Kasachstan unterstützt den chinesischen 12-Punkte-Plan für Frieden in der Ukraine. Eine intensivere Annäherung an China muss dies aber nicht bedeuten. Peking und Astana begnügen sich laut dem Analysten Temur Umarov damit, ihrer üblichen Politik zu folgen.
Am 24. Februar, dem ersten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine, hat China eine diplomatische Lösung als Ausweg angeboten. Der Vorschlag enthält 12 Punkte, die Chinas Position der Neutralität widerspiegeln sollen, trotz der zwischen Peking und Moskau geschlossenen „grenzenlosen Freundschaft“.
Das Außenministerium Kasachstans reagierte am nächsten Tag. Das Land unterstützt die chinesische Initiative trotz der historischen Bindungen und der tiefen Verflechtung mit Russland. Die Unterstützung Chinas durch Kasachstan sollte jedoch nicht als gegen Moskau gerichtete Neuausrichtung interpretiert werden. Sie passt perfekt in die Multi-Vektor-Politik Kasachstans, die darauf abzielt, mit jeder Macht befreundet zu bleiben und gleichzeitig Abstand zu wahren. Jede Annäherung oder Distanzierung ist daher im Rahmen dieser Politik zu interpretieren.
Eine Position der Neutralität
Die 12 Punkte der chinesischen Erklärung sind eine Zusammenfassung der Außenpolitik des Landes. Sie fordern die Achtung der Souveränität aller Staaten, ein Ende der sogenannten „Kalte-Kriegs-Mentalität“, ein Ende der Kämpfe und die Aufnahme eines friedlichen Dialogs zur Beendigung der Krise. Die Antwort Kasachstans ist nach demselben Muster gestrickt. Aus der Erklärung des Außenministeriums geht hervor, dass es nicht glaubt, dass das Völkerrecht und die Vereinten Nationen die einzige Grundlage für die Lösung des Konflikts sein können.
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Neben diesem offensichtlichen Misstrauen gegenüber internationalen Institutionen behauptet Kasachstan, eine diplomatische Lösung mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft voranzutreiben. Er achtet auch darauf, nicht zwischen Russland und der Ukraine Partei zu ergreifen.
Keine revolutionäre Annäherung
Laut Temur Umarov, Experte für China und Zentralasien beim Carnegie Endowment for International Peace, gehe es lediglich darum, dass sich beide Länder im Lager der Neutralität positionieren. Auf Nachfrage von Novastan erklärt er zu Kasachstans Reaktion auf die chinesische Initiative: „Ich habe dem nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt: Kasachstan befindet sich in Bezug auf die Ukraine einfach in einer ähnlichen Position wie China.“ Diese Position ist geprägt von dem Wunsch, nicht in den Konflikt hineingezogen zu werden und möglichst neutral zu bleiben.
Keine Revolution in den chinesisch-kasachstanischen Beziehungen also. Laut Umarov handele es sich nur ein einfaches Abkommen, und die allgemeine Idee sei, „zu beweisen, dass bestimmte Länder neutral sind und Ideen zur Friedenskonsolidierung [in der Ukraine] haben“.
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Im Gegensatz zu China erwähnt Kasachstans Außenministerium in seiner Erklärung die Achtung der UN-Rechte. Angesichts der Distanzierung von diesen Grundsätzen in derselben Pressemitteilung erscheint der Wunsch, auf gutem Fuß mit jeder Macht zu stehen und gleichzeitig auf Distanz zu ihr zu bleiben, daher zentral. Somit behält Kasachstan einfach seine übliche Multi-Vektor-Politik gegenüber China bei.
Relativierte Distanzierung
Kasachstan, das einzige an Russland grenzende Land Zentralasiens, hat wie seine Nachbarn unter den Sanktionen gelitten, die seit Russlands Invasion in der Ukraine gegen Moskau verhängt wurden. So ist das Land schrittweise auf Distanz zu seinem nördlichen Nachbarn gegangen.
Wie Temur Umarov am 23. Dezember auf der Carnegie-Website erklärte, schwindet der russische Einfluss in Zentralasien tatsächlich. Aber diese Situation ist zu relativieren, ebenso wie eine vermeintliche Annäherung an China. „Kasachstan wird seine Multi-Vektor-Politik sowie eine gute Partnerschaft mit Russland beibehalten. Trotz allem, was in der aktuellen Periode gesagt wird, ist Kasachstan einfach zu sehr mit Russland verbunden, um sich von ihm zu emanzipieren“, erklärt er gegenüber Novastan. Kasachstans Distanzierung von Russland ist ein integraler Bestandteil der Multi-Vektor-Politik, ebenso wie die offensichtliche Annäherung an China oder jede andere Macht. In Zukunft und solange Kasachstan Verhandlungsspielraum mit seinen Nachbarn hat, wird diese Politik beibehalten werden.
Jean Monéger, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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