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Afghanistan – eine Herausforderung für Zentralasien

Der Konflikt in Afghanistan stellt eine große Herausforderung für Zentralasien dar. Die Risiken der Terrorverbreitung und des illegalen Handels spielen eine große Rolle für die Region. Damit sich der Konflikt nicht weiter ausbreitet, muss sich Zentralasien positionieren.

Kabul Afghanistan
Kabul, die Hauptstadt von Afghanisatn

Der Konflikt in Afghanistan stellt eine große Herausforderung für Zentralasien dar. Die Risiken der Terrorverbreitung und des illegalen Handels spielen eine große Rolle für die Region. Damit sich der Konflikt nicht weiter ausbreitet, muss sich Zentralasien positionieren.

Die Beziehungen zwischen dem postsowjetischen Zentralasien und Afghanistan haben Tradition. Sie gehen auf das zurück, was Rudyard Kipling als „The Great Game“ bezeichnet. Der Begriff bezieht sich auf die Rivalität zwischen Briten und Russen im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert. Großbritannien versuchte, Britisch-Indien im Norden gegen den Vormarsch Russlands nach Süden zu sichern. Schließlich wurde das heutige Zentralasien in das russische Kaiserreich aufgenommen, Indien wird britisch und ein Pufferstaat wird von beiden Kolonialmächten anerkannt: Afghanistan.

Afghanistans Bevölkerung ist facettenreich und setzt sich aus Ethnien des früheren Britisch-Indiens (Paschtunen, Belutschen) und zentralasiatischen Ethnien (Tadschiken, Usbeken, Turkmenen) zusammen. Die bestehenden Grenzen konnten Migration und Grenzübertritte nicht verhindern. So suchten beispielsweise Turkmenen, die gegen die Russen (damals die Sowjets) kämpften, in Afghanistan oder im Iran Zuflucht. Genauso sind die Tadschiken und die Pamiris gespalten: Sie sind die größte Minderheit in Afghanistans Nordosten.

Vom sowjetischen Krieg in Afghanistan zur Unabhängigkeit

Als die UdSSR 1980 in Afghanistan einmarschierte, kam es zu heftigem Widerstand, der zum Teil von der ausländischen Bevölkerung, besonders aber von zahlreichen lokalen demokratischen Gruppen sowie gemäßigten und radikalen Islamisten unterstützt wurde. Diese waren stark durch die jeweilige Ethnie geprägt und sie spalteten sich schnell mit eigenen Warlords ab.

In Bezug auf die Menschen in Zentralasien ist besonders das von Ahmad Schah Massoud geführte Dschamiat-i Islāmi zu erwähnen. Wie viele andere auch, wurde diese Gruppe besonders von Tadschiken beherrscht. Der usbekischstämmige Milizenführer Abdul Raschid Dostum warb zugleich seine Volksgruppe und ethnische Turkmenen für die Partei „National-islamische Bewegung Afghanistan“ („Dschunbisch“) an. Nach dem Ende der sowjetischen Invasion im Jahr 1988, dem darauf folgenden Bürgerkrieg und der Machtergreifung der Taliban 1996 schlossen sich die meisten Gruppen zur sogenannten Nordallianz zusammen.

Dieser Bürgerkrieg fiel mit einem entscheidenden Wendepunkt der Geschichte zusammen: der Zerfall der UdSSR. Während Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan unabhängig wurden, standen die ehemals sowjetischen Herrscher einer Bedrohung entgegen. Jenseits der Grenze waren turkmenische, usbekische und  tadschikische Warlords, die ihre Fähigkeiten schon gegen die Kommunisten bewiesen hatten. Afghanistan wurde zu einem Rückzugsort für einen Teil der Opposition gegen die bestehenden Regime.

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Für Turkmenistan war dies weniger ein Problem (die Turkmenen nahmen bei der Rebellion in Afghanistan eine kleinere Rolle ein) als für Usbekistan und Tadschikistan. Während Usbekistan den Islamisten auf seinem Territorium den Krieg erklärte, verfiel Tadschikistan in den 1990ern in einen Bürgerkrieg, bei dem eine demokratische, islamistische Union, unterstützt durch die Nordallianz und den Mudschaheddin-Kämpfer Massoud, dem Regierungsführer Emomali Rachmon gegenüberstand.

Parwan Provinzl Afghanistan
Die Parwan Provinz in Afghanistan, eine sehr landwirtschaftliche Gegend

Massouds Unterstützung der tadschikischen Islamisten endete, als er russische Hilfe gegen die Taliban benötigte. Schließlich erreichte Tadschikistan einen Kompromiss und die usbekischen Islamisten stellten sich zwischen Tadschikistan und Afghanistan, um eine der wichtigsten lokalen Terrorgruppen zu gründen: Die Islamische Bewegung Usbekistan, (IBU) die sich 2015 dem „Islamischen Staat“ anschloss, während sie mit dem Ziel, einen globalen Djihad zu unterstützen, auch in Europa zahlreiche Anhänger rekrutierte.

Turkmenistan versucht zu vermitteln

Nach diesen Ereignissen entwickelten sich die zentralasiatischen Staaten völlig unterschiedlich. Turkmenistan brauchte einen stabilen südlichen Nachbarn für den Bau seiner Ölpipeline vom Kaspischen Meer nach Pakistan (TAPI), die vom Hafen Türkmenbaschi ausgehen und natürlich über Afghanistan führen soll. In der Folge ist Turkmenistan näher an die Macht der Taliban gerückt und unterhielt gute Beziehungen mit dem neuen Staat, als 2001 der amerikanische Krieg begann. Doch außer Gas und Öl können auch leicht Drogen aus Afghanistan, einem der bedeutendsten Opiumproduzenten, nach Zentralasien gelangen.

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Unterdessen leistete Turkmenisten der turkmenischen Minderheit in Afghanistan humanitäre Hilfe, mit dem Ziel eine gutnachbarschaftliche Beziehung zu erhalten, die bis zur ab Januar 2015 in der iranischen Provinz Khorasan recht gut funktionierte. Dass den dortigen Kämpfern auch Turkmenen angehören könnten, gilt als sehr wahrscheinlich und stellt eine Bedrohung für Aschgabat dar.

Tadschikistan und Usbekistan vor der islamistischen Bedrohung

Angesichts der tadschikischen islamistischen Bewegung in Afghanistan musste sich Tadschikistan nun vorsichtig verhalten. Trotz allem besetzen Angehörige der tadschikischen Minderheit dank ihrer Rolle beim Widerstand gegen die Taliban Schlüsselpositionen in der afghanischen Regierung. Auch deshalb bringen sie im Gegensatz zu anderen Volksgruppen nicht besonders viele Mitglieder islamistischer Gruppen hervor. Afghanistan gilt nicht länger als das Eldorado der tadschikischen islamistischen Opposition.

Usbekistan muss sich der IBU stellen, die zu einem großen Teil für die Instabilität der Region verantwortlich ist, indem sie in allen zentralasiatischen Gegenden und auch bei den Uiguren Kämpfer anwirbt. Neben Afghanistan und Interventionen in Usbekistan sind die Islamisten der IBU in Pakistan und bis hin zum Irak und Syrien in den Reihen des IS aktiv. Auch wenn sie vonseiten der sehr tatkräftigen usbekischen Geheimdienste unter großem Druck stehen.

China, die Vereinigten Staatenund Russland bleiben präsent

Der Afghanistankrieg hat auch Großmächte veranlasst, sich auf Zentralasien zu konzentrieren. Auch wenn die terroristische Bedrohung für Russland genauso ernst ist wie für die Vereinigten Staaten, sind die beiden Länder nicht zur Zusammenarbeit zu bewegen. Dies zeigt etwa der Fall Kirgistans, wo 2005 die pro-russische Macht während der Tulpenrevolution gestürzt wird, um eine pro-amerikanische Macht aufzubauen, die wiederum fünf Jahre später gestürzt wird. 13 Jahre nachdem die Vereinigten Staaten in in der Nähe von Bischkek eine Militärbasis eröffnet hatten, wurde diese auf Antrag der kirgisischen Behörden 2014 wieder geschlossen.

Die Vereinigten Staaten behalten ihre Militärstützpunkte in Afghanistan, nicht aber in Zentralasien, da diese Region Russland näher steht. Außerdem sind auch noch andere Schwellenländer in Betracht zu ziehen, insbesondere China und Indien. Peking sieht Zentralasien als strategisch wichtige Zone in Bezug auf Rohstoffe sowie als bedeutende Handelsniederlassung und ein Territorium, das aus wirtschaftlichen Gründen gesichert werden muss, auch vor dem Hintergrund des   in Westchina.

Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit ist Chinas große diplomatische Errungenschaft in Zentralasien. Indien wiederum hofft, sich Zentralasien anzunähern, indem es sich gegen den pakistanischen Einfluss und den Terrorismus stellt. Neu-Delhi nähert sich besonders an Tadschikistan an, wo die indische Armee präsent ist. Dies ist ein wichtiger Schritt, obwohl der chinesische Rivale seine Armee noch nicht in der Region stationiert hat.

Thomas Ciboulet

Aus dem Französischen von Elisabeth Rudolph

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