Kirgistan plant den Bau einer Straße durch den Naturschutzpark Besch-Aral im Tschatkal-Bezirk des im Südwesten des Staates liegenden Dschalal-Abad-Gebiets, um dort ein Wasserkraftwerk zu errichten und Gold zu fördern.
Zu diesem Zweck stimmte im Jahre 2023 das Ministerkabinett dem Beschluss über die Umwandlung von 200 Hektar Reservatsfläche zu.
Gegenwärtig spalten sich die Anwohnenden in zwei Lager: die einen unterstützen die Initiative, die anderen widersetzen sich dem Bau der Straße. Die Unterstützenden meinen, dass nach dem Bau der Straße auch ein Wasserkraftwerk errichtet würde, was sie begrüßen. Die Gegner dagegen äußern ihre Befürchtungen bezüglich des Ökosystems, da ja gemeinsam mit der Straße auch die Goldförderung beginnen würde.
Die Vertretenden der Kommunalverwaltung versicherten, dass das Gold im Naturschutzpark Besch-Aral, welcher als UNESCO-Welterbe gelistet ist, unter Beteiligung des Staates gefördert würde. Ökolog:innen jedoch warnen vor den zu beklagenden Folgen solcher Aktivitäten.
Der Naturschutzpark Besch-Aral: abwechslungsreiche Landschaften und außergewöhnliche Artenvielfalt
Der Naturschutzpark Besch-Aral befindet sich im Tschatkal-Bezirk des Dschalal-Abad-Gebiets. Seine Fläche beträgt mehr als 100.000 Hektar. Der Weg dorthin ist schwer, die Winter sind lang – acht Monate dauern sie.
Der Park wurde 1979 gegründet und im Jahr 2016 in die Liste der UNESCO-Welterbestätten aufgenommen.
Laut UNESCO gilt das transnationale Weltnaturerbe „Westlicher Tien Shan“ als einer der Teile des Tien Shan-Gebirgssystems in Zentralasien, welches zu den größten sieben Gebirgsketten der Welt zählt.
Es zeichnet sich durch mannigfaltige Landschaften und eine außergewöhnlich reiche Artenvielfalt aus. Der Tien Shan besitzt globale Bedeutung als Ursprungszentrum einer Reihe von kultivierten Obstsorten und beherbergt eine große Vielfalt an Waldtypen sowie einzigartigen Pflanzengemeinschaften.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Im Jahr 2023 wandelte die Regierung 200 Hektar des Reservats der Kategorie „besonders schützenswertes Naturterritorium“ in die Kategorie „Gebiet Industrie, Verkehr, Kommunikation, Energiewirtschaft, Verteidigung und andere Zwecke“ um. Das alles, um einen direkten Weg aus dem Tschatkalgebiet nach Taschkent durch das Besch-Aral-Reservat zu bauen. Nach Angaben der Behörden des Landes könnten anschließend ein Grenzposten errichtet sowie ein Wasserwerk gebaut werden. Als Ausführender wird in dieser Verordnung die Firma „Muras Sintes“ genannt.
Bau der Straße bereits im Gange
Wie der Akim (der Gouverneur) des Bezirks Tschatkal Altynbek Senirbaew mitteilte, habe das Unternehmen „Muras Sintes“ bereits im vergangenen Jahr mit dem Bau einer Straße in das Naturschutzgebiet begonnen, um den Transport von Maschinen zu ermöglichen. Zurzeit sind die Bauarbeiten aufgrund des Schneefalls am Arbeitsort unterbrochen.
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„Für die Errichtung des Wasserkraftwerkes muss zunächst eine Straße in das Reservat gebaut werden. Dem voraus gehen die Arbeiten zur Goldgewinnung, denn ist das Kraftwerk erst gebaut, wird die Goldförderung sowieso erforderlich sein. Nach dem Erhalt der Genehmigung wird „Muras Sintes“ mit dem Abbau des Goldes unter finanzieller Beteiligung des Staates beginnen.
Parallel dazu wird eine Straße aus Tschatkal nach Taschkent gebaut. Das kann die Entwicklung des Tourismus ankurbeln. Und für das Wasserkraftwerk ist die Umwandlung zusätzlicher Fläche unbedingt erforderlich“, so der Akim.
Der Ökologe Gamal Sooronkulow merkt jedoch an, dass bereits andere Wege in die Hauptstadt Usbekistans führen und die Verlegung der Trasse durch das Schutzgebiet durch nichts zu rechtfertigen sei. Er äußert seine Sorge darüber, dass die Initiative in der Förderung des Goldes begründet liege.
„Nach Taschkent reichen die anderen Straßen vollkommen aus. In Besch-Aral liegt acht Monate lang Schnee. Welche Straßen gibt es da? Die Frage ist hier eine andere. In den besten Zonen des Reservats gibt es zwei Goldvorkommen: Najsa und Arap.
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In der Vergangenheit haben die Anwohnenden und Aktivist:innen gegen den Goldabbau Widerstand geleistet und solche Initiativen verhindert. Es gibt dort nicht so viel Gold. Jetzt plant die Regierung die Förderung des Goldes. Sie begreifen nicht, dass sie mit dem Abbau einer kleinen Menge an Gold der Umwelt großen Schaden zufügen. Das Geld aus diesen beiden Lagerstätten wird die Kassen von Tschatkala nicht füllen. Das wird kein gutes Geld bringen“, sagt der Ökologe.
Nichtsdestotrotz gibt es unter den Bewohnenden auch diejenigen, die den Bau des Wasserkraftwerks unterstützen. Einer von ihnen, Ergen Koschonbaew, wohnt nicht weit entfernt vom Reservat. Er befürwortet nicht nur den Bau der Straße und des Kraftwerks, sondern auch die Verteilung von Land aus dem Schutzgebiet an die Bewohnenden als Weidefläche.
„Jahrhundertelang floss das Wasser des Tschatkal-Flusses einfach so. Der Bau des Wasserkraftwerks bringt ganz Kirgistan Nutzen, die Grenzen werden stark sein. Wir sprechen immer über das Reservat, aber im Jahr 1979 wurden Menschen dorthin umgesiedelt. Viele jedoch verließen diese Gebiete wieder wegen der schwierigen Bedingungen und später wurde die Gegend in ein Schutzgebiet umgewandelt. Unsere Gegend lebt von der Viehzucht. Das Futter reicht nicht aus, die Winter sind hart. Früher besaßen die Menschen im Reservat Land. Ich habe mich früher im Kurultaj (Anm. der Übersetzerin: das nationale Parlament der Turk- und Mongolenvölker) dafür eingesetzt, dass die Menschen ihr Land zurückbekommen“, teilte Koschonbaew mit.
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Die Vertretenden der Bezirksregierung erklären, dass die Errichtung des Kraftwerks aus strategischer Sicht sehr wichtig sei, auch wenn der Bau der Straße möglicherweise den Landressourcen schaden könnte. Nach Angaben des Gouverneurs werden die zur Verfügung gestellten 200 Hektar aus dem Schutzgebiet auf Kosten anderer Ländereien im angrenzenden Gebiet wieder aufgefüllt.
Veränderung der klimatischen und ökologischen Bedingungen
Ysabek Amatow, Leiter des südlichen Landesverbandes des Naturschutzbundes Deutschland (NABU – Kirgistan), erklärte, dass es etwa 100 Jahre dauern würde, bis die neu gepflanzten Bäume dieselbe Größe erreicht hätten wie die nun gefällten.
„Bäume brauchen 100 Jahre, um zu reifen. Selbst wenn nun an anderen Orten Walnüsse oder Wacholder gepflanzt würden, könnten sie doch nicht vollständig die wilden Bäume ersetzen. In den abgeholzten Bereichen können wildes Geißblatt oder andere Sträucher leben. Wie soll man diese an andere Orte verpflanzen? Neben den Bäumen im Wald existiert auch eine ganze Welt von Tieren, die über und unter der Erde leben. Wie sollen die Schlangen oder die Insekten umgesiedelt werden? Der Wald, das sind nicht nur die Bäume. Der Wald, das ist alles zusammen: die Tiere und die Pflanzen. Schon die Wiederherstellung von 0,01 Hektar ist kompliziert, von 200 Hektar ganz zu schweigen. Es ist sehr wichtig, all das zu bewahren, was es in der Natur gibt. Auch wenn wir sie auf Kosten eines anderen Gebietes wieder auffüllen, können wir das zerstörte Land nicht vollständig restaurieren“, sagt Amatow.
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Ökolog:innen meinen, dass aufgrund der klimatischen Veränderungen die Menge des Wassers zurückgehen werde und dass vor diesem Hintergrund sich das Abholzen der Wälder für den Bau eines Wasserkraftwerkes als vollkommen unlogisch erweise.
„Der Wassergehalt der Flüsse hängt vom Wald ab, denn ist der Wald dicht von Sträuchern bewachsen, bleiben die Wasserquellen in den Bergen besser erhalten. Fehlen in den Bergen die Bäume und Büsche, dann versiegen die Quellen, was letztendlich zum Austrocknen der Flüsse führt.
Es braucht also mehr Wälder, um die Wassermenge zu erhöhen. Wahrscheinlich werden einige Leute meinen, dass der Bau eines Wasserkraftwerks dabei hilft, Wasser zu sparen und Energie zu gewinnen. Doch das ist ineffektiv. Der Bau des Kraftwerks verändert die klimatischen Bedingungen, er führt zur Veränderung des Wasserhaushaltes und kann zum Ausbruch des Grundwassers führen“, ergänzt Amatow.
Spezialist:innen des Biologischen Instituts der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Kirgisischen Republik stellen fest, dass sich infolge des Baus einer Kaskade von Wasserkraftwerken in Tschatkal das Abflussregime bedeutsam verändern wird, was den Pflanzen und Tieren des Schutzgebietes, die im Übrigen im Roten Buch verzeichnet sind, ernsthaften Schaden zufügen kann.
„Das Mensbir-Murmeltier kommt anderswo nicht mehr vor. Auch Aprikosen, Äpfel und die wilde Usunachmat-Traube sind im Roten Buch aufgeführt. Leider sind bis heute fast zweitausend Hektar nicht renaturiert worden. Wer stellt sie wieder her? Dort muss unbedingt eine Rekultivierung stattfinden. Dort sollten Pflanzen wachsen, welche auch früher dort wuchsen. Die Tiere sollten zurückkehren. Das ist sehr schädlich für die Umwelt“, ergänzte der Ökologe Gamal Sooronkulow.
„Wasserkraftwerke – keine „grüne“ Energiequelle“
Expert:innen der internationalen ökologischen Vereinigung „Flüsse ohne Grenzen“ widerlegen in ihrem im Februar diesen Jahres publizierten neuen Bericht den Mythos, dass Wasserkraftwerke die Zugpferde der „grünen“ Energie seien. In den auf der Website bereitgestellten Informationen werden einige Folgen des Betriebs von Wasserkraftwerken aufgezeigt:
- Wasserkraftwerke verbrauchen 10-500- mal mehr Wasser als Wind- oder Solarenergie.
- Wasserkraftreservoirs bedecken große Gebiete fruchtbarer Erde in den Flusstälern und fügen der Artenvielfalt und der örtlichen Bevölkerung großen Schaden zu.
- Wasserkraftwerke zerstören die kleinste und am meisten gefährdete Artenvielfalt – das Süßwasserökosystem.
Vertretende dieser Organisation trafen sich im Februar mit Abgeordneten des kirgisischen Parlaments und forderten sie dazu auf, die Kontrolle über den Bau der Wasserkraftwerke in Tschatkal zu übernehmen. Außerdem richteten sie einen Appell an die UNESCO.
„Die Pläne der hydroenergetischen Erschließung des geschützten Tschatkal-Flusses bereiten den Umweltorganisationen und der wissenschaftlichen Gemeinschaft größte Sorgen“, sagt Alexander Kolotov, Zentralasienkoordinator von „Flüsse ohne Grenzen“, bei dem Treffen.
Außerdem merkte er an, dass es unerlässlich sei, noch einmal sorgfältig zu prüfen, inwiefern der ökonomische Nutzen des Baus des Wasserkraftwerks am Tschatkal die entstehenden ökologischen Kosten aufwiege.
Ajdaj Bedelkowa für Cabar
Aus dem Russischen von Dörte Drangmeister
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