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Warum stillende Mütter in Tadschikistan gezwungen sind, sich zu verstecken

Jeden Tag sind Frauen in Tadschikistan mit unterschiedlichen Formen geschlechtsspezifischer Diskriminierung konfrontiert. Besonders betroffen sind stillende Mütter.

Asia Plus 

Baby im Pamir (Symbolbild), Photo: Evgeni Zotov via visualhunt.com

Jeden Tag sind Frauen in Tadschikistan mit unterschiedlichen Formen geschlechtsspezifischer Diskriminierung konfrontiert. Besonders betroffen sind stillende Mütter.

Anlässlich der internationalen Kampagne „16 Tage Aktivismus gegen geschlechtsspezifische Gewalt“ hat Asia-Plus ein besonderes Projekt gestartet, bei dem Frauen aus Tadschikistan über die Diskriminierung sprechen, der sie ausgesetzt sind.

Jeden Tag sind Frauen in Tadschikistan mit unterschiedlichen Formen geschlechtsspezifischer Diskriminierung konfrontiert. Dies geschieht so oft, dass Frauen nicht immer in der Lage sind, festzustellen, dass ihre Rechte verletzt werden. Und das, obwohl Tadschikistan 1993 die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau unterzeichnet hat, welche Diskriminierung als „jede Unterscheidung, jeden Ausschluss oder jede Einschränkung aufgrund des Geschlechts“ definiert.

Diskriminierung von stillenden Müttern

„Für viele Mütter ist das Stillen ein täglicher Kampf“, erklärt UNICEF zum Thema Stillen in Tadschikistan. Nur 36 Prozent der Frauen im Land ernähren ihre Kinder in den ersten sechs Monaten ausschließlich mit Muttermilch. Obwohl 96 Prozent der Frauen an sich dazu bereit sind.

Leider ist der Kampf ums Stillen eine ziemlich schwierige Prüfung, der nicht jede Frau standhalten kann. Zu den Gründen, warum Frauen trotz aller Vorteile das Stillen verweigern, gehören die Unvereinbarkeit von Stillen und Beruf, unzureichende ärztliche Stillförderung und fehlende familiäre Unterstützung.

„Stillende Frauen werden in Tadschikistan auf Schritt und Tritt diskriminiert. Es gibt nirgendwo Orte zum Stillen – weder in Geschäften noch auf Basaren oder an anderen öffentlichen Orten. Wenn eine Frau anfängt, ihr Kind in der Öffentlichkeit zu stillen, wird sie gerügt und verurteilt“, sagt Rano Muhibullojewa, Spezialistin für soziale Verhaltensänderungen, Gender und Inklusion.

Viele Frauen in Tadschikistan seien gezwungen, ihren Kindern statt der Brust den Schnuller zu geben, um es auf der Straße beruhigen zu können. Dies sei eine sehr schlechte Angewohnheit, die zu einem Rückgang der Muttermilch und anderen negativen Folgen führe, stellt die Expertin fest.

Trotz der bestehenden Probleme wird dieses Thema nicht öffentlich diskutiert. Stillenden Frauen werden während der Stillzeit oft keine besonderen Arbeitsbedingungen geboten, sie versuchen jedoch auch nicht, für ihre Rechte einzutreten.

Fehlende Orte zum Stillen

Fehlende Orte zum Stillen

Darüber hinaus sind stillende Mütter in Tadschikistan ständig alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt. Lilia Gaisina, eine Bewohnerin von Duschanbe, spricht darüber, wie das passiert.

„Erst als ich ein Kind bekommen hatte, fiel mir auf, dass ich in Duschanbe schon lange keine stillenden Mütter mehr gesehen hatte. Als ich ein Kind war, gab es viele Frauen, die ihre Babys an öffentlichen Orten stillten. Jetzt nicht. Auch in Nachbarländern, zum Beispiel in Kasachstan, sind stillende Frauen immer noch auf Schritt und Tritt anzutreffen“, sagt sie.

„In anderthalb Jahren meiner Beobachtungen traf ich nur eine Frau, die in einem Café ein Kind stillte. Gleichzeitig haben in Duschanbe 99,9 Prozent der öffentlichen Einrichtungen, auch solche, die sich als familienfreundlich darstellen, keinen speziellen Raum für Mütter und Kinder. Es ist nicht klar, was stillende Frauen tun sollen“, so Lilia weiter.

Aufgrund dessen stillte Lilia ihr Kind, wann und wo immer sie musste. In der Regel in Cafés, Restaurants oder Parks. „Mir sind unzufriedene Blicke von außen nicht peinlich, weil ich den Menschen keine körperlichen Unannehmlichkeiten bereite“, sagt sie. „Aber ich verstehe, dass nicht alle Frauen in Tadschikistan eine solche Einstellung haben.“

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Ihre Einstellung zum öffentlichen Stillen ist vor allem unpopulär. Und so musste Lilia mehrfach erleben, dass Fremde direkt ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck brachten. „In der Regel handelte es sich dabei um ältere Männer und Frauen. Einer dieser unzufriedenen Menschen reagierte auf meine Bemerkung, dass es an speziellen Plätzen zum Stillen mangele, und sagte: Dann bleib zu Hause.“

„Bei einer anderen Gelegenheit wurde mir geraten, mein Baby auf der Toilette zu stillen, und ich wurde gebeten, dorthin einen Stuhl mitzubringen. Obwohl ich während des Stillens zu Hause und am Arbeitsplatz unterstützt wurde, bereitete mir die Alltagsdiskriminierung große Unannehmlichkeiten“, sagt Lilia.

Mittlerweile empfehlen WHO- und UNICEF-Expert:innen, Säuglinge von der Geburt bis zum sechsten Monat ausschließlich mit Muttermilch zu ernähren, also Kindern in diesem Alter keine andere Nahrung oder Flüssigkeit, auch kein Wasser, zu geben.

Asia-Plus

Aus dem Russischen von Robin Roth

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