Auf offiziellen Bildern wirken Zentralasiens Präsidenten oft makellos: perfekte Haltung, strahlend weißes Lächeln, glattes Gesicht und üppiges graues Haar. Ein Abgleich mit internationalen Nachrichten zeigt jedoch: Die Porträts sind das Ergebnis intensiver digitaler Nachbearbeitung – nicht der Realität.
Offizielle Fotos der zentralasiatischen Präsidenten sorgen oft für Diskussionen – und das nicht nur wegen der Ereignisse, die sie zeigen. Fast immer werden die Fotos aufwendig retuschiert: Falten werden geglättet, Haare gefärbt, Zähne gebleicht, der Staatschef kann „wachsen“ und nicht selten wird ein Lächeln auf sein Gesicht „geklebt“.
Manchmal sind diese Änderungen so auffällig, dass die retuschierten Präsidenten in den sozialen Medien zum Thema von Witzen und Memes werden.

Turkmenistan: Lächeln um jeden Preis
In Turkmenistan, wo der Personenkult um die Führer beinahe sakralen Charakter hat, werden Präsidentenfotos besonders sorgfältig bearbeitet. Der frühere Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow, der offiziell die Macht an seinen Sohn Serdar übergeben hat, lässt sich die Falten korrigieren und die Haare färben.
„Verglichen mit Fotos, die beispielsweise Fotografen von Kreml oder Aqorda [Präsidialverwaltung Kasachstans, Anm. d. Ü.] aufgenommen haben, ist deutlich zu erkennen, wie alt und faltig Gurbanguly Berdimuhamedows Haut ist, insbesondere an seinem Hals. Die turkmenischen Zensoren bleichen und glätten alles sorgfältig, was zu einem unnatürlichen, mit Photoshop bearbeiteten Aussehen führt“, sagt Ruslan Myatiyew, Chefredakteur des unabhängigen Mediums Turkmen.news.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Im Fall von Serdar Berdymuhamedow, der seinem Vater im Präsidentenamt nachfolgte, wurden sogar größere Bildelemente ersetzt. Auf einem Foto, das ihn mit Rustam Minnihanow, Oberhaupt der Republik Tatarstan, zeigt, wirkte Serdar Berdymuhamedow zu streng. Die Retuscheure tauschten kurzerhand den Kopf des Präsidenten, um seinen Gesichtsausdruck zu verändern.

Fotografen aus Serdar Berdimuhamedows Team bearbeiten die Bilder direkt während der offiziellen Treffen.

Toktosun Schambetow, Journalist beim kirgisischen Dienst von RFE/RL, erinnert sich, diesen Vorgang einmal miterlebt zu haben. „Die turkmenischen Journalisten und Kameraleute, die vor mir saßen, verbrachten etwa eine Stunde damit, die Fotos zu bearbeiten. Sie schnitten einen Kopf aus und fügten ein lächelndes Gesicht ein. Wenn die Größe nicht stimmte, klebten sie eine andere Person von anderen Fotos ein“, so Schambetow.
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Laut Bruce Pannier, Journalist und Zentralasien-Experte, kam es bei Manipulationen der Fotos immer wieder zu Fauxpas. „Beispielsweise fehlt Berdimuhamedow Senior auf den Fotos möglicherweise ein Finger“, erklärt Pannier.
Usbekistan: Über Nacht gewachsen
Usbekistans erster Präsident Islom Karomov wurde oft retuschiert. Nicht nur sein Gesicht wurde geglättet, auch sein Körper wurde künstlich vergrößert. Im wirklichen Leben war Karimov etwa 170 cm groß, doch auf bearbeiteten Fotos wuchs er um bis zu 20 cm.
Besonders aufschlussreich ist ein Foto von einem Treffen mit Viktor Janukowitsch, dem damaligen Präsidenten der Ukraine: Auf dem offiziellen Foto ist Karimow fast so groß wie Janukowitsch, der 190 cm misst.
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Auch Aufnahmen des amtierenden usbekischen Präsident, der 68-jährige Shavkat Mirziyoyev, werden bearbeitet, allerdings subtiler. Dennoch sind auf den von staatlichen Quellen veröffentlichten Fotos leichte Retuschen zu erkennen, im Gegensatz zu den unveränderten Fotos internationaler Fotojournalisten.
Kasachstan: Der Filter als Jungbrunnen
Ein weiteres Beispiel für aktive Bildmanipulation sind Fotos von Kasachstans 72-jährigen Präsidenten Qasym-Jomart Toqaev. Ziel scheint es vor allem, die Zeichen des Alterns zu kaschieren. Toqaevs Gesicht wirkt auf den Fotos unnatürlich glatt, seine Zähne übermäßig weiß.

Während die Bildbearbeitung früher manuell erfolgte, kommt heute zunehmend künstliche Intelligenz zum Einsatz: Algorithmen glätten nicht nur die Gesichtszüge des Präsidenten, sondern auch die seiner Umgebung. So wirken beispielsweise auf einem Foto mit chinesischen Schulkindern sowohl die Kinder als auch Toqaev gleichermaßen „geschliffen“.

Pannier vermutet, dass die Fotos von Zentralasiens Staatsschefs häufig zu Propagandazwecken manipuliert werden. „Es ist hauptsächlich Eitelkeit, aber es dient einem Zweck. Diese Präsidenten wollen sich als jung und dynamisch präsentieren. Und voller Energie, um ihre Länder zu führen“, sagt Pannier.
Kirgistan: Präsidiale Selfies
Im Vergleich zu seinen benachbarten Amtskollegen wirkt Kirgistans Präsident Sadyr Dschaparow vollkommen natürlich. Seine Fotos werden selten bearbeitet, und sein Pressedienst veröffentlicht gelegentlich Fotos, die mit Smartphones aufgenommen wurden.

Laut dem Journalisten Toktosun Schambetow ist es in Kirgistan (noch) nicht üblich, schlecht aufgenommene Fotos des Präsidenten zu verstecken. „Bisher werden Fotos nicht bearbeitet, wenn der Präsident nicht gut aussieht. Die Staatsführung selbst nutzt aktiv soziale Medien und veröffentlicht Selfies, auch wenn sie nicht gut aussehen“, sagt Schambetow.
Tadschikistan: Alt und mürrisch
Am entspanntesten geht es im Pressedienst des tadschikischen Präsidenten Emomali Rahmon zu, der seit über 30 Jahren an der Macht ist. Seine Fotos sind selten retuschiert, manchmal ist nicht mal der Bildausschnitt gut gewählt. Auf den offiziellen Aufnahmen sieht man sowohl Rahmon selbst als auch andere Politiker in Momenten, die in den „Hochglanz“-Fotoarchiven der Nachbarländer niemals auftauchen würden.

Laut Pannier schadet dieses Vorgehen tatsächlich dem Image des tadschikischen Staatschefs. „Rahmon wirkt oft alt und mürrisch, und es ist nicht verwunderlich, dass weiterhin Gerüchte über seine Gesundheitsprobleme kursieren“, sagt der Experte und bezieht sich dabei auf Berichte, denen zufolge Tadschikistan einen dynastischen Machtwechsel vorbereitet – die Übertragung des Präsidentenamtes von Rahmon auf seinen Sohn Rustam Emomali.
Weitere Fotos findet ihr im Originalartikel.
Radio Azattyq
Aus dem Russischen von Robin Roth
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Photoshop für den Präsidenten: Wie Zentralasiens Staatschefs jünger, größer und glücklicher werden