Startseite      Die geheimen Städte der Sowjetunion in Kirgistan

Die geheimen Städte der Sowjetunion in Kirgistan

Zu Zeiten der Sowjetunion waren Ming-Kusch und Mailuu-Suu die schönsten und entwickeltesten Städte Kirgistans. Heute ist der Glanz von einst geschwunden, die Einwohner führen ein hartes Leben.

Mailuu-Suu
Mailuu-Suu

Zu Zeiten der Sowjetunion waren Ming-Kusch und Mailuu-Suu die schönsten und entwickeltesten Städte Kirgistans. Heute ist der Glanz von einst geschwunden, die Einwohner führen ein hartes Leben.

Die frühere Sowjetrepublik Kirgistan ist reich an verschiedenen Rohstoffen wie Gold, Silber, Kohle und – Uran. Zu Sowjetzeiten wurde hier Uran abgebaut, das auch militärischen Zwecken diente. An den Orten des Uranbergbaus entstanden Städte, in denen die Arbeiter lebten. Sie waren geschlossen und geheim. In Kirgistan gab es insgesamt sieben dieser Städte (Mailuu-Suu, Ming-Kusch, Kajy-Sai, Schakavtar, Sumsar, Ak-Tuez, Orlovka). Am meisten Uran wurde aber in Ming-Kusch im Osten und in Mailuu-Suu im Süden des Landes abgebaut.

Von damaligen Paradies ist nichts mehr zu sehen

Ming-Kusch, was übersetzt „Tausend Vögel“ bedeutet, war damals eine der schönsten und fortschrittlichsten Städte Kirgistans. Die geschlossenen Städte wurden von Moskau unterstützt und die Mehrheit ihrer Einwohner waren Russen. Sie erschienen nicht auf Landkarten und für die Einreise bedurfte es einer speziellen Erlaubnis. Trotzdem waren die Städte mit allem Notwendigen versorgt, das Angebot an Lebensmitteln und anderen Waren war sogar größer als im Rest des Landes. Der Bergbau bot viele Arbeitsplätze, die Löhne lagen 50 – 100% über dem landesüblichen Verdienst. Ming-Kusch hatte deshalb eine sehr gute Reputation und die Menschen schrieben sich auf Wartelisten ein, um in den Fabriken der geschlossenen Städte zu arbeiten. „Unser Dorf war ein Paradies“, sagen die Einwohner heute.

Doch der Wohlstand hatte auch Schattenseiten. Der Tagebau in Ming-Kusch war die wichtigste Stätte für Uranabbau in der Sowjetunion. Wer dort arbeitete wurde gut bezahlt und lebte ohne materielle Sorgen, musste jedoch Schweigen über seine Arbeit bewahren und das durch die Radioaktivität entstehende Gesundheitsrisiko ignorieren. 20 Jahre lang, von 1950 bis 1970, wurde Uran abgebaut. Danach schloss der Tagebau und es wurde eine Fabrik für Filzstifte eröffnet.

Eine der schmutzigsten Orte der Welt

Die geschlossene Stadt Mailuu-Suu, was „Fettiges Wasser“ bedeutet, war nach Ming-Kusch die zweitgrößte Quelle von Uran in der Sowjetunion. Hier wurde es bis in die 60er Jahre abgebaut und auch Mailuu-Suus Einwohner genossen einen hohen Lebensstandard.

Nach dem Zusammenfall der Sowjetunion wurden die Städte sich selbst überlassen. Auch Ming-Kusch und Mailuu-Suu haben sich in verlassene Dörfer verwandelt.

Ming-Kusch

In Ming-Kusch lebten damals mehr als 20.000 Menschen, heute sind es weniger als 3.000. Vor allem sind dies alte Leute und Kinder, die keine Möglichkeit haben, wegzuziehen, oder auch patriotische Bürger, die ihr Dorf nicht verlassen wollen. Arbeitsplätze gibt es auch kaum mehr, 80% der Bevölkerung sind arbeitslos. Deshalb sammeln einige Eisen um sich und ihre Familie zu ernähren. Die freigesetzte Radioaktivität wirkt sich bis heute auf die Gesundheit der Einwohner aus. Allerdings „nicht so stark, dass es uns schaden würde. In unserem Dorf gibt es Leute, die 80, 90 oder 100 Jahr alt sind, Frauen bringen gesunde Kinder auf die Welt. In unserem Dorf geht das Leben weiter. Alles ist wunderbar“, behaupten Einwohner Ming-Kuschs.

[Beim Video die deutschen Untertitel Aktivieren]

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=_5JKxUv854w]

Leider kann die Bevölkerung in Mailuu-Suu nicht das gleiche über ihr Dorf sagen. Die radioaktive Belastung ist hier noch höher. Obwohl manche Einwohner zum Spaß sagen, sie hätten sich an die Radioaktivität gewöhnt und könnten hier leben, bleibt dies nicht ohne Folgen. In Mailuu-Suu sterben viele Menschen jung, an verschiedenen Krankheiten. Studien zufolge sterben hier viele an Krebs; Schwangerschaften verlaufen oft problematisch, sodass die Kinder entweder noch im Bauch der Mutter sterben oder mit Behinderung zur Welt kommen. Wodka ist ein beliebter „Schutz“ gegen die Radioaktivität.

In Mailuu-Suu ist bis heute eine in den 60er Jahren erbaute Glühbirnenfabrik in Betrieb, die verschiedene Arten von Lampen, unter anderem für Autos, produziert. Dadurch gibt es hier mehr Arbeitsplätze als in Ming-Kusch. Dennoch sind viele auf der Suche nach Arbeit nach Russland ausgewandert. Die radioaktive Strahlung in Mailuu-Suu ist noch immer stark genug, um die Stadt auf die Liste der 30 schmutzigsten Orte der Welt zu bringen.

Eine Bedrohung für ganz Zentralasien

Gegen die Umweltverschmutzung vorzugehen kostet viel Geld, das Kirgistan nicht hat. Abgeordnete des kirgisischen Parlaments Dschogorku Kenesch sagen, dies wäre nicht ein Problem Kirgistans, sondern ganz Zentralasiens.

So sieht es auch der ehemalige Premierminister Kirgistan, Jantoeroe Satybaldiev. „Wenn das Uran, sowohl in Ming-Kusch als auch in Mailuu-Suu, sich löst und in den SyrDarya gerät, wird damit ein Fluss kontaminiert, der durch ganz Zentralasien fließt. Das ist eine große Bedrohung für ganz Zentralasien. Außerdem war es die Sowjetunion, die Uran in Kirgistan abbaute. Damals waren wir alle ein Land. Deswegen ist es ein allgemeines Problem.“

Nuriipa Abdumalik Kyzy
Redakteurin für Novastan.org, Bischkek

Redigiert von Luisa Podsadny

Kommentieren (1)

Your comment will be revised by the site if needed.

Tanabaeva, 2019-04-25

Ein interessanter Artikel, der heute sehr aktuell ist. Viele Leute haben Angst davor, dass demnächst im Gebiet Issyk-Köl auch Uranabbaustätten erscheinen werden.

Reply