Die politische Zukunft Usbekistans nach dem Tod des Langzeitpräsidenten Islam Karimows ist mit der Ernennung Schawkat Mirsijojew zum Übergangspräsidenten und den darauf folgenden politischen Symbolhandlungen um einiges klarer. Was ist passiert und was ist zu erwarten?
Nach der Bekanntgabe von Karimows Tod am 2. September übernahm der Senatspräsident Nigmatulla Juldaschew verfassungsgemäß den Posten des Übergangspräsidenten – jedoch ohne eine offizielle Bekanntgabe von Seiten der Regierung.
Während der kurzen Präsidentschaft Juldaschews wurde er in keiner offiziellen Pressemitteilung als Übergangspräsident erwähnt. In nur einer einzigen Bekanntgabe – über Karimows Beerdigung – wurde er überhaupt genannt, jedoch nicht als Übergangspräsident, sondern nur als Oberhaupt des Senats. Auch die Pressemitteilung über die Nominierung Mirsijojews benennt seinen Vorgänger Juldaschews nicht als ehemaligen provisorischen Präsidenten.
Nach siebentägiger Präsidentschaft wandte sich Juldaschew an die beiden Parlamentskammern und „stellte den Antrag, die präsidentiellen Machtbefugnisse provisorisch auf den Premierminister Schawkat Mirsijojew zu übertragen“, wie die Regierungspresseagentur UzA berichtet.
Die beiden Kammern des usbekischen Parlaments traten zusammen und „beschlossen gemeinsam“, Schawkat Mirsijojew zum Übergangspräsidenten zu nominieren. Dieser Vorgang galt vielen als verfassungswidrig.
Doch die neue Regierung veröffentlichte die Stellungnahme eines Professors A.X. Saidow, um der Kritik zu begegnen: Saidow argumentiert, dass die Verfassung dem Senatspräsidenten an keiner Stelle verbiete, die Rolle als Interimspräsident abzulehnen. Und weil die Verfassung darüber schweigt, hätten nur die beiden Kammern das Recht, diesen Vorgang abzuwickeln und die Macht auf einen anderen Kandidaten zu übertragen.
Mirsijojew schon seit Beginn am Steuer?
Es ist nun immer offensichtlicher, dass Juldaschew niemals de facto die Regierungsgeschäfte übernahm. Schon die Bekanntgabe des Krankenhausaufenthalts Karimows unterschrieb das Ministerialkabinett, dem Mirsijojew vorsteht. Dasselbe geschah mit der Pressemitteilung über Karimows Tod. Mirsijojew stand auch dem Organisationskomitee vor, das die Beerdigung Karimows plante und die Beileidsbekundungen anderer Staatschefs annahm.
Er empfing auch den russischen Präsidenten Putin, der die Bedeutung der usbekisch-russischen Beziehungen betonte. Und nun auch offiziell als Übergangspräsident begegnete er Kasachstans Präsidenten Nursultan Narsabajew.
Obwohl Mirsijojew bisher nur Übergangspräsident ist, erscheint es als sicher, dass er als der zukünftige Präsident Usbekistans in den Wahlen, die für den 4. Dezember angesetzt wurden, bestätigt wird. Das Machtsystem Karimows scheint der neue Präsident übernehmen zu wollen.
In den letzten Wochen spekulierten viele Experten über die möglichen Risiken und Konflikte, die innerhalb der usbekischen Elite nach Karimows Tod entstehen könnten. Doch die bisherigen Vorgänge zeigen eine überraschend geschlossene usbekische Elite, was vor allem bei Karimows Beerdigung offensichtlich wurde.
Neuer Führungsstil?
Aber eines bleibt ungewiss: Wird der neue Präsident dem Land mit einem anderen Führungsstil begegnen oder bleibt alles beim Alten?
Erste Hinweise sprechen für Kontinuität. Nicht nur versprach Mirsijojew, die außenpolitische Blockfreiheit seines Vorgängers fortzusetzen. Auch die Repressionen führt die neue Regierung weiter:
Laut Quellen aus dem Innenministerium verfolgt die Polizei seit Tagen Bürger, die „Gerüchte“ über den Tod des Präsidenten über soziale Medien oder über Kommunikations-Apps beziehungsweise in Telefongesprächen verbreitet hätten.
Da der Tod Karimows inzwischen nicht bestreitbar ist, wirft die Polizei einigen Bürgern vor, falsche Informationen über das Datum des Todes und Panik über die möglichen Folgen für das Land verbreitet zu haben. Laut RFE wurden bisher mindestens 12 Menschen festgenommen.
Die Redaktion