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Der Glaube in Zentralasien: Überwachung und Diskriminierung

Der säkulare Staat ist eine Norm und eine Quelle des Stolzes für die jungen Länder Zentralasiens. Dieses Merkmal wird als Garantie für Frieden und Modernität in der Region angesehen. Gleichzeitig führt die strenge säkulare Politik zu internationaler Besorgnis und übermäßigen Kontrollen an den Grenzen.

Turkistan, spirituelle Hauptstadt Kasachstans. Bild: Nane Bouvier / Novastan.

Der säkulare Staat ist eine Norm und eine Quelle des Stolzes für die jungen Länder Zentralasiens. Dieses Merkmal wird als Garantie für Frieden und Modernität in der Region angesehen. Gleichzeitig führt die strenge säkulare Politik zu internationaler Besorgnis und übermäßigen Kontrollen an den Grenzen.

Von Kasachstan bis Tadschikistan betrachtet sich die Mehrheit der Bevölkerung Zentralasiens als Muslim:innen, genauer gesagt als Anhänger:innen der sunnitischen Hanafi-Schule. Die säkulare Strenge ähnelt sich jedoch in allen fünf Ländern der Region, da die Regierungen die religiöse Meinungsäußerung kontrollieren, insbesondere die von Muslimen und sogenannten nicht-traditionellen religiösen Gruppen.

Darüber hinaus empfiehlt die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF), Turkmenistan und Tadschikistan aufgrund ihrer Strukturpolitik, die der Religionsfreiheit zuwiderläuft, als „besonders besorgniserregende Länder“ anzusehen.

Weiter bezeichnet der Bericht Usbekistan und Kasachstan als „Länder, die es verdienen, auf die besondere Beobachtungsliste gesetzt zu werden, weil sie Verstöße gegen die Religionsfreiheit begangen haben“.

Belästigung und Überwachung

Dass Kirgistan nicht auf diesen Listen steht, ist auf die relative Offenheit des Landes in religiösen Fragen zurückzuführen. Dennoch werden auf der Website des US-Außenministeriums Erklärungen von Nichtregierungsorganisationen zitiert, in denen die Schikanierung religiöser Minderheiten, insbesondere von Jüdinnen und Juden sowie Zeug:innen Jehovas, angeprangert wird. Es kommt auch zu Verhaftungen und Sanktionen gegen muslimische Gruppen, die die kirgisische Regierung als extremistisch oder illegal betrachtet.

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Allen zentralasiatischen Ländern gemeinsam ist die Einmischung der Regierung in den Gottesdienst und die religiösen Praktiken ihrer Bürger:innen. Gesetze schränken die Art und Weise ein, wie Gläubige ihren Glauben zum Ausdruck bringen können. Beispielsweise verfügen alle Länder über nationale Stellen, die für die Registrierung und Überwachung religiöser Gruppen, die Lizenzierung von Imamen und die Kontrolle religiöser Literatur zuständig sind. Gruppen, die sich dieser Registrierung nicht unterziehen, werden als illegal betrachtet. Über Inhaftierungen aus religiösen Gründen wurde in allen vier im Bericht genannten zentralasiatischen Ländern berichtet.

Gewissensfreiheit wird behindert

In Zentralasien ist der Militärdienst obligatorisch: Es ist nicht möglich, ihn unter Berufung auf religiöse Gründe zu verweigern. In Tadschikistan und Turkmenistan müssen junge Männer, die sich dennoch weigern, Geldstrafen zahlen oder riskieren eine Haftstrafe. Auch bestimmte Aspekte der Rituale und Zeremonien unterliegen staatlichen Vorschriften, die die Kleiderordnung und die Reden in den Moscheen vorschreiben.

Auf den Seiten des USCIRF-Berichts wird die Religionsfreiheit in Turkmenistan als „immer noch mangelhaft“ beschrieben, da „die Regierung alle Aspekte des religiösen Lebens und der religiösen Äußerung kontrolliert, religiöse Praktiken und Überzeugungen diktiert und überwacht und die Nichteinhaltung mit administrativer Schikane, Inhaftierung und Folter bestraft“. Zahlreiche Einschränkungen verdeutlichen die Überwachung des Privatlebens der Bevölkerung durch die turkmenische Regierung. Den Frauen wurde beispielsweise eine sogenannte „traditionelle“ Kleiderordnung auferlegt.

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In Bezug auf Kasachstan, dessen Aufnahme in die Liste der „besonderen Überwachung“ empfohlen wird, hebt der Bericht die verpasste Gelegenheit der Regierung von Qassym-Jomart Toqaev hervor, bedeutende Reformen in Bezug auf die Religionsfreiheit durchzuführen. Das Gesetz wurde im vergangenen Jahr geändert, jedoch mit geringen Auswirkungen. Das Land übt weiterhin eine strenge Kontrolle über den Glauben aus.

„Im Oktober verbot eine Schule in Almaty einer muslimischen Schülerin, die einen Hijab trug, einen Monat lang die Teilnahme am Unterricht mit der Begründung, dass dieses religiöse Kleidungsstück nicht den vom Bildungsministerium erlassenen Regeln für Schuluniformen entspreche. Darüber hinaus wurden Ahmadiyya-Muslime aufgrund offizieller Diskriminierung noch immer nicht als religiöse Vereinigung registriert. Wie in den Vorjahren verhängten die Behörden 2022 mehr als 140 Verwaltungsstrafen wegen religiöser Vergehen, die sich hauptsächlich gegen Muslime richteten“, berichtet die Autorenschaft des Berichts.

Religiöse Äußerungen im Internet

Die Teilnahme an Online-Gesprächen über den Islam oder die Mitgliedschaft in religiösen virtuellen Gruppen sind Handlungen, die auch in Kasachstan zu einem Problem werden könnten. 2022 saßen immer noch fünf Männer im Gefängnis, die 2019 beschuldigt wurden, in einer WhatsApp-Gruppe Nachrichten über den Islam geteilt und veröffentlicht zu haben. Obwohl die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen ihre Freilassung forderte, hat sich nichts geändert.

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Die gleichen Bedenken gelten für Usbekistan, ein Land, das laut USCIRF im vergangenen Jahr nur bescheidene Fortschritte gemacht hat. „Obwohl die Regierung die Eröffnung einiger neuer Moscheen genehmigt und eine Handvoll religiöser Minderheitsgemeinschaften registriert hat, darunter drei protestantische christliche Kirchen und eine schiitische Moschee, bleibt der Registrierungsprozess für andere religiöse Minderheitsgemeinschaften eine schwere und unüberwindbare Herausforderung“, heißt es im Bericht.

Am unteren Ende internationaler Ranglisten

Zentralasiatische Länder werden häufig beschuldigt, Praktiken anzuwenden, die das Recht der Glaubensausübung der Bevölkerung einschränken. Berichte wie der von Freedom House über bürgerliche Freiheiten oder der Jahresbericht von Aid to the Church in Need zeigen ebenfalls, dass die Bürger:innen in Zentralasien nur wenig oder gar keinen Raum haben, um ihre Religionsfreiheit auszuüben.

Dabei hat dieses Thema historische und geopolitische Implikationen. Das islamische Erbe dieser Länder, das bis ins 8. Jahrhundert zurückreicht, wurde während der Zeit der UdSSR beeinträchtigt. In jüngerer Zeit wurde und wird die Angst vor einem möglichen Anstieg des religiösen Extremismus in der Region zur Rechtfertigung dieser säkularen Politik herangezogen.

Indira Ramírez, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Michèle Häfliger

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