Nach dem kasachischen Tenge hat es nun auch den Som erwischt. Von Tag zu Tag fällt der Wert des kirgisischen Som weiter. Die de facto-Abwertung ist aber kein konjunkturelles Phänomen, sondern viel mehr das Resultat eines seit Jahren unausgeglichenen Außenhandels, argumentiert das Nachrichtenportal zanoza.kg.
Der Som, die kirgisische Währung, verliert seit ein paar Wochen stetig an Wert. Aktuell wird er für etwa 70 Som pro US Dollar gehandelt. Vor einem Monat lag der Kurs noch bei etwa 61 Som pro Dollar. Manche Experten glauben, dass er nach den Parlamentswahlen am 4. Oktober noch stärker fallen wird. Zur Anhebung des Kurses wären umfassende währungspolitische Eingriffe nötig, denn die entwertete Währung ist nur ein Zeichen für die grundsätzlichen Probleme der kirgisischen Wirtschaft.
Natürlich gibt es auch Spekulationen. Manche leben von unterschiedlichen Währungskursen. Vor allem leidet aber schon seit vielen Jahren der Saldo des Außenhandels: Es wird viel mehr importiert, als exportiert. Schuld sind nicht etwa die Spekulanten von „Mossowjet“ (eine für ihre große Anzahl an Wechselstuben bekannte Straßenkreuzung in Bischkek) oder andere Geldwechsler. Diese werden regelmäßig von der Nationalbank und Politikern für die instabile Währung verantwortlich gemacht und im Laufe des letzten Jahres war mehrmals eine Schließung privater Wechselstuben im Gespräch.
Eine schlechte Handelsbilanz
Schuld an dem Wertverlust des Som ist vor allem eine Regierung, die nichts für eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz unternommen hat, und auch weiterhin nichts unternimmt. Laut den Daten des kirgisischen statistischen Komitees betrug der Außenhandelsumsatz des Landes zwischen Januar und Juni diesen Jahres 3,7 Milliarden USD, wovon nur 22,5 % auf Exporte zurückzuführen sind. Auch in den vorherigen Jahren ist das Verhältnis ähnlich. Es ist schwer zu sagen, ob das Land überhaupt eine funktionierende Binnenwirtschaft hat, wenn die Importe die Exporte um das Dreifache übersteigen.
Die Importeure im Land brauchen Dollar, um Waren aus dem Ausland einzuführen. Damit bleibt die Nachfrage nach Dollar immer hoch. Und umso schlechter die Lage in Russland, China und Kasachstan, den drei Hauptlieferanten Kirgistans, desto mehr sind die Importeure bereit, für den Dollar zu zahlen. Da auch der Rubel, der Yuan und der Tenge kürzlich an Wert verloren haben, sind Einkäufe in Dollar dort relativ billiger geworden. Somit führen wirtschaftliche Probleme in diesen Ländern auch zu einer Währungskrise in Kirgistan.
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Dazu kommen die vielen Ersparnisse, die die kirgisische Bevölkerung selbst in Dollar hält. Laut der kirgisischen Nationalbank beträgt der Dollar-Anteil privater Einlagen 64%, bei Krediten 54%.
Damit von Abwertung des Som in Kirgistan jemand anders als die Spekulanten profitieren könnte, müssten dort wettbewerbsfähige Güter hergestellt werden, die bei einem schwachen Som günstig gekauft werden könnte. Aber um die nationale Produktion steht es auch nicht rosig.
Dabei behauptet die Regierung, sie trage keine Verantwortung für diese Währungskrise und würde sich nicht in die freie Marktwirtschaft einmischen. Gewiss ist es in solchen Krisenzeiten besonders schwierig, Systemfehler zu beseitigen. Doch die Wirtschaft benötigt tiefgreifende Reformen.
Kein einziges neues Großunternehmen in den letzten fünf Jahren
Dabei erklärte der Präsident Atambajew am 16. September in Isfana, im Südwesten des Landes, dass im Land „in den letzten fünf Jahren nicht ein einziges großes Unternehmen erbaut wurde, dafür aber die Eingänge in das Budget sich mehr als verdoppelt haben. Das spricht für eine effektive Bekämpfung der Korruption.“ So wurde im Juli der Leiter der Präsidialverwaltung im Rahmen eines Korruptionsskandals festgenommen und musste zurücktreten. Wie effektiv die Zurückgewinnung öffentlicher Gelder auch sein mag, über den Mangel an Unternehmen im Land ist nicht zu prahlen.
Der Ausgleich der Handelsbilanz ist eine Aufgabe, für die eine Generation an Ministern nicht ausreicht. Man muss sich bemühen, das herzustellen, was man verkaufen kann. Aber gerade solche Produkte scheint es nicht zu geben. Es ist oft die Rede von der ökologischen Qualität der kirgisischen Landwirtschaftsprodukte, aber damit sie als Exportware taugen, müssen sie in ganz anderen Maßstäben produziert werden. Der einzelne Tourist, der ein Glas Honig oder ein paar Kilo Äpfel kauft, wird die Handelsbilanz nicht aufrichten. In dieser Hinsicht sind auch die Nachbarländer eher Konkurrenten als Freunde.
Es gibt sehr viel Fleisch in Kirgistan, und dennoch werden Würste aus Kanada importiert. Als Agrarland importiert es Tomaten aus China: der Import in Gefrierwagen über zwei Bergpässe scheint günstiger und einfacher zu sein, als die eigene Produktion zu entwickeln. Zudem besteht ein guter Anteil der kirgisischen Exporte aus dem Goldverkauf von Kumtor (die größte Goldmine im Land) an die Schweiz, so dass das reale Export/Import Verhältnis noch deutlich niedriger ist, als auf dem Papier.
Die Eurasische Union bringt keine Verbesserung
Mit dem Eintritt in die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) diesen Sommer hatte man sich eine Verbesserung der Lage erhofft. Preise für Autos und Wohnungen sind in Kirgistan heute so günstig wie noch nie. Doch die Bevölkerung hat kein Geld für Investitionen, und die Autos, die in Erwartung an guten Handel mit den Ländern der Union gekauft wurden, stehen nun weiter auf den Märkten in Bischkek und in Osch.
Beim Eintritt in die EAWU sagten alle bis zum Premierminister und zum Präsidenten, dass sich damit ein Markt von 170 Millionen Menschen für Kirgistan öffne. Als gäbe es eine Überproduktion von bestimmten Waren im Lande. Dabei hat Kirgistan bald schon seit zwei Jahrzehnten Zugriff auf den Markt der Welthandelsorganisation, also 162 Länder. Die vergleichsweise kleine und kriselnde Wirtschaftsunion wird so kaum zum Wundermittel gegen die Probleme der kirgisischen Wirtschaft.
Die Redaktion von zanoza.kg
Aus dem Russischen übersetzt von Florian Coppenrath
Dieser Artikel beruht auf einem Kommentar vom kirgisischen Nachrichtenmagazin zanoza.kg. Wir haben ihn übersetzt und ergänzt.