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Wird es in Kasachstan ein „Register ausländischer Agent:innen“ geben?

Mitte März haben die Kasachstaner:innen erfahren, dass der Finanzminister „ein Register der Personen, die Geld oder anderes Eigentum aus ausländischen Quellen erhalten haben“, genehmigt hat. Aktivist:innen sehen Parallelen zur Liste ausländischer Agenten, die vom Justizministerium der Russischen Föderation geführt wird. Masa Media erläutert, inwieweit ein Risiko besteht, dass sich das russische Szenario in Kasachstan wiederholt.

Kasachstans Hauptstadt Astana: Hier wurde die Einführung eines „Registers ausländischer Agent:innen“ beschlossen (Symbolbild), Photo: Wikimedia Commons

Mitte März haben die Kasachstaner:innen erfahren, dass der Finanzminister „ein Register der Personen, die Geld oder anderes Eigentum aus ausländischen Quellen erhalten haben“, genehmigt hat. Aktivist:innen sehen Parallelen zur Liste ausländischer Agenten, die vom Justizministerium der Russischen Föderation geführt wird. Masa Media erläutert, inwieweit ein Risiko besteht, dass sich das russische Szenario in Kasachstan wiederholt.

Kasachstan plant die Einführung eines „Registers ausländischer Agenten“. Ein solches Gesetz kennt man bereits aus Russland. Doch inwieweit bestehen Parallelen? Kasachstanische Beamte antworteten, dass das neue Register die Transparenz und das Vertrauen in Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Land erhöhen würde.

Die Liste wird auf der Grundlage von Steuerberichten erstellt, die NGOs seit mehr als fünf Jahren einreichen. Das Register kann jedoch auch Bürger:innen der Republik Kasachstan erfassen – Aktivist:innen, Journalist:innen und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

Wie ist das „Register ausländischer Agenten“ entstanden?

Laut Svetlana Ushakova, Direktorin der Stiftung des Instituts für nationale und internationale Entwicklungsinitiativen (INMIR), begann die Geschichte der „ausländischen Agenten“ im Land vor fünf Jahren. Damals beschloss der Staat, die Abgabenordnung zu ändern, wonach NGOs aus dem Ausland erhaltene Gelder oder Vermögenswerte melden mussten.

„Als Meldepflichtige werden seit 2018 natürliche und juristische Personen bezeichnet. In dieser Zeit hat sich nichts geändert, das Problem ist nicht verschwunden. Jetzt ist eine neue Runde damit verbunden, dass diese Daten öffentlich zugänglich gemacht werden“, erklärt Ushakova.

Die INMIR-Direktorin versteht nicht, wie normale Bürger:innen diese Berichte einreichen sollen und sie hat Zweifel, dass die Steuerbehörden selbst dies verstehen. „Die allgemeine Erklärung wird in Kasachstan im Jahr 2025 eingeführt. Die Gesetze und Vorschriften enthalten keine klaren Anweisungen oder Richtlinien darüber, wer, wie und in welcher Form Meldungen [über den Erhalt von Geld und Eigentum aus dem Ausland] einreichen soll. Als beispielsweise NGOs 2018 mit der Einreichung begannen, entstand ein großes Problem mit den Steuerbehörden. Sie waren nicht bereit und wussten nicht, wie sie diese Berichte akzeptieren sollten. Wenn wir über Einzelpersonen sprechen, kann ich vorhersagen, dass ähnliche Probleme auch auftreten werden“, sagt Ushakova.

Warum führt der Staat ein „Register ausländischer Agenten“ ein?

Kasachstans Finanzminister Erulan Jamaúbaev beantwortete im Mai Fragen von Journalist:innen zu seiner Anordnung. Er erklärte, dass es in Kasachstan kein Konzept für „ausländische Agenten“ gebe, sondern lediglich eine Regelung, die die Finanzierungsquelle dokumentiere.

Der Anwalt und Menschenrechtsaktivist des „Kasachstanischen Büros für Menschenrechte“, Artur Alhastov, sieht im Land eine Tendenz, die auf eine Wiederholung des russischen Szenarios hindeuten könnte. Die Wurzeln dafür sieht der Experte in der sowjetischen Vergangenheit

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„Politstrategen in der UdSSR haben Europa und die USA als die wichtigsten strategischen Feinde ausgemacht. Heute wird die Bedrohung im Land bei staatsunabhängigen Organisationen gesucht. Vor allem, wenn sie für Menschenrechte kämpfen“, meint Alhastov.

Svetlana Ushakova schlägt vor, dass der Staat ein „Register“ einführen könnte, um die Finanzierung des Terrorismus wirksam zu bekämpfen. Ihrer Meinung nach könnten die Beamten denken, dass dies hauptsächlich über NGOs geschieht. Eine solche Logik sei jedoch nicht sinnvoll: Terrorismusfinanzierung kann auch durch kommerzielle Unternehmen erfolgen.

Wie sieht das kasachstanische Register aus?

In der Anordnung des Finanzministers heißt es, dass die Informationen für das Register aus der Datenbank von Personen entnommen werden, die Geld oder andere Vermögenswerte von ausländischen Staaten, internationalen und ausländischen Organisationen, Ausländer:innen und Staatenlosen erhalten haben. Diese Datenbank wird auf der Grundlage von Steuerberichten erstellt, die von NGOs eingereicht werden.

Die Redaktion von Masa Media hat sich mit Fragen zum Register an das kasachstanische Finanzministerium gewandt. Dieses gab in seiner Antwort an, dass natürliche und juristische Personen in Kasachstan gemäß dem Steuermeldeformular 018.00 („Informationen über den Erhalt und die Verwendung von Geldern und/oder anderen Vermögenswerten, die sie von ausländischen Staaten, internationalen Organisationen erhalten“) erfasst werden.

Das Register wird am Ende jedes Halbjahres veröffentlicht, nachdem die entsprechenden Berichte eingereicht wurden. Das Finanzministerium ist der Ansicht, dass diese Änderung darauf abzielt, „das Vertrauen der Bürger sowohl in den Staat als auch in Nichtregierungsorganisationen zu stärken“. Das Register wird auf der Website kgd.gov.kz veröffentlicht. Die erste Liste, die hauptsächlich NGOs umfasst, ist hier zu finden.

Eine Streichung aus dem Register ist möglich, wenn nachgewiesen wird, dass keine Gelder oder Vermögenswerte aus ausländischen Quellen bezogen wurden. Die Regeln sehen vor, dass die Streichung aus dem Register in folgenden Fällen von der zuständigen Behörde vorgenommen wird: bei der Übermittlung von Informationen, die einer Berichtigung bedürfen (fehlerhafte Eintragungen, Änderungen und Ergänzungen von Informationen, Mitteilungen) oder wenn die Streichung von einem Gericht beschlossen wird.

Wozu könnte das „Register ausländischer Agenten“ in Kasachstan führen?

Im März dieses Jahres reagierte der Menschenrechtsbeauftragte der Republik Kasachstan, Artur Lastaev, auf mögliche Bestimmungen zu „ausländischen Agent:innen“ in der Gesetzgebung. Ihm zufolge steht eine solche Initiative nicht auf der Tagesordnung. „Wenn diese Frage aufgeworfen wird, werden wir natürlich unsere eigene Prüfung durchführen. Wir verfügen über eine große Belegschaft, es gibt Leute mit entsprechender Fachausbildung. Wir werden dies grundsätzlich beurteilen und auf jeden Fall unsere Meinung dazu äußern“, erklärte Lastaev.

Der Menschenrechtsbeauftragte fügte außerdem hinzu, dass die Steuerbehörden „ihre Politik strikt im Rahmen fiskaler Interessen für Steuerzwecke umsetzen“. Lastaev liegen keine Beschwerden vor, dass unter dem Deckmantel der Finanzpolitik Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Daher betont er, dass „keine Verstöße festgestellt werden können“.

Im Sommer 2022 legte Kasachstans Justizministerium einen Entwurf zur Änderung des Gesetzes „Über Wahlen“ vor. Die Regierungsbehörde schlug die Einführung einer Akkreditierung für NGOs vor, die Wahllokale am Wahltag beobachten. Demnach sollten nur Organisationen, die bestimmte Kriterien erfüllen, als Wahlbeobachter zugelassen werden.

Eine Akkreditierung kann nur solchen NGOs erteilt werden, deren Satzung die Durchführung von Wahlbeobachtungen vorsieht. Der erste Gesetzesentwurf enthielt auch eine Klausel, die Organisationen ausschloss, welche im vergangenen Jahr Gelder aus dem Ausland erhalten hatten. Das Wahlgesetz wurde im Herbst 2022 ohne eine Bestimmung zur ausländischen Finanzierung verabschiedet. Schon damals erinnerten Aktivist:innen daran, dass die kasachstanischen Behörden seit Jahrzehnten versuchen, die Arbeit von NGOs im Land einzuschränken.

INMIR-Direktorin Svetlana Ushakova hält die Versuche, die Einführung des „Registers“ mit der „Stärkung des Vertrauens der Bürger in NGOs“ zu rechtfertigen, für absurd. Ihre Organisation kennzeichne beispielsweise immer Publikationen, die mit Zuschüssen ausländischer Spender:innen erstellt wurden.

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„Wir kennzeichnen alle unsere Daten, so steht es in der Vereinbarung mit dem Geldgeber. Wenn wir Zuschüsse erhalten, gibt es auch eine Bankkontrolle. Es wird ein Antrag geschrieben, eine Kopie der Vereinbarung mit Übersetzung beigefügt und nach einem Bankscheck erhält die Organisation das Geld“, sagt Ushakova.

Artur Alhastov ist der Meinung, dass der Staat bei der Rückführung von illegal aus Kasachstan exportiertem Kapital effektiver vorgehen sollte. Er schlägt vor, ein entsprechendes Register von Beamten und anderen Bürger:innen einzuführen, die im Ausland über Konten und Vermögen in Milliardenhöhe verfügen.

„Der Staat kann eine solche Liste auch auf der Website des Komitees für Staatseinnahmen oder einer anderen Regierungsbehörde veröffentlichen. Jeder kasachstanische Staatsbürger wird dort die Möglichkeit haben, die Namen von Beamten einzusehen, die irgendwo in Europa eine Villa oder mehrere Konten bei einer Schweizer Bank besitzen. Ich glaube, dass Steuerzahler Zugang zu solchen Daten haben sollten“, fasst Alhastov zusammen.

Aıdar Elkeev für Masa Media

Aus dem Russischen von Robin Roth

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