Nach dem kürzlichen Regierungswechsel in Kirgistan wurde auch die regierende Koalition neu ausgehandelt. Nun gehören 95 der 120 Abgeordneten der parlamentarischen Mehrheit an, somit nur 25 der Opposition. Die Redaktion von Kloop.kg erklärt, was das für die Politik im Land bedeuten kann. Wir übersetzen den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Nachdem die Abgeordneten des kirgisischen Parlaments Mitte April den Premierminister Sapar Isakow per Misstrauensvotum abgesetzt haben, wurden auch die Karten im Parlament neu gemischt. Die Fraktion „Respublika-Ata Dschurt“ trat der Regierungskoalition bei.
Diese besteht nun aus vier Fraktionen mit 95 von 120 Mandaten: die sozialdemokratische Präsidentenpartei SDPK und die Parteien „Kyrgyzstan“, „Bir bol“ und „Respublika-Ata Dschurt“. In der Opposition bleiben die Parteien „Ata-Meken“ und „Önügüü-Progress“, mit je elf und zehn Mandaten.
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Außerdem gibt es vier Fraktionslose Abgeordnete im Parlament, die aus ihren Fraktionen ausgeschlossen wurden. Sie gehören auch nicht der Regierungskoalition an.
Zuvor regierten statt vier nur drei der insgesamt sechs Parteien im Parlament, damals mit 67 Sitzen.
Was ist an der neuen Koalition gefährlich?
Die neue Koalition kann im Alleingang alle Gesetzeseintwürfe verabschieden, einschließlich Verfassungsänderungen. Sie kann die Regierung bestätigen, Referenden organisieren, das Veto des Präsidenten auf ihre Gesetze überstimmen oder die Immunität des Präsidenten aufheben.
Bei einer Koalition mit 60 bis 70 Abgeordneten hat die Opposition eine Chance, auf die Parlamentsdebatten einzuwirken, wodurch die Gesetze eher als Kompromisse ausgehandelt werden. Bei der aktuellen Lage haben die Stimmen der Opposition aber praktisch keine Auswirkung.
Ein kleines Gegengewicht kann die Opposition dadurch bieten, dass ihr der Vorsitz der Ausschüsse für Haushalt und Rechtsstaatlichkeit obliegt. Aber auch in den Ausschüssen entscheidet die Mehrheit der Stimmen.
Erste Entscheidungen
Noch an dem Tag, an dem das Parlament der Regierung Isakows sein Misstrauen aussprach, bestätigte die Mehrheitskoalition die Kandidatur von Muchammedkaly Abylgasijew als neuem Premierminister. Bereits am Folgetag wurde die neue Regierung bestätigt.
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Laut der Verfassung hat die regierende Koalition 15 Tage, um über einen neuen Regierungschef und eine neue Regierung abzustimmen. Die voherigen Regierungen von Isakow und von dem aktuellen Präsidenten Sooronbaj Dscheenbekow wurden in je vier und zwei Tagen gewählt.
Ähnlich ereignete sich die Ernennung des neuen Generalstaatsanwaltes: Am 24. April schlug Dscheenbekow Otkurbek Dschaschitow für den Posten vor. Der zuständige Ausschuss und die Regierungskoalition bestätigten die Wahl am selben Tag nach einer kurzen Debatte. Am Folgetag wurde Dschaschitow in einer de facto formellen Sitzung auch offiziell zum Generalstaatsanwaltschaft ernannt. Die Ernennung seiner Vorgängerin Indira Dscholdubajewa hatte sechs Tage gedauert.
Die Größte Koalition in der Geschichte des Landes
Die aktuelle Regierungskoalition ist die größte, die Kirgistan je hatte. Nachdem durch die Verfassungsreform nach der Revolution vom April 2010 die Anzahl der Parlamentsmandate auf 120 erhöht wurde, gab es nur einmal eine vergleichbare Mehrheit im Parlament. Im Parlament der fünften Wahlperiode wurde die Mehrheit zeitweise von vier Fraktionen und insgesamt 92 Abgeordneten gestellt. Diese Koalition kam im Dezember 2011 zusammen und dauerte acht Monate.
Doch zu dieser Zeit gab es auch Unstimmigkeiten innerhalb der Mehrheit. Zum Beispiel gab es drei Kandidaten für die Stelle des Premierministers. Für den schließlich ernannten Premier Ömürbek Babanow stimmten damals nur 52 Abgeordnete aus der Mehrheitskoalition.
Anna Kapuschenko
Kloop.kg
Aus dem Russischen von Florian Coppenrath
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