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Der Ausfall des Bischkeker Heizkraftwerks: Korruption und chinesische Staatsschulden in Kirgistan

Die Modernisierung des Kraftwerks in Bischkek mit chinesischen Kreditmitteln schlägt zum Korruptionsskandal um. Jüngste Untersuchungen des Ausfalls der Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK) weisen auf Korruption hin. So wurden Kreditmitteln in Höhe von 396 Millionen US-Dollar für die Modernisierung von Anlagen missbräuchlich verwendet. Dieser Vorfall brachte die vielen Mängel zutage, die in den staatlichen Strukturen bei der Entscheidungsfindung zu finden sind. Die Hauptsorge ist jedoch viel gravierender als erwartet. Chinesische Kredite erhöhen das Risiko von Schuldennot in Ländern wie Kirgisistan.

clarak amanj 

Eröffnungszeremonie für die Modernisierung des Heizkraftwerkes in Bischkek mit Präsident

Die Modernisierung des Kraftwerks in Bischkek mit chinesischen Kreditmitteln schlägt zum Korruptionsskandal um.

Jüngste Untersuchungen des Ausfalls der Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK) weisen auf Korruption hin. So wurden Kreditmitteln in Höhe von 396 Millionen US-Dollar für die Modernisierung von Anlagen missbräuchlich verwendet. Dieser Vorfall brachte die vielen Mängel zutage, die in den staatlichen Strukturen bei der Entscheidungsfindung zu finden sind. Die Hauptsorge ist jedoch viel gravierender als erwartet. Chinesische Kredite erhöhen das Risiko von Schuldennot in Ländern wie Kirgisistan.

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BischkekKWK ist ein großes Heizkraftwerk in Kirgisistan, das die Bewohner der Stadt Bischkek im Winter mit Wärme versorgt und auch Strom produzieren kann. 1956 begann Frunse (heute Bischkek) mit dem Bau eines neuen Heizkraftwerks mit einer Anfangsleistung von 50.000 Kilowatt, um die wachsenden elektrischen und thermischen Lasten der Stadt zu decken. Im Zeitraum ab 1961, als der erste Kraftwerksblock in Betrieb genommen wurde, wurde das Kraftwerk regelmäßig instand gesetzt. Zwischen 1984 und 1989 nahm Bischkek den vierten und fünften Kraftwerksblock in Betrieb, den letzten dann im Jahr 2000. Mit der wachsenden Bevölkerung und Wirtschaftstätigkeit in der Hauptstadt wurde jedoch 2007 die Frage der weiteren Modernisierung des Bischkek KWK in Betracht gezogen.

Die massiven Reparaturarbeiten am Standort begannen 2014. Die Modernisierung wurde von der chinesischen Firma TBEA (TebianElectricApparatus Stock Co. Ltd.) durchgeführt, die selbstständig Anlagenteile in China kaufte und eigenhändig die Subunternehmer für das Projekt auswählte. Der Kreditvertrag zwischen der chinesischen Eximbank und der kirgisischen Regierung wurde während des Staatsbesuchs des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Kirgisistan im Jahr 2013 unterzeichnet.

Bischkeks BewohnerInnen müssen frieren

Und dieses Jahr begann nun mit dem Ausfall des Heizkraftwerk Bischkek im Januar 2018. Aufgrund des anfänglichen Zusammenbruchs blieb die Mehrheit der Einwohner Bischkeks fast fünf Tage lang ohne Wärme, während die Lufttemperatur in der Stadt nachts unter -25 Grad Celsius fiel. Dieser Vorfall ließ den Verdacht aufkommen, dass die Reparaturarbeiten von KWK nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden und erste Anzeichen von Korruption wurden deutlich.

Wärmekraftwerk, Schornstein, Rauch
Das zentrale Heizkraftwerk in Bischkek

Ein überstürztes Unterfangen?

Gemäß der kirgisischen Stellvertretenden Kommission zur Untersuchung der Unfallursachen, begann die Modernisierung der KWK ohne Machbarkeitsstudie, welche einer der wichtigsten Grundlagen für den Wiederaufbau in der Anfangsphase darstellt. Darüber hinaus hat die Regierung trotz der Bedenken einiger Spitzenbeamter den Kreditvertrag mit der Eximbank of China über 386 Mio. US-Dollar unterzeichnet. In den Punkten fünf und sieben der Untersuchungsergebnisse wird das Problem spezifiziert:

  1. Beim Abschluss des Vertrags zwischen der OAO „Elektrizitätswerke“ und der chinesischen TBEA vom 16. Juli 2013 über 386 Mio. US-Dollar für die Durchführung des Projekts „Modernisierung des BishkekKWK“ wurden die Interessen der kirgisischen Seite nicht ausreichend berücksichtigt.

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Aufgrund des Vertragsabschlusses nach dem EPC-Verfahren (Engineering, Procurement and Construction, zu Deutsch: Detail-Planung und Kontrolle, Beschaffungswesen, Ausführung der Bau- und Montagearbeiten) über einen festen Betrag von 386 Mio. USD konnte die vorläufige stellvertretende Kommission von TBEA keine detaillierten Berichte über die tatsächlichen Kosten der Modernisierung von BischkekKWK verlangen. Gleichzeitig wurden viele der Preise für die gelieferten Geräte deutlich überschätzt, z.B. für Zangen, CCTV-Kameras, Klimaanlagen, Lastenaufzüge, etc.

  1. Die Abnahme der Modernisierung des BischkekKWK durch den Staat erfolgte voreilig, da der Bau der Anlagen zur Entaschung und chemischen Wasseraufbereitung noch nicht abgeschlossen war.

Laut Saidulla Nyshanow, Mitglied der Kommission, enthält das Dokument die Namen aller Personen, die an der Modernisierung beteiligt waren – „von Personen, die Entscheidungen getroffen haben, bis hin zu denen, die Dokumente vorbereitet haben“. Zwei Beamte waren die Hauptakteure bei der Vertragsunterzeichnung: Ex-Premierminister Dschantoro Satybaldijew, der auf der Grundlage der Aussagen des ehemaligen Energie- und Industrieministers Osmonbek Artykbajew (der derzeit Mitglied des Parlaments ist) alle relevanten Befehle und Dekrete der Regierung zur Modernisierung der KWK unterzeichnete.

Abhängigkeit der Region von chinesischen Geldgebern wächst

Das Center for Global Development (CGD) stellt fest, dass Schuldenprobleme möglicherweise ungünstige Bedingungen schaffen können, die zu einer Abhängigkeit von China als Gläubiger führen. Das CGD hat Kirgisistan zusammen mit dem Nachbarland Tadschikistan als besonders unter der Schuldenkrise leidend, ausgemacht, da in beiden Ländern Schulden bei der chinesischen Eximbank 40 Prozent der Auslandsverschuldung ausmachen. Während es unklar ist, wie Kirgisistan plant, die Schulden zurückzuzahlen, erinnerte der chinesische Botschafter in Kirgisistan Xiao Qinghua daran, dass chinesische Kredite zu bevorzugen seien. Ihm zufolge wird die Rückgabe von Krediten nur im Rahmen des Abkommens erfolgen, da es keine weiteren Anforderungen aus China gibt. Obwohl der Stichtag des Darlehens der 21. September 2034 weit genug in der Zukunft liegt, ist kaum jemand optimistisch, dass Kirgisistan seine Schuldenfinanzierung ohne ernsthaften Druck auf seine inländischen Ausgaben erfolgreich bewältigen kann. Dies wird besonders relevant, wenn wir den Fall Tadschikistan berücksichtigen, wo das Land im Jahr 2011 angeblich mit China verhandeln mussten, um eine unbekannte Menge an Schulden im Austausch gegen umstrittenes Landbaugebiet abzuschreiben.

Hochrangige Beamten werden festgenommen

Im Rahmen der andauernden Untersuchungen, wurden mehrere hochrangige Beamte festgenommen. Die Kommission, die den Vorfall untersucht hat, beauftragte den Generalstaatsanwalt, die Handlungen der an der Vorbereitung, Unterzeichnung und Umsetzung der Verträge beteiligten Beamten der Kirgisischen Republik rechtlich zu beurteilen. Kirgisistan muss letztendlich 493 Millionen US-Dollar an China zurückgeben, unter Berücksichtigung der Zinsen für das Darlehen. Die Rückzahlungsfrist beträgt – 20 Jahre, mit einer 11-jährigen tilgungsfreien Zeit von zwei Prozent pro Jahr.

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Der Ausfall des Werkes BischkekKWK und die Aufdeckung des Korruptionsskandals wurden medial sehr breit abgedeckt: z.B. von thediplomat, AKIpress und eurasianet. Einerseits hat dies die Öffentlichkeit über die staatliche Verschuldungssituation und die chinesischen Kredite im Allgemeinen beunruhigt. Andererseits vergrößerte sich die Diskrepanz zwischen den an der Entscheidungsfindung beteiligten Staatsbeamten und den einfachen BürgerInnen um ein vielfaches. DerKorruptionsskandal traf Kirgisistan sehr tief: sogar der Präsident rief während der Sitzung des Sicherheitsrates aus: „Ich betrachte Korruption als Bedrohung der nationalen Sicherheit. Der Kampf gegen die Korruption ist eine Aufgabe, die der Verteidigung unserer Staatlichkeit und Souveränität gleichkommt.“ Doch trotz immer neuer Skandale will keine Seite die Verschlechterung der bilateralen Beziehungen, insbesondere da der erste offizielle Besuch des Präsidenten von Kirgisistan in der Volksrepublik China bevorsteht.

Amangeldi Dzhumabaev

Redakteur bei Novastan

Aus dem Englischen von Clara Koschies

 

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