandemie betroffen. „Die Ende März 2020 in Russland und Kasachstan verhängte Ausgangssperre hatte eine drastische Verringerung der Arbeitsplätze für Migranten, unter anderem aus Kirgistan, zur Folge“, betont der Wissenschaftler.

Rückgang der Geldsendungen an kirgisische Familien

Roman Mogilevskij zufolge hat die drastische Reduzierung von Geldsendungen nach Kirgistan das BIP um 5% fallen lassen. „Die Sendungen zwischen Januar und Juli 2020 waren um 10% geringer als diejenigen von Januar bis Juli 2019“, erklärt er. Diese Situation hat zum Anstieg der Armut vor allem in ländlichen Gebieten geführt. Der Bericht des NSC bestätigt diesen Trend. Die Armut stieg in den ländlichen Gebieten um 6,1% im Vergleich zu 3,6% in den Städten an.

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„Zwar gibt es mittlerweile wieder mehr Migrationsbewegungen, aber es gibt weiterhin ein Mobilitätsproblem, denn es wurden nur die Luftwege Richtung Russland geöffnet“, stellt Ilias Mamadiarov fest. Um von Kirgistan aus nach Russland zu kommen, muss man durch Kasachstan fahren, das allerdings seine Landgrenzen nach wie vor geschlossen hält. „Viele Familien haben nicht die finanziellen Mittel, mit dem Flugzeug zu reisen; die Tickets sind zu teuer“, fügt er hinzu.

Eine unübersichtliche ökonomische Lage

Die genannten Zahlen sollte man allerdings mit Vorsicht genießen. In dieser Studie wurden nur 4993 Haushalte untersucht, im Vergleich zu 6,7 Millionen Einwohnern. Aber vor allem ist es aufgrund des hohen Grades an informeller Wirtschaft in Kirgistan sehr schwierig, tatsächlich fundierte Zahlen zu erhalten. Diese „halboffizielle“ Wirtschaft wurde eingängig in einer von Kanat Tilekeew – selbst Forscher an der UCA – im Juni 2021 veröffentlichten Studie erläutert. Dem NSC zufolge betraf dieses Phänomen im Jahr 2019 zirka 23,5% der nationalen Wirtschaft. Dementsprechend waren 71,8% der Arbeiter im Jahr 2019 nicht deklariert. Im Jahr 2020 dürfte die nicht deklarierte Arbeit ähnliche Ausmaße angenommen haben. Lest auch auf Novastan: Weltbank: Jeder zweite Einwohner in Tadschikistan lebt mindestens einmal im Jahr unterhalb der Armutsgrenze Auch ein Teil der in Kirgistan erarbeiteten Einkommen wird in der globalen Wirtschaft des Landes nicht erfasst. Außerdem leben die Kirgisen, die in solch informellen Strukturen arbeiten, in einer prekären Situation. Mehr als die Hälfte der Arbeiter hat keinen Zugang zu den grundlegenden Arbeitsrechten, und kann nicht von der Sozialversicherung und dem Rentensystem profitieren. Kanat Tilekeew stellt fest: „Der Teil der Bevölkerung, die auch nach dem Pensionsalter aufgrund von einer zu geringen Rente weiterarbeiten muss, wird möglicherweise größer.“

Die Regierung sieht sich verpflichtet, die Armut zu reduzieren

Als Reaktion auf die oben genannte Feststellung hat die kirgisische Regierung die Einführung eines neuen Modells zur Armutsbekämpfung verkündet. Der Vizearbeitsminister Nürdoloot Bazarbajew erklärte während einer Sitzung am 28. Januar, dass Kirgistan – wie im Pressebericht des Ministers dargestellt – von passiven zu aktiven Methoden übergehen wolle : „Das aktuelle Sozialhilfesystem ist teuer, aber nicht effizient“, erkennt er an. Dieses Modell stützt sich auf das System „Nahrung gegen Arbeit“, wie 24.kg berichtet. „Arme Familien, Familien mit geringem Einkommen und arbeitslose Staatsbürger werden die Möglichkeit haben, die Lebensqualität ihrer Familien zu verbessern, indem sie sich in neuen Agrartechniken ausbilden, die effizienter sind als die bisher angewandten, sowie indem sie Einpersonenunternehmen gründen“, kündigte Nürdoloot Bazarbajew an. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Plan wirklich in die Tat umgesetzt wird.

Romane Haquette Redakteurin von Novastan

Aus dem Französischen von Andrea Baldauf

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Kommentieren (1)

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Thomas Schwarz, 2022-04-18

Erschreckende Entwicklung.
Der Überfall Russslands auf die Ukraine wird sicher diese fatale Situation nochmal und möglicherweise längerfristig verschlechtern ?!
Kann sich KRG umorientieren ?
Welche Initiativen ergreifen unsere westlichen Regierungen
und was können wir im reichen Europa persönlich tun ?

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