In den letzten 70 Jahren wurden die kirgisischen Wälder durch illegale Abholzung auf ein Drittel ihrer ursprünglichen Größe verkleinert. Laut Aktivisten wurden die Wälder besonders in der Region des Issikkölsees abgeholzt. Umweltverbände haben eine Petition an die kirgisische Regierung gerichtet, um einen weiteren Verlust von Wäldern zu verhindern. Dieser Artikel erschien im Original auf sputnik.kg und wurde von uns mit freundlicher Genehmigung der Redaktion übersetzt.
Die Umweltbewegung „Für Reformen des Umweltschutzsystems in der Kirgisischen Republik“ erwartet momentan das Ergebnis ihrer Petition, in der sie besseren Umweltschutz und Reformen fordern. Journalisten, Wissenschaftler, Ökologen und andere kirgisische Bürger richten sich mit dieser Petition, die 500 elektronische und 100 handschriftliche Unterschriften stark ist, an die Abgeordneten des Dschogorku Kengeschs (das kirgisische Parlament, Anm. d. Red.), an Präsidenten Almasbek Atambajew und an den Ministerpräsidenten Sooronbai Scheenbekow.
Umweltzerstörungen am Issikköl
Eine Gruppe von Umweltaktivisten unternahm unterdessen eine Reise in den Bezirk Issikköl. Sie besuchten die Schluchten Barskoon, Dschuku und Dscheti Oguz, so Aktivist Wlad Uschakow. Er und seine Mitstreiter fotografierten die Stämme von neulich gefällten Bäumen und nackte Felder. Sie filmten auch, wie Baumstämme illegal abtransportiert wurden.
Uschakow beobachtete, dass die Täter besonders die Tannen am Tian-Schan Gebirge absägen. Diese Bäume können etwa 500 Jahre alt werden, die Holzverkäufer holzen aber schon 100-150-jährige Bäume ab, da diese sich gut verkaufen. Laut Uschakow war die illegale Abholzung schon lange bekannt und passierte regelmäßig, aber die Situation änderte sich nicht.
„Im Landesamt für Umweltschutz und Forstwirtschaft werden mehr Mitarbeiter bestochen als in anderen staatlichen Behörden. Die Wälder werden von denen abgeholzt, die sie beschützen sollten. Wenn Sie als Wachmann in einem Geschäft arbeiten und die Waren von den Regalen gestohlen werden, sind sie ein schlechter Wachmann. Aber so funktioniert das bei den Förstern“, so Uschakow
Folgenlose Strafverfolgung
Dinara Kutmanowa, eine Ökologin mit dreißig Jahre Erfahrung und Präsidentin der öffentlichen Stiftung „Öko-Monitoring“ berichtet Sputnik Kirgistan, dass 2016 in der Region Issyk-Köl 500 Delikte der illegalen Abholzung identifiziert wurden. Sie wurden strafrechtlich verfolgt, aber nur fünf Prozent der Angeklagten wurden verurteilt. Laut Kutmanowa sind diese Verurteilungen „Theaterspiele“ und würden nur vollzogen, um der Öffentlichkeit einen Kampf gegen die Abholzung zu suggerieren. Im Jahr 2016 waren 5 Millionen Kirgisische Som (ca. 68.000 Euro) als Strafmaß für Abholzung festgeschrieben, aber die Verurteilten mussten nur 100.000 Kirgisische Som (ca. 1360 Euro) aufbringen. „Alles ist nur auf dem Papier“, berichtet die Ökologin.
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Die reelle Strafe für illegale Abholzung liegt bei zwischen 20 und 100 Som (zwischen 30 Cent und 1,30 Euro). Das ist im Vergleich zum offiziellen Strafmaß verschwindend gering: laut dem Strafgesetzbuch der Kirgisischen Republik kann die illegale Abholzung mit drei bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft werden. Doch bisher funktionieren die entsprechenden Gesetze nicht, so Kutmanova.
„Die Förster stehen im Zentrum der Vernichtung der Wälder, sie betreuen das Ganze. Der Wolf hat also die Aufgabe, auf das Schaf aufzupassen. Das Landesamt für Umweltschutz und Forstwirtschaft und die Staatliche Inspektion für Ökologie und Technik schieben die Verantwortung für diese Tragödie auf die jeweils andere Institution. Überall ist volles Chaos“, beschwert sich die Ökologin.
Vorwürfe gegen öffentliche Institutionen
„In den Führungspositionen des Landesamtes für Umweltschutz und Forstwirtschaft hat in den letzten zehn Jahren keine einzige Person mit ökologischer Qualifikation gearbeitet. Wir müssen die Personalpolitik völlig ändern. Die Institution wird nur funktionieren, wenn diese Stelle von professionellen Ökologen besetzt wird. Viele erfahrene Ökologen arbeiten außerhalb des Systems und ohne jegliche Verbindung mit der Arbeit des Landesamtes“, fasst Kutmanova die Situation zusammen.
Im Gespräch mit Sputnik Kirgistan wehrt der Direktor des Landesamtes Abdikalik Rusramow die Vorwürfe gegen das Landesamt ab. Er sagt, dass er eine Anti-Korruptions-Reform eingeführt hat und dass er alle Arten von Abholzung der Wälder verboten hat, als er Direktor wurde. Heute gebe es absolut keine Korruption im Landesamt.
„Vor kurzem hat ein Akim (ein Bürgermeister, Anm. d. Red.) eines Bezirks in der Region Issikköl angerufen und bat um das Holz für die Bewohner. Der Grund sei, dass die Leute nichts zum Heizen haben. Ich habe ihm abgesagt und ich erklärte ihm, dass es meine Aufgabe ist, die Wälder zu schützen und sie nicht abzuholzen. Der Akim hat sich geärgert und sagte, dass er sich über mich beschweren wird. Egal, ich werde ehrlich arbeiten. Ich werde meine Mitarbeiter sofort feuern, wen sie gegen Gesetze verstoßen“, so Rustamow.
Emil Schukurow, Professor der Biologiewissenschaften, macht auf eine andere Gefahr aufmerksam: Förster benutzen den Vorwand der Abholzung kranker Bäume, um auch gesunde Bäume abzuholzen und so Geld zu machen.
„Ich setze mich seit 1957 mit diesem Thema auseinander und ich weiß, dass die unvorsichtigen Forstwirte oft ihre Taten maskieren. Sie decken die Stümpfe mit Moos ab, weil erfahrene Augen sofort erkennen, ob die Bäume tatsächlich krank waren. Die Abholzung kranker Bäume dient als Vorwand für illegale Verbrechen“, teilt der Professor mit.
Weitreichende Folgen der Umweltzerstörung
Schukurow weist auf eine andere wichtige Aufgabe der Wälder hin. Denn sie schützen auch vor Erosion und Erdrutsch. Auch bei der Wasserregulierung spielen die Wälder eine große Rolle. Das Schmelzwasser bleibt an Bergen hängen, dessen starker Strom von Bäumen gehindert wird. Es reduziert die Gefahr vom Erdrutsch und Überschwemmungen. Diese Katastrophen führen jährlich zu Millionen Euro Schäden. Zusätzlich mildern die Wälder das Klima ab.
„Während des Zweiten Weltkrieges haben die Wilderer angefangen, zu viel abzuholzen. In dieser Zeit hat sich die Gesamtfläche der Wälder dreimal verringert. Die Ufer der Bäche werden von Bäumen befestigt. Das ist sehr wichtig. Die Verkürzung der Wälder in der Region Tschui hat schon bemerkenswerte Folgen. Der Fluss verbreitet sich an die südliche Seite und die Straße daneben sind teilwiese abgewaschen“.
Er fügt hinzu, dass Kirgistan einer der wohlhabendsten Staaten in der Region werden könnte, wenn die Gesamtfläche von den Wäldern wiederhergestellt wird. Nun ist es dringend notwendig, die Ökologie des Landes zu retten. Der Professor ruft zum verantwortlichen Umgang mit dem Holzumschlag von einfachem Forster bis zum Direktor des Landesamtes auf.
Janibek Koschojew, der Pressesprecher der Vertretung der Regierung in der Issykköl-Regionm gab bekannt, dass am 18. November in der Region eine dreimonatige Aktion gegen Wilderei und Abholzung begann. In dieser Zeit hat man sich nicht nur auf illegale Abholzung konzentriert sondern auch auf Wiederaufforstung.
„Informationen zur Identifizierung des illegalen Holzeinschlags haben wir nicht. Die Aktivisten können sich an uns mit den entsprechenden Dokumenten wenden und wir beschäftigen uns mit den Anfragen. Wir sind auch bereit mit den Bürgern und NGOs zusammenzuarbeiten,“ so der Pressesprecher.
Im Original von Alimdschan Valijew auf sputnik.kg
Aus dem Russischen übersetzt von Sobira Majidova