Gastfreundliche Teilnehmer, hilfsbereite Volontäre, beeindruckende Bilder. Die dritten World Nomad Games waren besser organisiert als die zweiten. Dennoch gab es Momente, in denen die Frage aufkam: Für wen werden solche Veranstaltungen von der Regierung durchgeführt? Grigorij Pyrlik von „Gromadskoje Radio“ (Ukraine) ist geboren und aufgewachsen in Kirgistan. Er besuchte die diesjährigen Nomadenspiele und berichtete für kloop.kg von seinen Eindrücken. Novastan gibt den Artikel in gekürzter Form wieder.
Meine Kolumne für „Kloop“ über die zweiten World Nomad Games vor zwei Jahren führte zu Dutzenden von unterschiedlichen Kommentaren. Manche unterstützten mich, manche kritisierten meine Kritik. Zwei Jahre danach halte ich es für meine Pflicht, zurückzukehren und die Geschichte fortzusetzen: Welche Mängel der letzten Spiele konnten die Organisatoren beseitigen, woran muss noch gearbeitet werden?
Zu den Nomadenspielen 2016 kam ich als Zuschauer, ohne Ticket. Damals wollte ich einfach mit meiner Freundin am Issikkölsee Urlaub machen, nicht die Veranstaltung analysieren. Die diesjährigen Spiele habe ich mit einer Akkreditierung als Journalist besucht, weshalb ich sie nicht aus dem Blickwinkel eines gewöhnlichen Zuschauers verfolgen konnte. Dafür ist es mir möglich, die innere Organisation der Veranstaltung zu beurteilen.
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Organisation mit und ohne Stolpersteine
Am 1. September begrüßten die Organisatoren die Journalisten am Flughafen „Manas“, an den Bahnhöfen und sogar an den Grenzübergängen. Ich kam zu den Helfern am Kontrollpunkt „Ak Schol“ und hatte gerade erst meinen Namen in der Liste gefunden, als sie schon mein Gepäck nahmen, mich zur Passkontrolle leiteten und mir dort sagten, welchen Bus ich nehmen müsse. Auch am Issikköl wurden die Journalisten von Helfern begleitet, mehrheitlich Studenten und Studentinnen. Jeder Journalist bekam einen konkreten Helfer zugewiesen – sie schickten uns das Programm und antworteten auf Fragen über Whats-App. Ich wurde mit einer Gruppe anderer Journalisten kostenlos in einem Ferienheim im Örtchen Bosteri einquartiert. Vom Ferienheim aus wurden wir jeden Tag in Kleinbussen abgeholt, und dann ging es entweder zum Hippodrom oder in die Kyrtschyn-Schlucht.
Die Zusammenarbeit zwischen Organisatoren und Presse war gut. Wir wurden begleitet, bekamen Hilfe vor Ort, man stellte uns zusätzliche Informationen zur Verfügung. Aber es gab auch Mängel. Während ich vor der Aufgabe stand, in einer Publikation die gesamte Atmosphäre der Nomadenspiele wiederzugeben, gab es auch Kollegen, die jeden Tag neues Material für die Abendausgaben der Nachrichten rausschicken mussten. Diese beschwerten sich zu Recht über das Internet in der Unterkunft, das katastrophal war. Auch war es kompliziert, den genauen Ablauf der sportlichen Wettkämpfe zu erfahren, wann welche Sportart wo stattfand.
Auch für mich gab es ein Problem, allerdings ein eher amüsantes: Mein Akkreditierungs-Badge habe ich nie erhalten. Zuerst konnte man ihn nicht finden, dann bat man mich plötzlich um eine neues Foto, dann verpassten die Mitarbeiterin, die das Badge hatte, und ich uns ständig. Trotzdem wurde ich auch ohne Akkreditierungszeichen überall durchgelassen.
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Gespräche mit anderen Journalisten
Aus den Gesprächen mit Kollegen, die ebenfalls gekommen waren, um über die Spiele zu berichten, könnte man mehrere Geschichten schreiben: Der usbekische Journalist Abdulchamid kam aus Taschkent zum Issikköl und bezahlte die Fahrt aus eigenen Mitteln. Sein Ziel war es, den See mit eigenen Augen zu sehen, von dem Aitmatow in seinem Roman „Der weiße Dampfer“ erzählte. Der amerikanische Konstrukteur und Blogger John interessierte sich schon seit langem für Zentralasien. Er war bereits in Usbekistan und kritisiert die westliche, von Unwissenheit geprägte Wahrnehmung der Region als exotische Wildnis. Der deutsche Ethnologe Oliver, Redakteur einer Zeitschrift über thailändische Kultur, wollte herausfinden, ob es Gemeinsamkeiten zwischen der thailändischen und der kirgisischen Kultur gibt. Zum Augenblick unseres Gespräches hatte er es noch nicht herausgefunden. Gerade die Begegnungen mit interessanten Charakteren sind der Grund, warum ich mich gerne an die Spiele zurückerinnern werde. Einige von ihnen sind gute Bekannte von mir geworden.
Auf der Seite der Privilegierten
Am Eröffnungstag der Spiele brachte man uns drei Stunden vor Veranstaltungsbeginn ins Hippodrom. Eine sehr umsichtige Entscheidung: Die gesamte internationale Presse betrat das Stadion zuerst, ohne anzustehen, und bekam somit nicht die enormen Schlangen zu sehen, in denen die übrigen Zuschauer auf Einlass warten mussten. Auch die Rückfahrt war durchorganisiert: Auf einer für den normalen Verkehr gesperrten Straße, an deren Rand die „nichtprivilegierten“ Besucher zu Fuß zur Stadt zurückkehrten.
Die Eröffnungszeremonie war ohne Zweifel herausragend. Artisten, Lichtinstallationen, Erzähler des kirgisischen Heldenepos „Manas“, Pferderennreiter. Wahnsinn. Einziger Kritikpunkt: Wenn eine Veranstaltung als „international“ konzipiert wird, sollten zumindest grundlegende Momente des Geschehens mit Kommentaren in den wichtigsten Sprachen begleitet werden. Ansonsten wird es schwer, ohne die nötigen Kirgisischkenntnisse den Hintergrund der Aufführungen zu verstehen. Das gleiche gilt für die Eröffnung des „Etnogorodok“ („Ethnostädtchen“) in der Kyrtschyn-Schlucht.
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Die Atmosphäre der Nomadenspiele
Ich erinnere mich an viele tolle Momente. Ein gastfreundlicher Mensch in einem Städtchen der Oblast Issikköl, der mir aus seinen Händen eine handvoll gekochtes Fleisch gab, einfach so. Ein Kino mit Popcorn, von Amerikanern in einer kirgisischen Jurte organisiert. Araber in traditioneller Kleidung, die auf Musikinstrumenten spielen. Ein Seiltänzer vor dem Abendhimmel. Wunderschöne Aufführungen und Lieder. Wohlwollen gegenüber den Gästen. Frohe Zuschauer, die sich speziell für die Spiele in ihre traditionellen Kostüme gekleidet haben und sie allen Interessierten erklären. Und rundherum die wunderbare Natur.
Es war Feststimmung. Dennoch ließ mich das Gefühl nicht los, dass dies ein Fest in erster Linie für die Regierenden des Landes ist. Damit Präsident Dscheenbekow über den roten Teppich schreiten und erzählen kann, dass ihn der Herr Viktor Orban besucht hat. Damit er gerührt sein kann über die gigantische Eröffnungszeremonie. Damit er, ohne durchgeschüttelt zu werden und andere Schwierigkeiten nach Tscholpon-Ata fahren kann.Und weil die Oberen des Staates und nicht die Steuerzahler am längeren Hebel sitzen, kann man die Straße zum Issikköl sperren und die „normal Sterblichen“ Umwege fahren lassen. Kann nicht darüber nachdenken, wie die Zuschauer nach der Veranstaltung vom Hippodrom wegkommen, und keine Fußwege für die bauen, die kein Auto fahren. Kann sich nicht darum kümmern, wie viele Menschen gerne die kirgisischen Traditionen kennenlernen würden und im Stau auf dem Weg in die Kyrtschyn-Schlucht stehen. Am Stau vorbei, in dem auch unsere Presse-Busse standen, drängelten sich Autos mit Blaulicht.
Mein Fazit
Von allem, was ich während der Nomadenspiele gesehen habe, waren die schönsten und am besten organisierten Veranstaltungen die Eröffnungszeremonie des Amphitheaters in Bosteri und das Ethnofestival. Dort wurden die Teilnehmer auf drei Sprachen vorgestellt, es gab schöne Kostüme und eine tolle Präsentation der Kulturen: Geschichtenerzähler mit Komus (kirgis. Saiteninstrument, Anm. d. Red.), Musikanten mit Wargan (kirgis. Maultrommel, Anm. d. Red.), Models aus dem Altai, eine Sängerin aus der russischen Republik Tuwa.
Die dritten World Nomad Games waren eines der wichtigsten Ereignisse für Kirgistan – und für mich persönlich. Ich habe die Bedeutung der Veranstaltung verstanden, als ich mich mit älteren Menschen unterhielt, die von weit her angereist waren. Ich habe mich als Weltenbürger gefühlt zwischen hunderten verschiedensprachigen Journalisten und Sportlern. Ich wurde Zeuge von ungewöhnlichen Wettkämpfen wie dem Gürtelringen und dem Ringen auf Pferden. Ich bin froh und stolz, dass mein Heimatland eine so außergewöhnliche Veranstaltung ausrichtet, die zu einer internationalen Marke werden kann.
Aber ich möchte, dass diese Freude und dieser Stolz ungetrübt sein können.
Grigorij Pyrlik für Kloop
Aus dem Russischen von Katharina Kluge
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