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Trotz drohender Gefängnisstrafe: Deutschland schiebt tadschikischen Oppositionellen ab

Obwohl ihm Gefängnis und Misshandlung drohen, hat Deutschland Anfang November einen Oppositionellen nach Tadschikistan abgeschoben. Die tadschikische Regierung verfolgt weiterhin ihre im Exil lebenden Gegner:innen.

Am Flughafen von Duschanbe wurde Dilmurod Ergaschew den tadschikischen Behörden übergeben (Illustrationsbild), Foto : Nikolamikovic82 / Wiki Commons

Obwohl ihm Gefängnis und Misshandlung drohen, hat Deutschland Anfang November einen Oppositionellen nach Tadschikistan abgeschoben. Die tadschikische Regierung verfolgt weiterhin ihre im Exil lebenden Gegner:innen.

Er war einer der aktivsten, im Ausland lebenden Gegner des Regimes von Emomali Rahmon.  Dennoch ist Dilmurod Ergaschew am 6. November nach Tadschikistan abgeschoben worden, berichtet Radio Free Europe.

Ergaschew wurde am 28. Oktober in Kleve festgenommen und noch am selben Tag dem Verwaltungsgericht vorgeführt. Dieses beschloss seine Abschiebung für die ersten Novembertage. Insbesondere Human Rights Watch und das Helsinki-Komitee für Menschenrechte hatten dazu aufgerufen, den Mann nicht nach Tadschikistan zurückzuschicken, wo ihm neben Folter auch eine Gefängnisstrafe aus politischen Gründen droht.

Wie die tageszeitung (taz) berichtete, hielten „Deutsche Behörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und der Kreis Kleve […] Ergaschews Abschiebung dennoch für gerechtfertigt. Ihm werde vorgeworfen, seine wahre Identität zwischen 2011 und 2017 verschleiert zu haben, offenbar aus Angst vor einer erzwungenen Rückführung“. Seine oppositionellen Aktivitäten seien nicht intensiv genug, um eine Verfolgung in Tadschikistan wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Dieser Argumentation folge auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf und wies am 5. November einen Eilantrag gegen die unmittelbar drohende Abschiebung ab.

Gegen Regierung protestiert

Der 40-jährige Ergaschew lebte seit 13 Jahren in Deutschland und stand der Gruppe 24 nahe. Die Bewegung wurde 2012 vom Geschäftsmann und Oppositionellen Umarali Quwwatow in der Türkei gegründet, wo er im Exil lebte, bevor er 2015 in Istanbul ermordet wurde. Im Oktober 2014 erklärte Duschanbe die Gruppe 24 für illegal und betrachtete sie offiziell als Terrororganisation. Seitdem strebt Tadschikistan weiterhin die Auslieferung seiner Mitglieder an. Dilmurod Ergaschew hatte sich der 2018 gegründeten Bewegung für Reform und Entwicklung Tadschikistans angeschlossen, die Exil-Tadschiken zusammenbringt.

„Dilmourod ist einer der aktivsten Aktivisten. Er nahm an fast allen Kundgebungen teil, die von der tadschikischen Opposition gegen die Regierung Tadschikistans organisiert wurden“, erklärte Scharofiddin Gadojew gegenüber Radio Ozodi, dem tadschikischen Dienst von Radio Free Europe. Gadojew ist Gründer der Bewegung für Reform und Entwicklung Tadschikistans, ebenfalls Mitglied der Gruppe 24 und wird ebenfalls von den tadschikischen Behörden verfolgt. In sozialen Netzwerken, aber nicht nur.

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„Die aktive und sichtbare Beteiligung [von Dilmurod Ergaschew] an Oppositionsaktivitäten ist gut dokumentiert“, garantiert das Helsinki-Komitee in einer Pressemitteilung. Dabei wird insbesondere auf die Teilnahme des Oppositionellen an mehreren Demonstrationen vor der tadschikischen Botschaft in Berlin verwiesen – unter anderem im September 2023, um gegen den Deutschlandbesuch von Emomali Rahmon zu protestieren. Laut Radio Free Europe wurden nach dieser jüngsten Demonstration in Tadschikistan mehrere Familienmitglieder der Demonstrierenden festgenommen und befragt.

Ein repressives Regime

„[Dilmurod Ergaschew] verfügt über alle notwendigen Beweise, die bestätigen, dass er in seinem Land verfolgt wurde und dass er im Falle seiner Abschiebung wegen seines Aktivismus zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird“, betont Schaforiddin Gadojew. „In Deutschland ist bekannt, dass in Tadschikistan Menschen für ein einfaches „Gefällt mir“ in sozialen Netzwerken für 10 oder 12 Jahre ins Gefängnis gesteckt werden. Und dass man jemandem, der 13 Jahre lang an Protesten gegen die Regierung teilgenommen hat, niemals vergeben wird.“

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Tadschikistan ist ein autoritäres Land, in dem Präsident Emomali Rahmon seit 1992 an der Macht ist. Im Oktober 2020 wurde er offiziellen Angaben zufolge mit 90,92 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Seit 2015 nimmt die Unterdrückung der politischen Opposition zu. In der Folge haben Hunderte tadschikische Bürger:innen in Europa Asyl beantragt, hauptsächlich in Polen und Deutschland.

Bereits im Jahr 2016 schrieb The Diplomat über die „stille Krise“ der tadschikischen Flüchtlinge in Europa. Das Phänomen blieb unbemerkt, da sich die Aufmerksamkeit der Medien damals auf Flüchtlinge aus Syrien oder Libyen konzentrierte. Die Zahl der Asylsuchenden aus Tadschikistan war so groß, dass sie in Polen die zweigrößte Gruppe nach jenen aus Tschetschenien bildeten.

Selbstmordversuch am Tag der Abschiebung

Am 29. Oktober bestätigte Dilmurod Ergaschew in einem Telefoninterview mit Radio Ozodi, dass seine Ausweisung für Anfang November geplant sei. Das Gericht sehe es nicht als erwiesen an, dass ihm in Tadschikistan mit Gefängnis oder Misshandlungen drohe. Außerdem habe das Gericht Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines aktivistischen Engagements in der tadschikischen Opposition, erklärte sein Anwalt gegenüber Human Rights Watch.

Das russische Portal The Insider berichtet, dass Ergaschew am Tag seiner Abschiebung einen Selbstmordversuch unternommen habe. Die Beamten, die ihn zum Flughafen begleiteten, fanden ihn Berichten zufolge in einer Blutlache. Er wurde behandelt, seine Verletzungen führten jedoch zu keiner Verzögerung der Abschiebung. Ergaschew wurde am 6. November zum Flughafen Düsseldorf gebracht und nach einem Zwischenstopp in Istanbul am 7. November am Flughafen Duschanbe den tadschikischen Behörden übergeben. Laut Human Rights Watch berichteten Zeug:innen, dass er sofort mit Handschellen gefesselt und mit einer schwarzen Tasche über dem Kopf in ein Fahrzeug gebracht wurde.

Kein Einzelfall

Menschen aus Ergaschews Umfeld befürchten nun, dass ihm ein ähnliches Schicksal wie Abdulloh Schamsiddin und Bilol Qurbonalijew droht, die ebenfalls von Deutschland nach Tadschikistan abgeschoben wurde. Schamsiddin, Sohn eines Oppositionellen, wurde nach nur zweitägigem Schauprozess zu einer 7-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt, wie die taz damals berichtete. Qurbonalijew, ebenfalls ein Mitglied der Gruppe 24, wurde zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt.

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Im Oktober verurteilte ein Gericht in Tadschikistan in einem Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit Suchrob Safar, den Anführer der Gruppe 24, und Nasimon Scharofow, ein weiteres Mitglied der Gruppe, gemäß Artikel 307 des Strafgesetzbuches zu 30 beziehungsweise 20 Jahren Haft Strafgesetzbuch wegen „Aufruf zu einer gewaltsamen Änderung der Verfassungsordnung“ unter Nutzung des Internets.

Sowohl Safar als auch Scharifow lebten seit Jahren in der Türkei, als sie im März letzten Jahres plötzlich verschwanden. Im August gab der Generalstaatsanwalt von Tadschikistan bekannt, dass sich die beiden Männer in den Händen der tadschikischen Justiz befänden und dass die Ermittlungen gegen sie bald abgeschlossen seien. Wie die beiden von den Straßen Istanbuls verschwunden waren, um fünf Monate später in Duschanbe wieder aufzutauchen, erwähnte er nicht.

Eléonore Darasse für Novastan

Aus dem Französischen (und überarbeitet) von Robin Roth

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