Ein Gericht in Almaty hat die Rehabilitierung von Temirlan Ensebek, Blogger, Autor und Gründer eines satirischen Instagram-Accounts, abgelehnt. Der Fall ist zu einem Symbol für den besorgniserregenden Rückgang der Meinungsfreiheit in Kasachstan geworden – in einem Klima, das von der Angst geprägt ist, Moskau zu verärgern.
Am 4. Juni 2025 hat ein Gericht in Almaty die Freilassung von Temirlan Ensebek abgelehnt. Der Blogger war am 17. Januar festgenommen und gemäß Artikel 174 des kasachstanischen Strafgesetzbuches wegen „Verbreitung von Falschinformationen” und „Anstiftung zu ethnischer Zwietracht” angeklagt worden.
Sein Verbrechen? Im Januar 2024 hatte er auf seinem Parodie-Instagram-Account QazNews24 ein manipuliertes Bild veröffentlicht, unterlegt mit dem kasachischen Lied „Yo, Orystar” („Yo, Russen” auf Kasachisch), dessen Text als „feindselig” gegenüber Russen und Usbeken angesehen werden kann. So erklärte Staatsanwalt Didar Kabaev, dass Ensebek die kriminelle Absicht hatte, „vorsätzliche Handlungen zu begehen, die darauf abzielen, die Ehre und Würde des russischen Volkes zu verletzen”.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Der Blogger wurde zu fünf Jahren Freiheitsbeschränkung und einem Verbot der Pflege seiner sozialen Netzwerke verurteilt, wie Orda.Kz berichtet. Damit ist er faktisch gezwungen, sein Projekt QazNews24 einzustellen. Für die Unterstützer:innen von Ensebek bestätigt dies den politischen Willen, jegliche Kritik an der Politik des Staates zu unterdrücken und zu zensieren.
Satire gegenüber der Macht: ein fragiles Gleichgewicht
Der 30-jährige Ingenieur Temirlan Ensebek wurde durch Online-Inhalte auf seinem Instagram-Account Qaznews24 bekannt, in denen er schwarzen Humor und politische Satire miteinander verband. Er hinterfragte insbesondere den wachsenden Einfluss Russlands auf die inneren Angelegenheiten Kasachstans sowie den Stellenwert der Meinungsfreiheit im öffentlichen Raum.
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Seine Veröffentlichungen wurden von den Behörden als Angriff auf die nationale Stabilität angesehen, obwohl sie satirischer Natur waren. Das Innenministerium begründete die Strafverfolgung damals mit dem Wunsch, „die Einheit des Landes zu bewahren”.
Charlie Hebdo: „Maulkorbpolitik“
Die von mehreren internationalen NGOs angeprangerte Affäre erfuhr auch außerhalb Kasachstans Resonanz, als im Mai die französische Wochenzeitung Charlie Hebdo einen Artikel über den Fall Ensebek veröffentlichte. Die Satirezeitung prangerte eine politische „Maulkorbpolitik“ in Kasachstan an.

Dies löste zahlreiche Reaktionen aus, auch innerhalb der kasachstanischen Regierung. Der stellvertretende Minister für Kultur und Information, Kanat Iskavov, erklärte gegenüber Orda: „Ich habe die Veröffentlichung gesehen. Ich bin nicht damit einverstanden. Ich glaube nicht, dass es in Kasachstan Zensur gibt. Es gibt ein Gerichtsurteil, zu dem ich mich nicht äußern darf.”
Symptomatisch für ein angespanntes politisches Klima
Als Reaktion auf die Kritik bekräftigten die kasachstanischen Behörden den Schutz der Meinungsfreiheit durch die Verfassung. Offiziellen Erklärungen zufolge dienten die gegen Ensebek verhängten Sanktionen der Wahrung der nationalen Sicherheit und der sozialen Stabilität und nicht der Unterdrückung politischer Kritik.
Diese Version wird jedoch von Journalistinnen und Menschenrechtsaktivisten angezweifelt. Kurz nach der Verhaftung von Temirlan Ensebek im Januar 2025 erklärte Mihra Rittmann, Senior Researcherin für Zentralasien bei Human Rights Watch, dass es sich hierbei um kein Verbrechen, sondern um einen Missbrauch des Strafrechts durch die Behörden handelte.
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Mehrere Beobachtende stellen außerdem eine zunehmende Überwachung und Unterdrückung digitaler Inhalte fest sowie eine wachsende Sensibilität der Machthaber gegenüber jeder Form von Ironie oder öffentlicher Kritik, insbesondere in Bezug auf die Beziehungen zu Russland.
Der Fall Ensebek offenbart eine implizite rote Linie: Politische Satire wird toleriert, solange sie nicht die nationale Souveränität oder die Beziehungen zu Moskau betrifft. In einem angespannten regionalen Kontext, in dem das geopolitische Gleichgewicht fragil ist, scheint jede Kritik dieser Art als Angriff auf den Staat selbst wahrgenommen zu werden. Für viele Beobachtende ist Satire, insbesondere wenn sie von jungen digitalen Kreativen stammt, zu einem Gradmesser für die Vitalität der Demokratie geworden.
Bérénice Miniot für Novastan
Aus dem Französischen von Berenika Zeller
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