Kasachstan setzt den Wert seiner Währung enorm herab – Das teilte die kasachstanische Nationalbank am Dienstag mit. Ein Dollar ist damit ungefähr 185 Tenge wert. Man reagiere damit auf die angespannte Lage auf den globalen Finanzmärkten. So hatte erst im Jänner die US-Notenbank beträchtliches Kapital von den BRICS-Ländern abgezogen und den russischen Rubel markant abgewertet. „Die Wirtschaft Kasachstans ist eng in die globale Wirtschaft integriert, und die Nationalbank kann die Lage auf den globalen Finanz- und Handelsmärkten nicht ignorieren“, heißt es in der Pressemitteilung der Nationalbank.
Bereits vorige Woche sagte der Präsident der Nationalbank, Kairat Kelimbetov, zahlreiche Abwertungen in Entwicklungsländern voraus, während er sich bei der Stabilität des Tenge damals noch zuversichtlich zeigte. Nun stehe Kasachstan in eine Reihe mit weiteren „belagerten Wirtschaften“, wie der Ukraine oder der Türkei, berichtet die New York Times.
Finanzanalysten überrascht
Der Tenge wurde im November 1993 erstmals in Umlauf gesetzt. Damit war Kasachstan einer der letzten GUS-Staaten, der eine eigene Währung einführte. Seit September 2013 wird der Kurs des Tenge im Verhältnis zu einem Währungskorb einschließlich Dollar, Euro und Rubel berechnet. In dem Sinne ist die Abwertung wenig überraschend. Dennoch fällt ihr Ausmaß besonders hoch aus. „Die Abwertung hat viele überrascht, da die Zentralbank versicherte, die Währung sei stabil. Aber man muss realistisch sein. Was ist der Tenge? Das ist der Rubelkurs mal fünf. Das ist eine geprüfte Formel.“, sagt Damir Seysebajew, Finanzanalyst bei Private Asset Management in Almaty.
Der „ schwarze Dienstag“
Kurz nach der Ansage war die Lage in Kasachstan schnell angespannt. Einige Läden haben Dienstagnachmittag geschlossen, um ihre Preise an den neuen Kurs anzupassen, und auch Wechselstuben schlossen ihre Türen oder boten besonders unattraktive Raten an, um Spekulationen zu vermeiden. Diese Geldentwertung – die größte seit der Finanzkrise 2009 – weckt Erinnerungen an die Zeit unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als eine starke und unvorhersehbare Inflation die kasachstanische Wirtschaft überfiel.
Der Tag danach: Viele Preise in Almaty sind unverändert geblieben. Nur die Technik ist merkbar teurer geworden, im Durchschnitt um 20 bis 30 Prozent. Trotz der scheinbaren Ruhe, zeigen Supermärkte unmittelbare Reaktionen auf den Einbruch des Tenge. Wie das Internetmagazin Vlast.kz berichtet, stehen Regale mit Zucker, Mehl und gesalzener Butter leer. Viele hätten sich noch am selben Abend gezielt mit Reserven an haltbaren Produkten eingedeckt.
Gewinner und Verlierer
Für viele Haushalte und Kleinunternehmer bedeutet die Abwertung einen Einbruch der Einkünfte und Ersparnisse. So waren auch die Reaktionen auf den Straßen und den sozialen Netzwerken überwiegend negativ. Ziel der verbalen Angriffe ist vor allem Nationalbank-Chef Kelimbetov. Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch gab sich dieser dennoch gelassen: Er erfreue sich seiner neuen Popularität, und rufe die Bevölkerung zur Ruhe auf. Alle regulierenden Kräfte der Regierung sollen eingesetzt werden, um einen zu starken Preisanstieg zu vermeiden. Seine Lieblingskarikatur sei ein Poster, das ihn auf einem parodierten Filmplakat zu „The Wolf of Wall Street“ abbildet : „Ich freue mich sehr, dass die Kasachstanen einen Sinn für Humor behalten“, bemerkte er dazu.
Auf Seiten der Großunternehmer und Exporteure erhoffe man sich von der Währungsabwertung einen positiven Einfluss auf die nationale Wirtschaft. So solle die Konkurrenzfähigkeit nationaler Exportgüter durch niedrige Preise erhöht werden, während der nationale Markt von teurer gewordenen Importen weiter geschützt werde. Rahim Oshakbajew, vom Verwaltungsrat der nationalen Unternehmerkammer Kasachstans, spricht sich über die Abwertung positiv aus : „Der neue Wechselkurs wird offensichtlich die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte Kasachstans deutlich verbessern. Die entsprechenden Aktien an der londonder Börse haben schon merkbar an Wert gewonnen“.
Online-Foren quellen vor Ärger über
Kasachstan erlebt die Abwertung seiner Währung bereits zum dritten Mal seit der Gründung der Nation. Etwa im Zehn-Jahres-Rhythmus (1999, 2009 und 2014) verlieren die Ersparnisse der Kasachstaner an Wert. Gerüchte über eine erneute Abwertung gibt es bereits seit einem Jahr, doch die Regierung hat diese stetig dementiert. Manche haben sich darauf vorbereitet und ihre Dollar-Vorräte aufgefüllt. Aber dieses Verhalten hat die Situation noch verschärft. Die Analysten haben vorhergesagt, dass das Dollar-Niveau 170 erreichen werde, nun sind wir bei 185 Tenge.
Die jüngste Abwertung bringt sicherlich mehr Verlierer als Gewinner: Diejenigen, die Dollar-Kredite haben, die Anleihen in Tenge halten, und Kleingewerbetreibende. Die Preise steigen trotz aller Gegenmaßnahmen der Regierung. Sie und die Banken riskieren dadurch einen Vertrauensverlust der Bevölkerung. Der Anteil der Kreditnehmer wird wahrscheinlich zurückgehen, haben doch einige in den 23 Jahren des jungen Kasachstan zum dritten Mal ihr Geld verloren.
Jetzt liegt es an den Banken, das Vertrauen ihrer Kunden zurückzugewinnen. Die BI Group, zum Beispiel, hat schon angekündigt, Dollarimmobilien zu einem kurs von 175 Tenge anzubieten, was nur der Verteuerung von importierten Einbauten, wie Fahrstühlen, entspricht. Trotz allem ist die aktuelle Stimmung in Kasachstan nicht aggressiv. Die Leute gehen nicht auf die Straßen, um zu streiken, zerstören keine Geschäfte; es gibt auch keinen gewaltsamen Widerstand gegen die Polizei. So versammelte auch die gestrige Demonstration vor der Nationalbank nur 40 bis 50 Bürger. Der Unmut der Menschen zeigt sich in den unzähligen Kommentaren im Internet. Internetforen sind übervoll mit sarkastischen Aussagen über den Nationalbank-Chef Kairat Kelimbetov. Viele haben Angst, dass nun der 20.000er-Geldschein in Umlauf kommt, was laut Expertenmeinung mit der zu erwartenden Inflation sehr wahrscheinlich erscheint. Auch nach der letzten Abwertung 2009 wurde ein neuer Schein um 10.000 Tenge gedruckt.
Kritiker meinen, die Auswirkungen der Abwertung verteilen sich so ungleichmäßig auf die Gesellschaft. Ohne begleitende Maßnahmen, um die wirtschaftliche Lage von Einzelleuten und dem KMU Sektor riskiert Kasachstan so eine weitere Erhöhung der Ungleichheiten. – Zumindest gibt sich Kelimbetow beruhigend: „eine zweite Abwertung wird es nicht geben“.
Alina Kozhakhmetova
Journalistin für Novastan.org Kasachstan
Redaktion: Florian Coppenrath und Daniela Neubacher