Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenka hat Usbekistan einen offiziellen Staatsbesuch abgestattet. Der Austausch mit seinem Amtskollegen Shavkat Mirziyoyev in Taschkent drehte sich um eine Stärkung der bilateralen Beziehungen, insbesondere in ökonomischer, kultureller und kommerzieller Hinsicht.
Der offizielle Besuch des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenka in Usbekistan vom 7. bis zum 10. Februar 2024 war geprägt von einer Willkommenszeremonie und informellen Aktivitäten der beiden Präsidenten, wie dem gemeinsamen Besuch eines Eishockeyspiels. Das Hauptziel des Treffens war jedoch die Vertiefung ökonomischer, politischer und kultureller Beziehungen zwischen den Staaten, insbesondere im Zusammenhang mit westlichen Sanktionen gegen Belarus im Lichte des Krieges in der Ukraine.
Die westlichen Sanktionen, insbesondere von der Europäischen Union verhängt, üben erheblichen Druck auf die belarussische Volkswirtschaft aus und veranlassten die Führung, alternative Handelsmöglichkeiten zu erkunden. Usbekistan hat sich mit seinem rapide wachsenden ökonomischen Potenzial im Zuge dieser Neuorientierung zu einem wichtigen strategischen Partner entwickelt.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Die Gespräche mit Shavkat Mirziyoyev in Taschkent griffen diverse Aspekte von Handel über Wirtschaft bis zu Kultur auf. Beide Präsidenten bekundeten ihren Willen, den Handel innerhalb von zwei Jahren auf eine Milliarde US-Dollar (925 Millionen Euro) auszuweiten. Dies soll beispielsweise mittels einer Ausweitung der Kooperation im Agrar-, Bildungs-, Tourismus- und Wohnungsbausektor geschehen, wie Times of Central Asia schreibt.
Der Staatsbesuch fand zeitgleich mit einer Sitzung des Geschäftsrats in Taschkent statt. Zuvor hatte eine usbekische Delegation Belarus besucht und die usbekisch-belarussischen Verflechtungen gelobt.
Eine diplomatische und wirtschaftliche Renaissance
Die Beziehungen der beiden Länder erfahren eine Renaissance und beenden nach Einschätzung der Jamestown Foundation mehrere Jahrzehnte diplomatischen Stillstands. Die 1993 initiierten bilateralen Beziehungen der Staaten nahmen keine signifikanten Entwicklungen während der Präsidentschaft Islom Karimovs von 1991 bis 2016. Seit dem Amtsantritt Shavkat Mirziyoyevs wurden jedoch umfassende Reformen eingeleitet und brachte Usbekistan so wieder auf den politischen und kommerziellen Radar Belarus.
Seit den gegenseitigen Besuchen der Präsidenten 2018 und 2019 lässt sich die neuerliche Annäherung eindeutig feststellen. Seither wurden mehr als 30 Abkommen in verschiedenen Bereichen unterzeichnet. Nach Angaben des usbekischen Mediums Kursiv vergrößerte sich das bilaterale Handelsvolumen substantiell und überschritt 2023 den Wert von 620 Millionen US-Dollar (573 Millionen Euro), was einen Anstieg von 340 Prozent gegenüber 2017 darstellt.
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Die positive Dynamik der bilateralen Beziehungen wurde durch den geostrategischen Wandel in Eurasien verstärkt, insbesondere nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Westliche Sanktionen motivierten Belarus zur Suche nach anderen Handelspartnern über Russland hinaus.
Review.uz stellt fest, dass der Anstieg mit einem signifikanten Handelsüberschuss auf Seiten von Belarus einhergeht. So exportierte das Land Waren im Wert von 501,1 Millionen US-Dollar (462,7 Millionen Euro) nach Usbekistan, während es nur 119 Millionen US-Dollar (110 Millionen Euro) importierte. Gleichermaßen stiegen die belarussischen Direktinvestitionen in Usbekistan seit 2020 um mehr als 300 Prozent an und umfassen laut Daryo.uz nun 18,2 Millionen US-Dollar (16,8 Millionen Euro), schwerpunktmäßig im Textil-, Leder-, Pharmazie- und Landmaschinensektor. Die Zusammenarbeit im Bildungssektor wuchs ebenfalls: Während 2019 lediglich 14 usbekische Studierende in Belarus eingeschrieben waren, wird laut dem Exekutivkomitee der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 2024 mit nahezu 5000 Teilnehmenden in gemeinsamen Bildungsprogrammen gerechnet.
Verstärkte Ambitionen
Die beiden Präsidenten betonten auch die Ausweitung logistischer Routen, Lieferketten, Zahlungssystemen sowie Produkt- und Energiemärkten. Außerdem einigten sie sich auf die Gründung einer gemeinsamen Außenhandelsgesellschaft sowie die Einführung von Mechanismen zur Handelsförderung und eines elektronischen Systems zur Warenzertifizierung.
Darüber hinaus ließ sich die usbekische Industrie- und Handelskammer in Minsk nieder, was der Belarussischen Industrie- und Handelskammer zufolge eine Vereinfachung der Import-Export-Geschäfte der beiden Länder erleichtert. Um seine Präsenz im usbekischen Markt auszubauen, äußerte Minsk die Absicht, Servicezentren zur schnelleren Instandhaltung diverser belarussischer Traktoren und Schwerfahrzeuge zu eröffnen.
Ein Tor zu anderen Märkten
Ekaterina Sergejewa, Vorsitzende der Abteilung für die Zusammenarbeit mit den GUS-Staaten im belarussischen Industrieministerium, führte gegenüber der belarussischen Presseagentur BelTA an, Belarus betrachte Usbekistan als „Eintrittstor zum zentralasiatischen Markt“.
Belarus würde bestimmte Produkte ebenso gerne in Länder südlich von Usbekistan exportieren. Im Zuge des Staatsbesuchs diskutierten die Delegationen auch Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Austauschs mit Afghanistan.
Laut BelTA unterzeichneten die beiden Präsidenten einen Fahrplan für den Fortgang der belarussisch-usbekischen Kooperation in den Jahren 2024-2025, welcher die vereinbarten Elemente der bilateralen Kooperation festschreibt und Empfehlungen für Partnerschaften mit weiteren Staaten liefert.
Macha Toustou für Novastan
Aus dem Französischen von Silvan Ergican
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