Das Joint Venture ‚Zaravshon‘ ist das größte Goldbergbauunternehmen in Tadschikistan, steht aber zunehmend für vermutete umweltschädliche Aktivitäten in der Kritik. Zu Beginn des Jahres haben sich über 100 Einwohner aus der Umgebung mit einem öffentlichen Brief an die Behörden gewandt.
Seit bald fünf Jahren beschweren sich die Bewohner der Dörfer Sching und Kosatarosch im Bezirk Pandschakent, im Westen Tadschikistans, über die Aktivitäten des tadschikisch-chinesischen Goldbergbauunternehmens Zarafshon. Sie beklagen, das Unternehmen habe in der Region große ökologische und soziale Probleme verursacht, die nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern auch die Tier- und Pflanzenwelt bedrohen.
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Mit „Das Unternehmen Zarafshon gibt anderen Gold und uns Gift“, ist ein offener Brief betitelt, der Mitte Januar dieses Jahres auf der Seite der der Nachrichtenagentur Pressa.tj veröffentlicht wurde. Der Brief wurde von 147 Einwohnern naheliegender Dörfer unterschrieben und an den Präsidenten des Landes, Emomali Rahmon, gerichtet.
Gefährliche Kläranlagen
Das tadschikisch-chinesische Gemeinschaftsunternehmen Zarafschon fördert seit 1997 Gold in Pandschakent. Wie der Brief erläutert, hat das Unternehmen seine Kläranlage nur 300-400 Meter von einem Wohngebiet gebaut und in einem Zeitraum von 24 Jahren wurden dort drei Klärbehälter mit giftigen Chemikalien gefüllt. Der Standort dieser Anlagen in so unmittelbarer Nähe schadet der Atmosphäre, dem Boden, den Weiden und vor allem der Gesundheit der Dorfbewohner. Letztere, insbesondere ältere Menschen und Kinder, beklagen häufige Krankheiten. „In jungen Familien nehmen die Fälle von Unfruchtbarkeit zu. Außerdem gibt es immer mehr Todesfälle bei Frühgeburten“, so die Einwohner.
Im Jahr 2007 wurden 53 Hektar Land von Bürgern der Gemeinde an das Gemeinschaftsunternehmen Zarafshon für den Bau einer Kläranlage übergeben. Die Leitung des Unternehmens versprach den Bürgern, anteilig Grundstücke in anderen Gebieten des Bezirks Pandschakent zuzuweisen. Dieses Versprechen wurde jedoch nicht eingelöst. 2019 begann das Gemeinschaftsunternehmen Zarafshon mit dem Bau einer neuen Kläranlage auf dem Gebiet des Dorfes Chumgaron, neben der Wasserquelle des Dorfes, die für Trinkwasser und für die Bewässerung von 100 Hektar Land genutzt wird.
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Um den Bau zu verhindern, wandten sich die Dorfbewohner wiederholt mündlich und schriftlich an die Leitung des Unternehmens, die lokale Gemeindeverwaltung und das Exekutivorgan der Provinz Sughd. Laut den Aussagen der Dorfbewohner schenkte ihnen jedoch niemand Beachtung. „Wenn der Bau dieser Einrichtung notwendig ist, fordern wir, dass das Zarafshon Gemeinschaftsunternehmen den Bewohnern Wohnraum in einer anderen Region zur Verfügung stellt. Leider beschloss das Unternehmen, nur 47 von 147 Haushalten umzusiedeln“, schrieben die Dorfbewohner der oben in dem offenen Brief.
Bisherige Gespräche über den Stopp des Baus einer neuen Kläranlage hätten keine ausreichenden Ergebnisse erbracht. Die Leitung von Zarafshon setze den Bau der Kläranlage trotz der Beschwerden und Einwände der Anwohner von Chumgaron willkürlich fort. Sie beabsichtigen, die Bauarbeiten abzuschließen und eine – laut Einschätzung der lokalen Einwohner – „dermaßen gefährliche Anlage“ bis zum Ende des laufenden Halbjahres in Betrieb zu nehmen. Jede Äußerung von öffentlichem Protest, der vor allem von Frauen getragen wird, findet bei den Behörden und dem Goldbergbauunternehmen Zarafshon kein Gehör.
Fischsterben in der Nähe einer Kalkfabrik
Die Kläranlage ist nicht die einzige Klage von Bewohnern des Bezirks Pandschakent über die Aktivitäten von Zarafshon. Im Juli 2019 wurde am Ufer des Sching-Flusses ein massives Fischsterben festgestellt. Der lokale Einwohner, Journalist und Dichter Ismoil Zarifi war einer der ersten, die dagegen protestierten. Zarifi vermutete, das Fischsterben sei durch die Abwässer der Kalkfabrik Zarafshon verursacht, die in den Fluss geleitet werden. Dabei entspringt der Sching-Fluss aus dem Gebiet der Sieben Seen (Haftkul) und gilt als eine der umweltfreundlichsten Wasserquellen im Zarafshon-Tal.
Zarifi forderte die tadschikische Führung, einschließlich des Gouverneurs der Region Sughd auf, unverzüglich auf die durch das tadschikisch-chinesische Joint Venture verursachte Umweltkatastrophe zu reagieren. Es kam tatsächlich eine Reaktion von Seiten des Umweltschutzkomitees der tadschikischen Regierung: Eine Gruppe von Mitarbeitern der Behörde leitete eine Untersuchung der Ursachen des massiven Fischsterbens ein. Auf einer Pressekonferenz Ende Juli 2019 erklärte der stellvertretende Leiter der Umweltschutzabteilung der Region Sughd, Bunyod Abdumaliksoda, die Experten des Komitees haben 50 Meter vom Ufer des Flusses Sching entfernt eine Deponie mit Kalkabfällen gefunden, die zum Goldbergbauunternehmen Zarafshon gehört: „Der Schaden belief sich auf etwa 200 Tausend Somoni (knapp 19.000 Euro), und es wurde eine Geldstrafe von 11 Tausend Somoni (gut 1000 Euro) verhängt“, so Abdumaliksoda gegenüber Journalisten.
Der stellvertretende Chefökologe des Gebiets Sughd ignorierte jedoch die Frage nach den Abwässern. Seiner Meinung nach führte das heiße Sommerklima und Schäden am Flussufer dazu, dass Teil der Kalkabfälle in den Fluss gelangte: „Ein großer Wasserstrom zerstörte den Damm des Sees, das Wasser trat aus, und die Fische blieben ohne Wasser zurück und starben in einer Schlammlawine“, betonte Abdumaliksoda, „außerdem haben die Ergebnisse von drei Expertenuntersuchungen das Vorhandensein von giftigen Substanzen in den Körpern der toten Fische nicht bestätigt“.
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Im Jahr 2010 wurde im Dorf Sching, in der Nähe des gleichnamigen Flusses, die Kalkproduktionsanlage ‚SP Zarafshon LLC‘ errichtet. Dort stehen zwei Öfen zum Brennen von Kalk, der für die Goldbearbeitung verwendet wird. Das Unternehmen beschäftigt 16 Mitarbeiter und produzierte im Jahr 2021 7200 Tonnen Kalk. Eine Inspektion durch die Umweltbehörde im Juli 2019 stellte keine starken Abweichungen von den geltenden Normen: „Die Kalkproduktionsanlage wurde im Rahmen des Baus der Goldmine errichtet. Die sozioökonomischen Bedingungen und die Gesundheit der Anwohner sowie die Auswirkungen auf die Umwelt wurden beim Bau dieses Unternehmens berücksichtigt“, erklärte der stellvertretende Leiter des Umweltschutzausschusses.
Kalk für Gold und Gift für das Volk
Im Jahr 2017 hatten hingegen Journalisten des Zentrums für investigativen Journalismus in Tadschikistan die Umweltverschmutzung in Zarafshon untersucht. Sie deckten viele unterschwellige Probleme auf, die den einfachen Menschen in der Region unbekannt waren. Das Ergebnis der Untersuchung wurde um Juli 2017 unter dem Titel „Kalk für Gold und Gift für das Volk“ von der lokalen Nachrichtenagentur Sughdnews veröffentlicht. In dem Artikel wird hervorgehoben, dass die tägliche Emission von dickem, stinkendem und giftigem Rauch aus der Kalkfabrik die Einwohner naheliegender Dörfer verschiedenen Krankheiten aussetzen.
Sie berichten, die Anlage habe seit ihrer Inbetriebnahme Menschen, Pflanzen, Tieren und Ernten großen Schaden zugefügt. Außerdem haben sie mehrfach an die Leitung des Goldbergbauunternehmens Zarafshon, die lokalen Behörden und andere Entscheidungsträger appelliert, aber bislang ohne Ergebnis. Dabei war bereits zum Zeitpunkt des Baus der Kalkfabrik im Jahr 2010 ein Gutachten der Umweltkommission zu folgendem Schluss gekommen: „Es ist zu beachten, dass die vorgeschlagene Tätigkeit die Umwelt auf verschiedene Weise beeinträchtigen kann, zum Beispiel durch Auswirkungen auf die Atmosphäre, auf die Wasserressourcen, auf Flora und Fauna und auf Veränderungen in der Landschaft des ausgewählten Gebiets. Daher müssen bei der Erstellung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für eine geplante Anlage die Wahrscheinlichkeit ihrer Auswirkungen auf die Umwelt und Möglichkeiten zu ihrer Abschwächung aufgezeigt werden.“
Nach Angaben von Branchenexperten wird bei der Aufbereitung von Kalk aus den Öfen organischer Staub – Kohlenmonoxid, Stickstoffdioxid und Schwefeldioxid – in die Luft abgegeben. Bei der Abfallfiltration werden 80 Prozent des Staubes herausgefiltert. Die Menge der Emissionen in die Luft hängt von der Produktionskapazität der Anlage ab. Aber auch weitere Aspekte der Produktion, wie etwa Maschinenlärm und Bodendegradation, können sich negativ auf die Umwelt auswirken. Die Journalisten stellen fest, dass die Stellungnahme der Umweltkommission zwar angenommen wurde, die absolute Mehrheit der darin enthaltenen Punkte jedoch nicht erfüllt wurde. Kamil (Name auf Wunsch geändert), ein Einwohner des Dorfes Raschna im Bezirk Pandschakent, stellt fest, dass er seit etwa zehn Jahren auf seinem Gartengrundstück nichts mehr anbauen kann. Die Bäume tragen keine Früchte. „Die Quelle der Umweltverschmutzung sind Rauch und Emissionen aus der Zarafshon-Goldmine„, betont Kamil. Bei einer Untersuchung durch zwei führende Journalisten in Tadschikistan erklärten einige Manager, die Kalkfabrik sei ein eigenständiges Unternehmen sei, das nicht dem Joint Venture Zarafshon unterstellt sei. Tatsächlich aber sei laut vorliegenden Firmendokumenten das Gegenteil der Fall.
Ein ‚geheimes‘ Joint Venture
Die Firma Zarafshon selbst ist ein Joint Venture zwischen Tadschikistan und China. Die Gründer des Unternehmens sind das Ministerium für Industrie und neue Technologien Tadschikistans und das chinesische Unternehmen ‚Zidschin‘. Derzeit befinden sich 30 Prozent des Aktienkapitals im Besitz der tadschikischen Regierung und die restlichen 70 Prozent im Besitz des chinesischen Partnerunternehmens. Laut Angaben der tadschikischen Nachrichtenseite Asia Plus besteht das Unternehmen seit 1994 und fördert 70 Prozent der Goldproduktion von Tadschikistan. Gemäß den Bestimmungen der Vereinbarung zwischen den Gründern von Zarafshon sind Informationen über Produktion, technologische Innovationen, Management, Finanzplanung und andere Aktivitäten des Unternehmens vertraulich.
Das Unternehmen ist ein Geheimunternehmen, und es erfordert große Anstrengungen, um an Informationen zu seinen Arbeitsabläufen zu gelangen. Dazu muss man die Erlaubnis der Unternehmensgründer einholen, die journalistische Anfragen meist ignorieren. Die Zeit wird zeigen, ob die öffentlichen Appelle der 147 Einwohner des Dorfes Chumgaron zu positiven Ergebnissen führen werden und, ob die Umwelt- und Sozialprobleme der Region, die sich seit Jahren angesammelt haben, gelöst werden. Bislang scheint der politische Wille dazu gering, zumal die Firma Zarafshon einen wichtigen Platz in der tadschikischen Wirtschaft einnimmt.
Im Jahr 2017 wurde das Gemeinschaftsunternehmen Zarafshon zusammen mit der Mining Company of Tajikistan und China im Rahmen des von den tadschikischen Behörden ausgeschriebenen Wettbewerbs um den Titel des besten Steuerzahlers des Landes ausgezeichnet. Nach Angaben des tadschikischen Finanzministeriums belief sich die gesamte Auslandsverschuldung des Landes am 1. Januar 2022 auf 3,3 Milliarden US-Dollar (ca. 3 Milliarden Euro) bzw. 37,6 Prozent des BIP. Auf China entfallen 1,39 Milliarden US-Dollar (1,27 Milliarden Euro) – fast 34 Prozent der Auslandsschulden Tadschikistans.
Aziz Rustamov Journalist für Novastan.org
Aus dem Russischen von Florian Coppenrath
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