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Das Sanatorium – eine Tradition, die in Zentralasien fortbesteht

Verloren in den Bergen, am Ende eines Tals oder am Rand eines Sees: Das Sanatorium ist eine sowjetische Tradition, die in Zentralasien fortbesteht. Gleich einem Thalasso zu erschwinglichen Preisen, geht die Bevölkerung dorthin, um sich behandeln zu lassen oder um sich zu erholen – stets in Kontakt mit der Natur und sanften medizinischen Praktiken. „Yssyk-Ata, eine ewige Quelle der Gesundheit“ – So steht es auf dem Werbeflyer dieses kirgisischen Sanatoriums im Tal des Tschüi, etwa 60 Kilometer südlich der Hauptstadt Bischkek. Auf mehr als 1.700 Metern über dem Meeresspiegel im Tian Shan gelegen, bietet der Komplex viele Dienstleistungen, die von Physiotherapie über Massagen bis hin zu esoterischen Behandlungen und Bergwanderungen reichen.

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Verloren in den Bergen, am Ende eines Tals oder am Rand eines Sees: Das Sanatorium ist eine sowjetische Tradition, die in Zentralasien fortbesteht. Gleich einem Thalasso zu erschwinglichen Preisen, geht die Bevölkerung dorthin, um sich behandeln zu lassen oder um sich zu erholen – stets in Kontakt mit der Natur und sanften medizinischen Praktiken. „Yssyk-Ata, eine ewige Quelle der Gesundheit“ – So steht es auf dem Werbeflyer dieses kirgisischen Sanatoriums im Tal des Tschüi, etwa 60 Kilometer südlich der Hauptstadt Bischkek. Auf mehr als 1.700 Metern über dem Meeresspiegel im Tian Shan gelegen, bietet der Komplex viele Dienstleistungen, die von Physiotherapie über Massagen bis hin zu esoterischen Behandlungen und Bergwanderungen reichen.

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Hier ist an alles gedacht, damit die Kund:innen entspannt und bei guter Gesundheit sind. Wie in den nach offiziellen Angaben neun anderen aktiven Sanatorien Kirgistans können Besucher:innen in den natürlichen heißen Quellen entspannen, die die Einrichtung bietet.

Einfahrt des Sanatoriums Yssyk-Ata

Die in der UdSSR populär gewordenen Sanatorien erfreuen sich bis heute hoher Beliebtheit. Die Eliten des Landes, aber auch einfache Angestellte gingen dorthin, um ihre Beschwerden zu behandeln, was dem sowjetischen Gesundheitsverständnis entsprach. In Kirgistan befinden sich die berühmtesten Sanatorien rund um den See Yssykköl, aber jenes von Yssyk-Ata ist eines der emblematischsten Zentren des Landes.

Yssyk-Ata – das sowjetischste Sanatorium

Das Sanatorium Yssyk-Ata wurde 1892 erbaut, damit die lokale Bevölkerung sich in der Bergluft und in den heißen Quellen behandeln lassen konnte. Seitdem arbeitet es ohne Unterbrechung. Es hat seinen Namen von dem nahe gelegenen Fluss und ist eines der ältesten Sanatorien des Landes. Ursprünglich war es ein einfaches Spa des Verbandes professioneller Falkner Kirgistans. Altschin Kalbyrkulowitsch, der Direktor des Sanatoriums, erklärt, dass es „die 130 Mineralquellen sind, von denen die Hälfte eine konstante Temperatur zwischen 38 und 50 Grad Celsius haben“, die Yssyk-Ata zu einem der beliebtesten Sanatorien des Landes machen.

Thermalbad in Yssyk-Ata

Noch heute wird das Sanatorium als Behandlungszentrum für Knochen- und Muskelerkrankungen genutzt. Einige Frauen glauben auch an die Wirksamkeit der Quellen zur Lösung gynäkologischer Probleme. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Yssyk-Ata als Behandlungszentrum für Soldaten genutzt. 1957 wurde das zuvor saisonal arbeitende Sanatorium ganzjährig in Betrieb genommen. Lest auch auf Novastan: In den heißen Quellen des Pamirs Aber der Ort ist vor allem wegen seines sowjetischen Stils beliebt. Tatsächlich sind die architektonischen Überreste aus dieser Zeit zahlreich und erfreuen ausländische Tourist:innen, erklärt der Direktor. Die Lenin-Statue auf den Höhen des Komplexes oder auch alte Wartesäle aus der Zeit der UdSSR überzeugen.

Lenin-Statue des Sanatoriums
Verfallende Sowjet-Architektur
Eingang zum Kinosaal
Ein Emblem der „Kurortologie“

Die meisten Sanatorien wurden während der Sowjetzeit gebaut. Laut dem Forscher Tiago da Cunha ist das Sanatorium die Verkörperung der Kurortologie oder Hydrotherapie, einer Disziplin, die „alle Therapien vereint, die natürliche Elemente wie Luft, Wasser und Mineralien aufgrund ihrer jeweiligen chemischen Zusammensetzung verwenden“. In Kirgistan entwickelte es sich ab den 1960er Jahren mit seinen eigenen Besonderheiten.

Heiße Quelle in Yssyk-Ata

Laut Tiago Da Cunha war die Kurortologie eine experimentelle Antwort auf die Gesundheitsprobleme während der Sowjetzeit und beinhaltete eine Rückkehr zu sogenannten „traditionellen“ medizinischen Methoden. Die Beschwörung heiliger Quellen, die aus dem Innern der Erde sprudeln, findet sich tatsächlich in den Manuskripten mittelalterlicher Historiker und Reisender entlang der Seidenstraße ab dem 7. Jahrhundert. Seit der Antike ist das Quellgebiet des Mineralwassers ein beliebter Wallfahrtsort für die einheimische Bevölkerung. Im Osten Kirgistans, im Dorf Ak-Suu oder im Tal von Altyn Araschan, erfreuten sich die Thermalquellen im 20. Jahrhundert wieder großer Beliebtheit.

Fitobar

In Sanatorien setzen viele Behandlungsprogramme auf Hydro-Natrium-Thermalwasser und nährstoffreichen Torfschlamm. Dem kristallklaren Wasser werden „trotz seines schwefeligen Geschmacks und Geruchs magische heilende Eigenschaften“ nachgesagt, erklärt der Direktor von Yssyk-Ata.

Ein beliebtes Vergnügen

In der Sowjetunion mussten Arbeiter:innen zwei Wochen frei haben, die sie mit Rabattgutscheinen oder Freikarten in einem Sanatorium verbringen konnten. Heute werden Sanatorien in Kirgistan im Allgemeinen immer weniger besucht, sind aber bei einem Teil der Bevölkerung immer noch beliebt.

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Der Rentner Ruslam sagt, er komme jeden zweiten Tag nach Yssyk-Ata, um die Bäder zu benutzen. Wie er finanzieren die meisten Rentner:innen ihren Aufenthalt mithilfe von Spenden, die sie von den Gewerkschaften ihrer Unternehmen erhalten. Sie bleiben meist mehrere Tage oder sogar eine ganze Woche, um sich zu stärken und um medizinisch versorgt zu werden. Laut Altschin Kalbyrkulowitsch ziehen Sanatorien vor allem während der Sommersaison Besucher:innen an.

Ein Pavillon des Sanatoriums

Emma Collet, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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Kommentare (3)

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Alexander, 2023-03-20

Gibt es Überlegungen die Sanatorien zu renovieren um ausländische Gäste zu empfangen?

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Vera von Tiedemann, 2023-06-11

Guten Tag, ein sehr interessanter Bericht. Leider gibt es keine Angaben, wie man das Sanatorium erreichen kann.
Dies wäre bei zukünftigen Reportagen wünschenswert.
Mit freundlichen Grüßen
Vera von Tiedemann

Reply

Robin Roth, 2023-06-11

Das Sanatorium liegt eine ca. einstündige Autofahrt von Bischkek entfernt, unweit der Stadt Kant. Da das Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Kirgistan oft schwierig ist, kann man ab Bischkek oder Kant ein Taxi nehmen.

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