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Usbekistan bald Beobachter in der Eurasischen Wirtschaftsunion

Das usbekische Unterhaus hat  mit überwältigender Mehrheit dem Vorhaben zugestimmt, der Eurasischen Wirtschaftsunion als Beobachter beizutreten. Nun muss dies noch vom Oberhaus abgesegnet werden. Die Entscheidung wird von einer Grundsatzdebatte über die Eurasische Wirtschaftsunion begleitet.

Usbekistan steht kurz davor, der Eurasischen Wirtschaftsunion als Beobachter beizutreten

Das usbekische Unterhaus hat  mit überwältigender Mehrheit dem Vorhaben zugestimmt, der Eurasischen Wirtschaftsunion als Beobachter beizutreten. Nun muss dies noch vom Oberhaus abgesegnet werden. Die Entscheidung wird von einer Grundsatzdebatte über die Eurasische Wirtschaftsunion begleitet.

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Nach über einem Jahr der Entscheidungsfindung stimmte das Unterhaus des usbekischen Parlaments dem Regierungsvorschlag zu, den Beobachterstatus bei der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) zu erlangen, so das auf Zentralasien spezialisierte Nachrichtenportal Fergana News.

Der Parlamentarier Akmal Burxanov verkündete diese Nachricht über seinen Telegramkanal. Er berichtet, dass 132 von 150 Abgeordneten an der Abstimmung teilnahmen. Von ihnen stimmten 86 für und 32 gegen den Vorschlag, 14 Personen enthielten sich. Nun muss das Vorhaben vom Oberhaus geprüft werden.

Ein plötzlicher Wendepunkt

Die EAWU ist eine seit dem ersten Januar 2015 bestehende internationale Organisation, die zum Ziel hat, zwischen ihren Mitgliedern eine Zollunion und einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu schaffen. Ihre Mitgliedsstaaten sind derzeit Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgistan und Russland. Dazu hält die Republik Moldau einen Beobachterstatus inne. Usbekistan wird allem Anschein nach folgen.

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Usbekistan schein sich der Organisation konkret annähern zu wollen. Dies schien bis vor kurzem undenkbar. Die EAWU gilt als von Russland dominierte Institution. Der usbekische Präsident Shavkat Mirziyoyev erklärte noch im Januar 2019, nicht der EAWU beitreten zu wollen. Vier Tage später ruderte er allerdings zurück und gab bekannt, einen Beobachterstatus einnehmen zu wollen. Walentina Matwijenko, Präsidentin des russischen Föderationsrates, bekräftigte diesen Wunsch während eines offiziellen Besuchs in der usbekischen Hauptstadt Taschkent am 2. Oktober 2019.

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Wie lässt sich dieser Sinneswandel erklären? Zunächst sollte angemerkt werden, dass es sich um einen Beobachterstatus, nicht um eine Mitgliedschaft handelt. Der Präsident erläuterte am 20. Januar vor dem Oberhaus: „Beobachter zu sein bedeutet keine Mitgliedschaft. Man ist eine Art Zuschauer. Wir müssen klären, was uns passt und was nicht“. Der Beobachterstatus berechtigt lediglich zur Teilnahme an den Sitzungen der EAWU-Organe und zum Erhalt offizieller Dokumente. Er ermöglicht jedoch nicht, an der Entscheidungsfindung aktiv teilzunehmen. Eine Zusammenarbeit mit der EAWU erscheint dem usbekischen Präsidenten wohl insofern notwendig, als dass „80 Prozent des usbekischen Außenhandels über Russland, Kasachstan und Kirgistan abgewickelt werden und 50 Prozent der Export-Zielländer ausmachen“.

Das Regierungskabinett akzeptierte bereits im März letzten Jahres, dass ein Beobachterstatus beantragt wird und übermittelte dem Parlament diesen Vorschlag, so Fergana News. Darauffolgend richtete das Unterhaus eine entsprechende Arbeitsgruppe ein. Während das Unterhaus dem Vorhaben inzwischen zustimmte, wird in Usbekistan eine öffentliche Grundsatzdebatte über die EAWU geführt.

Keine einstimmige Entscheidung

Die sozialdemokratische Partei Adolat begrüßt den Beobachterstatus Usbekistans. Ihr Pressedienst teilte mit, das die EAWU ein Versprechen an die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sei. Die Partei ist der Ansicht, dass somit die Arbeitsmigration erhöht werde und Usbekistan von Rücküberweisungen von 4 bis 8 Milliarden US-Dollar jährlich profitieren könne. Dies würde auch den Energie- und Tourismussektor ankurbeln. Es wird jedoch eingeräumt, dass bei einer Vollmitgliedschaft in der EAWU „die usbekische Industrie (u.a. Automobile, Lebensmittel, Pharmazeutika) etwa 2 Milliarden US-Dollar einbüßen müsste“.

Die Partei Milli Tiklanish heißt die Entscheidung des Unterhauses jedoch nicht gut. Ihr Vorsitzender, Alischer Qodirov, kritisierte den Plan bereits Ende 2019 und bezeichnete die EAWU als „zweite UdSSR“. „Um ehrlich zu sein, die EAWU ist eine Wirtschaftsorganisationen – hinter ihr verbergen sich jedoch unsichtbare Ziele. Das ist kein Geheimnis mehr“, so Qodirov. Die Partie ist der Ansicht, dass bisherige bilaterale Beziehungen in der jetzigen Form fortgesetzt werden sollen.

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In ähnlicher Weise räumt der Direktor des Zentrums für wirtschaftliche Entwicklungshilfe in Usbekistan, Yuli Yusupov, ein, dass ein Beitritt zur EAWU zwar Vorteile bringe, diese jedoch abzulehnen sind. „Die EAWU ist keine Union gleichberechtigter Partner, oder gar eine Union, in denen sich mehrere Machtzentren gegenseitig ausgleichen (wie etwa die EU). Hier ist Russland das Machtzentrum“, teilte Yusupov Fergana News in einem Interview mit.

Martignolles Tanguy, Redakteurin für Novastan France

Aus dem Französischen von Robin Shakibaie

 

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