Am Morgen des 24. Februars wurde der ehemalige Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nazarbayev in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt leblos aufgefunden. Dort wartete er bereits seit mehr als einem halben Jahr auf die Auslieferung nach Kasachstan.
Der ehemalige kasachische Botschafter in Österreich und Hauptanwärter auf den kasachischen Regierungsthron stellte sich im Juni 2014 freiwillig den österreichischen Behörden, wegen des vermeintlichen Mordes an den zwei Nurbank Top-Managern Zholdas Tremalijew und Akbar Hasenow. Die Nurbank ist eine der größten kasachischen Banken, die 1992 gegründet wurde und seitdem sehr rasant gewachsen ist. Aktuell operieren in Kasachstan 16 Filialen und 55 Vertretungen, wobei das Bankvermögen ungefähr 293,324 Billionen Tenge (141,211 Milliarden Euro) umfasst.
Die Vorwürfe gegen Alijew reichen bereits bis in das Jahr 2007 zurück. Die kasachischen Strafverfolgungsbehörden werfen Alijew neben der Überschreitung seiner Befugnisse als damaliger Hauptaktionär der Bank vor, verantwortlich für die Entführung und Ermordung von Tremalijew und Hasenow zu sein. Um einer 20-jährigen Haftstrafe in Kasachstan zu entgehen, flüchtete Alijew nach Wien. Nach einer kurzen Zeit im österreichischen Gefängnis wurde er jedoch gegen eine Zahlung von einer Million Euro freigelassen. Mehrmals haben die kasachischen Behörden versucht eine Auslieferung zu erwirken, die aber von österreichischer Seite mit dem Verweise auf eine intransparenten Beweisaufnahme bis zu Alijews Tod verweigert wurde.
Vom Schwiegersohn des Präsidenten zum Verräter
Alijew, Doktor der Medizin, war nach seinem Studium nur kurz als Arzt tätig. Im Jahr 1983 heiratet er Dariga Nasarbajewa, Nursultan Nazarbajews Tochter. Nazarbajew wurde 1990 zum Präsidenten der kasachischen sowjetischen Republik gewählt und ist seitdem erster und bisher einziger Präsident des unabhängigen Kasachstans. Nach der Heirat begann der schrittweise Aufstieg Alijews in das kasachische Machtzentrum. Im Jahr 1993 wurde er zum stellvertretenden Leiter für ökonomische Außenkommunikation des kasachischen Gesundheitsministeriums ernannt. Nach diesem ersten Karriereschritt stieg er 1999 zum Leiter in der Abteilung für die Staatssicherheit (KNB) des Nationalkomitees der Stadt Almaty und schließlich im Jahr 2001 zum stellvertretenden Vorsitzenden dieses Komitees auf.
Ein wichtiger Einschnitt und erster Riss in der Beziehung zu Nazarbajew zeigte sich im Jahr 2005 als Alijew aus dem KBN entlassen und als Botschafter nach Österreich geschickt wurde. In Wien war er gleichzeitig auch für die Balkanländer Montenegro und Serbien als auch als höchster kasachischer Vertreter bei der OSZE zuständig.
Ein Selbstmord trotz aussichtsreicher Situation?
Alijew hat die Beschuldigungen, die von den kasachischen Behörden gegen ihn vorgebracht werden stets als unbegründet zurückgewiesen. Vielmehr war er davon überzeugt, dass sie einen reinen politischen Hintergrund hätten. Vor allem deshalb gibt es nun Zweifel daran, ob Alijews Tod tatsächlich ein Selbstmord war. Noch wenige Tage vor seinem Tod hat ihn sein Anwalt, Manfred Ainedter, im Gefängnis besucht. Alijew sei sowohl körperlich als auch geistig in einem sehr stabilen Zustand gewesen.
In einem Interview mit der Online-Zeitung Kurier.at betont er zudem, dass sich Alijew keineswegs in einer aussichtslosen Situation befunden hätte: „Wir Anwälte haben ihn zwei bis drei Mal pro Woche besucht, erst gestern war ich mittags bei ihm und wir haben seinen Zeugenauftritt besprochen. Es war ihm wichtig, dass man ihm Glauben schenkt.“ Genährt werden diese Zweifel dadurch, dass Barbiturat, eine Droge die in Österreich verboten ist, in Alijews Blut gefunden wurde.
Für einen Selbstmord würde hingegen sprechen, dass Alijew vor Kurzem seinen Vater verloren hat. Muchtar Alijew ist am 12. Januar 2015 in Almaty gestorben. Danach veröffentlichte sein verhafteter Sohn auf seiner Facebookseite einen Brief an den Vater, um seine tiefe Erschütterung auszudrücken. Dadurch drängt sich aber die Frage auf, wie Alijew Internetzugang im Gefängnis hatte. Der Fall Alijew ist noch nicht geschlossen. Im Gegenteil bestehen noch viele Unklarheiten, die untersucht werden müssen.
Ein gängiges Muster
Rachat Alijew ist nicht der einzige kasachische Politiker, der im Ausland verhaftet wurde. Auch Muchtar Ablyasow und Alexander Pawlow, werden in Kasachstan als Terroristen und Verräter gehandelt und stehen auf der Liste der Strafverfolgungsbehörden. Ablyasow hatte in seiner politischen Laufbahn die Position als Minister für Energie, Industrie und Handel (1998-1999) inne. Als Mitbegründer der Oppositionpartei „Demokratische Wahl für Kasachstan“ (heute Alga! – „Vorwärtz“) fiel er jedoch schon kurz nach seiner Amtszeit als Minister in Nazarbayevs Ungnaden.
Ein Jahr nach der Gründung der Partei, im Jahr 2001, wurde Ablyasow in einem Prozess wegen Veruntreuung von Geldern während einer früheren Tätigkeit in einem öffentlichen Unternehmen zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Sowohl Human Rights Watch als auch das Europäische Parlament wiesen darauf hin, dass der Prozess rechtswidrig geführt wurde. Amnesty Internation bestätige in dem nationalen Report für 2004, dass er im Gefängnis physischen Misshandlungen ausgesetzt war.
Seitdem Nazarbajew im Mai 2004 einem Amnestiegesuch stattgab, zog sich Ablyasow offiziell aus der Politik zurück und arbeitet als Verwaltungsratvorsitzender bei der kasachischen BTA Bank (2005-2009) in Moskau. Derzeit laufen verschiedene Gerichtsverfahren in Russland, Kasachstan, Großbritannien und Frankreich, wo Ablyazov zuletzt im Exil lebte, wegen der Veruntreuung von Geldern. Zudem wird Ablyazov beschuldigt in einen Terroranschlag im Jahr 2012 verwickelt gewesen zu sein.
Diese Anklage läuft unter anderem auch gegen Alexander Pawlow, der als enger Vertrauter sowie Geschäftspartner von Ablyasow gilt. Zusältlich ist auch ein Verfahren wegen Veruntreuung von Geldern gegen ihn anhängig. Wenige Zeit nach seiner Flucht nach Spanien wurde er im Dezember 2012 auf der Grundlage einer Roten-Notiz von Interpol verhaftet. Nach langen Verhandlungen und mehreren Reckschlägen annullierte jedoch Spaniens Oberster Gerichtshof am 25. Februar diesen Jahres die Auslieferung nach Kasachstan und erteilte ihm politisches Asyl.
Der kasachische Politologe Rasul Dschumaly sieht in den beiden Fällen ein gängiges Muster: „Es gibt derzeit eine Tendenz dazu, die äußeren Kräfte für die innenpolitischen Probleme Kasachstans verantwortlich zu machen; sei es Ablyasow oder seien es religiöse Extremisten oder andere Länder wie die USA.”
Yelizaveta Chsherbakova
Redakteurin für Novastan.org, Almaty
Antje Lehmann