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Wie Frauen in Tadschikistan von der Justiz diskriminiert werden

Wenn es bei einer Scheidung um die Aufteilung des Vermögens geht, haben Frauen in Tadschikistan oft das Nachsehen. Betroffene fühlen sich von der Justiz voreingenommen behandelt.

Asia Plus 

Frauen werden in Tadschikistan auch von der Justiz diskriminiert (Symbolbild), Photo: Pexels

Wenn es bei einer Scheidung um die Aufteilung des Vermögens geht, haben Frauen in Tadschikistan oft das Nachsehen. Betroffene fühlen sich von der Justiz voreingenommen behandelt.

Anlässlich der internationalen Kampagne „16 Tage Aktivismus gegen geschlechtsspezifische Gewalt“ hat Asia-Plus ein besonderes Projekt gestartet, bei dem Frauen aus Tadschikistan über die Diskriminierung sprechen, der sie ausgesetzt sind.

„Die Schwächsten in der tadschikischen Justiz sind Kinder und Frauen“, sagt die tadschikische Journalistin Ramsija Mirsobekowa, die vor Gericht versucht hat, in einer gemeinsamen Ehe erworbenes Vermögen aufzuteilen. Keine einzige Frau ist vor Diskriminierung in der Justiz gefeit, obwohl es im Land spezielle Gesetze zur Gleichstellung der Geschlechter gibt.

So erhielten beispielsweise mehr als 80 Prozent der geschiedenen Frauen in der Provinz Chatlon nach der Scheidung keine Unterkunft und kehrten nach der Trennung von ihrem Ehepartner in das Haus ihrer Eltern zurück.

Dies besagen Daten der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) aus dem Jahr 2016, aber seitdem scheint sich kaum etwas geändert zu haben. Darüber hinaus betonen die ABD-Forscher:innen im selben Dokument, dass „in Tadschikistan viele der Hindernisse, mit denen Frauen konfrontiert sind, eher mit der Kultur als mit dem Rechtssystem zusammenhängen.“

Keine Unterkunft nach Scheidung

Die tadschikische Journalistin Ramsija Mirsobekowa, die vor Gericht versucht hat, ihrer minderjährigen Tochter eine Unterkunft zu verschaffen, stimmt dieser These voll und ganz zu. „Es ging um die Aufteilung des in einer gemeinsamen Ehe erworbenen Vermögens, aber gleich zu Beginn vor Gericht, als sie meine Forderungen sahen, sagten sie mir: „Oh, so viel wollen Sie? Wow!“. Ich verlangte von den vier Wohnungen, die meinem Mann gehörten, nur eine, damit ich dort mit unserer Tochter wohnen konnte, aber selbst diese Forderung wiesen die Justizbeamten zurück“, sagt Ramsija.

Sie erinnert sich, dass ihr ständig gesagt wurde, sie verlange zu viel. Justizbeamte sagten zum Beispiel: „Du musst nehmen, was man dir gibt! Auch wenn man dir 1000 Dollar gibt, sei dankbar. Sei dankbar, dass du überhaupt etwas bekommst.“

„Aus meiner persönlichen Erfahrung bin ich überzeugt, dass Kinder und Frauen in den Justizbehörden Tadschikistans am stärksten abhängig sind. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, vor Gericht etwas zu beweisen, habe ich beschlossen, mich ans Parlament zu wenden. Ich vereinbarte einen Termin mit dem Vorsitzenden des Apparats. Vor mir in der Schlange standen nur Frauen, die Gerechtigkeit suchten“, so Ramsija weiter.

„Alle haben sich über die Gerichte beschwert, da wurde so viel geweint! Alle waren verzweifelt. Tränen rollten mir aus den Augen, ich hatte so großes Mitleid mit unseren Frauen! Alle Geschichten sind ähnlich: Ein Bruder wirft seine Schwester aus dem Haus der Eltern, weil er ein Sohn ist und in diesem Haus wohnen soll. Ein Ehemann wirft seine Frau nach einer Scheidung aus dem Haus und will das Eigentum nicht mit ihr teilen“, sagt Ramsija.

Voreingenommene Gerichte

Dabei fühle sie sich ständig von den Justizbeamt:innen voreingenommen behandelt. „Die Frauen dort werden in einen so verzweifelten Zustand getrieben, dass sie sich nicht zurückhalten können. Darüber hinaus stehen nicht nur das Leben und Wohlergehen der Frau selbst, sondern auch das ihrer Kinder auf dem Spiel. Natürlich konnten sie sich, bis zum Äußersten getrieben, nicht zurückhalten, worauf die Gerichtsangestellten sagen: Na ja, ihr seid emotional, das verstehen wir – ihr seid ja Frauen“, erläutert sie.

Die Journalistin unterlag vor Gericht. Es gelang ihr nicht, mit Hilfe des Gesetzes Gerechtigkeit zu erlangen. Leider verfügen die Gerichte in Tadschikistan nur über begrenzte Erfahrung in der Anwendung nationaler und internationaler Rechtsnormen in Fällen von Geschlechterdiskriminierung.

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Während beispielsweise laut der ADB mehr als die Hälfte der Richter:innen (57 Prozent) Fälle im Zusammenhang mit der Verletzung der Rechte und Freiheiten von Frauen und Mädchen prüften, nutzten nur 11,2 Prozent von ihnen die Bestimmungen des Gesetzes zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen. 19,6 Prozent nutzten sie aber in Fällen, in denen es um die Rechte von Männern ging.

Nur 7 Prozent der Richter:innen wandten die Bestimmungen der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau an, während die meisten Richter:innen ihre Entscheidungen allein auf das Familiengesetzbuch, das Strafgesetzbuch oder das Arbeitsgesetzbuch stützten. Diese enthalten aber nur in begrenztem Umfang Bestimmungen zu Diskriminierung.

Asia-Plus

Aus dem Russischen von Robin Roth

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