Mira Dschangaratschewa hat ihre Kündigung beim Ministerium für Kultur eingereicht. Dies steht in Zusammenhang mit der Feminnale, einem feministischen Kunstfestival, das seit dem 27. November in der kirgisischen Hauptstadt stattfindet.
Die Direktorin des Museums der Schönen Künste in Kirgistans Hauptstadt Bischkek hat ihre Kündigung eingereicht. Der Schritt erfolgte am 2. Dezember, kurz nachdem ein feministisches Festival einen nationalen Skandal ausgelöst hatte.
Die sogenannte Feminnale begann am 27. November in der kirgisischen Hauptstadt. Die Ausstellung sollte 17 Tage lang dauern, eine symbolische Zahl, die an die 17 kirgisischen Arbeiterinnen erinnert, die vor drei Jahren in Moskau bei einem Unfall in einer Lagerhalle ums Leben gekommen sind.
Laut den Kuratorinnen behandele das Festival die finanzielle Unabhängigkeit der Frau. Das Thema würde anhand des Konzepts der Kormilitsa präsentiert, jenem Ideal der Frau als Ernährerin und Kinderbetreuerin. Die Werke bezeugten jene Normen, die die Rolle, den Körper und die Identität der Frauen bestimmen.
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Die Reaktionen sind gespalten, insbesondere in den sozialen Medien. Die Abgeordnete Machabat Mawljanowa der Partei Respublika Ata-Shurt forderte auf Facebook die Entlassung jenes Museumspersonals, das die Ausstellung genehmigt hatte, und wies dabei auf die Wichtigkeit traditioneller Erziehung für die jungen Frauen des Landes hin. Die Bewegung Kyrk-Tschoro, bekannt für ihre anti-feministischen und gegen LGBT gerichtete Aktionen, brachte gegenüber der Regierung ebenfalls ihre Ablehnung zum Ausdruck. Mira Dschangaratschewa bestätigte dem kirgisischem Medium 24.kg, sie sei zum Rückzug gezwungen worden, nachdem sie Drohungen von patriotische Gruppen erhalten habe.
Nacktheit ruft Polemik hervor
Kontrovers sind vor allem jene Werke, die sich zugunsten der Rechte der LGBT-Community, sowie des Rechts zur Abtreibung ausdrücken, aber auch die Nacktheit in einigen Werken empört. Trotz der großen Menge an unterschiedlichen Arbeiten, zitiert die Presse systematisch ein Werk von Julie Savery. Die dänische Künstlerin präsentierte bei der Eröffnung ein „umgekehrtes Striptease“, und lud das Publikum ein, über die Situation von Sexarbeiterinnen zu reflektieren.
Die Botschaft kam bei einigen Besuchern aber nicht gut an. „Die Ausstellung entält auch Slogans zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Wir glauben es handelt sich hier um einen verfassungswidrigen Aufruf. Es ist wichtig zu überprüfen, ob auch Minderjährige das Museum besucht haben, denn es wurden nackte Frauen gezeigt. Sollte das der Fall sein, wird es als pornographische Propaganda behandelt werden müssen“, äußerte sich der Aktivist Aibek Busurmankulow gegenüber dem Medium 24.kg
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Laut der Regierung sei das Festival nicht nach der vereinbarten Absprache abgelaufen: Anstatt sich auf die wirtschaftliche Situation der Frauen zu konzentrieren, bevorzuge das Festival eine Sprache zum „Schock und zur Desorientierung der Gesellschaft“, berichtet das unabhängige kirgisische Medium Kloop. Der Kulturminister Asamat Jamankulow betonte ebenso, dass Nacktheit in einem „Tempel der Kultur“ von der Regierung nicht unterstützt werde.
Rosa Otunbajewa verteidigt die Feminnale
Die ehemalige Präsidentin Kirgistans (2010-2011) und Diplomatin Rosa Otunbajewa hingegen verteidigte die feministische Initiative: „Das Ministerium für Kultur hat heute eine Erklärung unter dem Druck der Debatten in den sozialen Medien veröffentlicht. Die Ausstellung ist ernsthaft, tiefgründig und innovativ. Man muss sie besuchen und darüber nachdenken und sie nicht einfach bespucken und verfluchen“, entgegnete sie auf Anfrage von Kaktus Media.
Auch die Mitarbeiter des Museums unterstrichen, dass die Ausstellung, die 24 Werke aus 22 unterschiedlichen Ländern vereint, eine unüblich hohe Zahl an Besuchern angezogen hätte. Auf der Facebook-Seite der Feminnale bedauern zahlreiche Einträge diesen „schwarzen Tag“, an dem Mira Dschangaratschewa zurücktreten musste, „eine von denen, die am meisten für das Museum getan und gegeben haben“, präzisiert eine junge Frau.
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Zwei kirgisische Studentinnen, mit denen Novastan sich getroffen hat, zeigen Bewunderung für den Mut der Künstlerinnen zu dieser Ausstellung und begrüßen das Engagement der Organisatorinnen, solch ein avantgardistisches Projekt für die Region auf die Beine zu stellen. Für sie trägt Kunst zur Feminismus-Debatte in Kirgistan bei. „Ich glaube Kunst muss politisch sein, und die Feminnale ist das. Sie war emotional, unbequem und stark. Sie hat die Augen geöffnet, und ich bin froh, dass dieses Festival stattgefunden hat“, sind sich die beiden einig.
Und jetzt?
Muss man von der Feminnale schon in Vergangenheitsform sprechen? Die Organisatorinnen kommunizieren seit Beginn der Polemik über die Facebook-Seite von Bishkek Feminist Initiative. Mit Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen schrieben sie einen offenen Brief an das Ministerium, mit der Aufforderung, die Ausstellung aufrecht zu erhalten und die Kündigung von Mira Dschangaratschewa zu wiederrufen. Eine Petition wurde bereits ins Leben gerufen mit dem Hashtag #ямыфеминнале („ich, wir sind Feminnale“). Am Abend des 2. Dezembers kündigte das Museum an, die Ausstellung gehe am nächsten Tag weiter.
Am Dienstag, 3. Dezember, verkündete Kulturminister Jamankulow auf einer Pressekonferenz seine Unterstützung für die Ausstellung und versprach Schutz für Dschangaratschewa. Allerdings wurden alle Veranstaltungen, die Nacktheit offenbaren, untersagt aus „Rücksicht auf unsere Mentalität“, wie der Minister erklärte. Sechs Werke, die als zu provokativ gelten, wurden aus der Ausstellung entfernt.
Die Oranisatorin des Festivals Altyn Kapalowa ermutigt die Gemeinschaft dazu, sich weiter für den Feminismus einzusetzen. In eine ihrer letzten Veröffentlichungen empört sie sich darüber, wie das Ministerium „einer Gruppe von Männern Zuspruch gibt, die mir drohen, mich umzubringen […]“. Diesen Künstlerinnen eine Stimme zu geben ist wichtiger, als das Ereignis an sich. „Es geht nicht bloß um die Feminnale. Es geht um das Land. Um die Freiheit. Um die Kunst.“
Alva Guzzini, Mathilde Mallet und Simon Massicotte
Redakteure für Novastan in Bischkek
Aus dem Französischen von Julia Tappeiner
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Roman Lahodynsky, 2019-12-4
Fehler im Titel: Die Direktorin des Museums der Schönen Künste in Bischkek hat nicht wegen einer feministischen Ausstellung gekündigt, sondern wegen Morddrohungen einer Gruppe gewaltbereiter Männer. Das Ministerium hat daraufhin dringenden Handlungsbedarf gesehen und anstatt die Verbrechen (gefährliche Drohungen) zu ahnden, die Kunstwerke als noch gefährlicher erkannt und diese verhaften lassen.
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