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Kirgistan: Abschied von der Demokratie und Übergang zu einem autoritären Staat

Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Gewissensfreiheit – all das, was Kirgistan bis vor kurzem von seinen zentralasiatischen Nachbarn unterschied, gehört der Vergangenheit an. Präsident Sadyr Dschaparow nutzt die Konflikte Russlands und Chinas mit dem Westen, um einerseits mit Reexporten Geld zu verdienen und Investitionshilfen zu erhalten, andererseits Putins grausamste und ungerechteste Gesetze zu kopieren. Damit nähert sich das Land zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit seinen diktatorischen Nachbarn an.

Präsident Sadyr Dschaparow übernimmt demokratiefeindliche Gesetze Russlands, Photo: Wikimedia Commons.

Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Gewissensfreiheit – all das, was Kirgistan bis vor kurzem von seinen zentralasiatischen Nachbarn unterschied, gehört der Vergangenheit an. Präsident Sadyr Dschaparow nutzt die Konflikte Russlands und Chinas mit dem Westen, um einerseits mit Reexporten Geld zu verdienen und Investitionshilfen zu erhalten, andererseits Putins grausamste und ungerechteste Gesetze zu kopieren. Damit nähert sich das Land zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit seinen diktatorischen Nachbarn an.

Laut Freedom House waren 2020 in Kirgistan rund 30.000 gemeinnützige Organisationen registriert. Eine so hohe Zahl von NGOs ist unter anderem auf die Armut des Staates zurückzuführen. Er kann seinen verfassungsmäßigen Verpflichtungen gegenüber der Bevölkerung nicht nachkommen und ist deswegen seit 30 Jahren auf die Hilfe internationaler Geldgeber und gemeinnütziger Organisationen angewiesen.

Aktive Zivilgesellschaft statt effiziente Staatshilfe

Bildung, Medizin, Wasserversorgung, Menschenrechtsarbeit, Wohnungsbau, Medien, Wohltätigkeit, Kultur, öffentliche Verwaltung – kaum ein Bereich in Kirgistan, in dem nicht gemeinnützige Organisationen tätig sind. Ihr Beitrag zur Entwicklung des Landes ist von unschätzbarem Wert. Ein wichtiger Nebeneffekt dieser Hilfe ist eine lebendige Zivilgesellschaft, eine für Zentralasien seltene Diskussionsfreiheit und ein hohes Maß an Selbstorganisation der Bevölkerung.

Gegen die Zivilgesellschaft kämpfen der Präsident, Sadyr Dschaparow, und der Chef des Nationalen Sicherheitskomitees, Kamtschybek Taschijew, seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2020. Sie spielen mit den patriarchalischen Vorurteilen der weniger gebildeten Bevölkerung und setzen bewusst auf die Archaisierung der Gesellschaft und die Militarisierung des Staates. Während die Bevölkerung LGBTI-Personen für Steuererhöhungen und die Anhebung des Rentenalters verantwortlich macht, schießen im ganzen Land Sonderdienststellen und Militärlager aus dem Boden, werden Waffen gekauft und eine privilegierte Kaste von Ordnungshütern aufgebaut.

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Steter Demokratieabbau und das „Gesetz über ausländische Agent:innen“

Freedom House bezeichnete Kirgistan bereits 2020 als konsolidiertes autoritäres Regime, in dem die Zivilgesellschaft „die gesündeste demokratische Institution“ sei. Es sieht nicht so aus, als würde das Dschaparow-Regime vor den verbliebenen demokratischen Institutionen und Elementen haltmachen.

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Die Regierung hat Demonstrationen 2022 faktisch verboten und ein Mediengesetz aus Russland übernommen, das die Schließung unliebsamer Medien ohne Gerichtsverfahren ermöglicht. So wurden Dutzende von Regimekritiker:innen aus fadenscheinigen Gründen inhaftiert – sie bleiben über Monate ohne ordentliches Verfahren hinter Gittern. In diesem Herbst soll zudem ein „Gesetz über ausländische Agent:innen“ verabschiedet werden, das von Russland kopiert wurde.

Die Bedingungen dieses Gesetzes sind kaum zu erfüllen. Jede Organisation, die Geld aus dem Ausland erhält und sich im weitesten Sinne „politisch betätigt“, wird zum ausländischen Agenten. Sie ist verpflichtet, halbjährlich über ihre Gründer:innen, die Zusammensetzung ihres Vermögens, ihre Finanzierungsquellen und die Verwendung der Gelder Bericht zu erstatten. Ebenso muss sie sich einer regelmäßigen Pflichtprüfung unterziehen, deren Kosten bei gemeinnützigen Organisationen bis zu 10.000 Dollar (ca. 9.500 Euro) betragen können.

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Die Beamten können alle Aktivitäten der Organisation prüfen und deren Übereinstimmung mit ihren Zielen überprüfen. Als Maßnahme kann die Arbeit der NGO für sechs Monate ausgesetzt und ein Strafverfahren gegen die Arbeit in gemeinnützigen Organisationen eingeleitet werden, welche die „Bürgerinnen und Bürger zur Verweigerung ihrer staatsbürgerlichen Pflichten oder zu anderen illegalen Handlungen anstiften“ – und das kann so ziemlich alles sein.

Abhängigkeit von internationaler Hilfe und Geldgebern

Sieben internationale humanitäre Organisationen äußerten sich in einem Appell an Sadyr Dschaparow „alarmiert über die eskalierende Unterdrückung von Journalist:innen und die Unterdrückung der Pressefreiheit“ in Kirgistan. Die Regierung Dschaparow betonte in ihrer Antwort ihr Bekenntnis zu demokratischen Werten und vermied es, Einzelheiten zu nennen. In Russland hat ein ähnliches Gesetz jedoch zur Schließung zahlreicher Menschenrechtsorganisationen und unabhängiger Medien geführt, deren Mitarbeitende vor die Wahl gestellt wurden, ins Gefängnis oder ins Ausland zu gehen.

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Die Folgen für Kirgistan, das stark von internationaler Hilfe abhängig ist, werden verheerend sein. Laut dem Abgeordneten Dastan Bebeschew könnte dies sogar zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen, da NGOs viele Menschen beschäftigen.

Kirgis:innen können die Behörden in den sozialen Netzwerken immer noch recht frei kritisieren und haben die Gefahren des neuen Gesetzes noch nicht erkannt. Erfahrungen aus Russland zeigen, dass es jeden treffen kann, der sich zum Beispiel gegen die Bebauung oder Abholzung eines Parks ausspricht. Denn wenn die Behörden in Kirgistan das Gesetz von Russland übernommen haben, werden sie wohl auch die Zusätze zu diesem Gesetz übernehmen, wodurch einzelne Bürger:innen zu „ausländischen Vertretern“ erklärt werden können.

Viktor Mukhin für Kloop

Aus dem Russischen von Michèle Häfliger

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