Die UNESCO stuft das historische Zentrum von Shahrisabz als gefährdet eing. Schuld sei der exzessive Tourismus.
Shahrisabz ist ein architektonisches Juwel im Süden Usbekistans. Seit 2014 bemühen sich die Behörden des Landes, den Ort durch verschiedene Baumaßnahmen attraktiver zu machen. Laut der UNESCO zerstören der Bau touristischer Infrastrukturen und der damit verbundene Anstieg des Grundwasserspiegels allerdings die mittelalterlichen Viertel von Shahrisabz.
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Die über 2000 Jahre alte Stadt war eine Etappe der alten Seidenstraße, die China und Europa über den Mittleren Osten verband. Im Jahr 2000 wurde sie zum Weltkulturerbe ernannt, nicht zuletzt für ihre zahlreichen außergewöhnlichen Bauten, seiner uralten Gebäude, Mausoleen und Moscheen. Das mit weißem Marmor gebaute Grab von Timur ist ohne Zweifel eines der schönsten Mausoleen Zentralasiens. Es wirkt so, als wäre die Zeit in den engen Gassen der Altstadt stehengeblieben.
Ein wichtiges Monument für Usbekistan
In Shahrisabz wurde Timur, ein großer zentralasiatischer Eroberer, 1336 geboren. Zur seiner Blütezeit im 15. und 16. Jahrhundert dehnte sich das Timuridenreich von Zentralasien bis in den Kaukasus aus. Shahrisabz enthält viele Zeugnisse dieser Zeit und der regionalen Geschichte, die zu einer Mischung verschiedener architektonischen Stile in der Stadt führte.
Zu Sowjetzeiten gehörte Shahrisabz schon zu den historischen Städten mit dem Titel „Wichtige Städte der Republik“. Der historische Kern der Stadt hat Dank der auf mit traditionellen Techniken durchgeführten Restaurierungsarbeiten sein ursprüngliches Bild bewahrt.
Restaurierer aus der ganzen Welt tragen zu den Arbeiten in Shahrisabz bei: 2014 wurde der Platz des Ak-Saraj-Palastes, einer der schönsten Orte der Altstadt, in Zusammenarbeit mit französischen Restaurierern wieder aufgebaut. Durch dieses 800.000 Euro schwere Projekt wurden fast 200 Quadratmeter Fliesen aus glasierter Keramik restauriert, die den im 14. Jahrhundert gebauten und im 16. Jahrhundert zerstörten Palast bedecken. Der Palast ist berühmt für seine Einschrift: „Zögerst Du an unserer Kraft und unserer Macht, so schau auf unsere Bauten“, so der Historiker Nabi Chuschwatow.
Bedrohter historischer Reichtum
Doch diese historischen Reichtümer werden heute durch die Pläne der usbekischen Regierung bedroht. Zusätzlich zum Erhalt des historischen Zentrums haben die Behörden seit 2014 zahlreiche ambitionierte Wieder- und Neubauten initiiert. Anlass waren die Feiern um den 680. Jahrestag von Timurs Geburt. Durch diese Bauarbeiten haben viele traditionelle Häuser ihr ursprüngliches Aussehen verloren.
Das Staatsprogramm sieht auch die Eröffnung neuer moderner Hotels vor, Ausstattungen im Amir Temur Park, den Wiederaufbau von Straßen und die Renovierung des Kultur- und Kunstpalastes sowie des zentralen „Schorsu“-Marktes.
Der Präzedenzfall Samarkand
Durch ihre Eingriffe in viele Aspekte des historischen Erbes der Stadt Shahrisabz brachten diese Baumaßnahmen die internationale Gemeinschaft in Alarmbereitschaft. Für die UNESCO bedrohen die Neubauten das geschichtliche Erbe. Nach der Klassifizierung der Städte als „bedrohtes Erbe“ sieht die internationale Organisation vor, bald „das Ausmaß der Schäden [zu evaluieren], um entsprechende Maßnahmen zu treffen.“
Wird dies ausreichen, um das authentische Bild von Shahrisabz zu erhalten? Es besteht Grund zur Skepsis. Die UNESCO nennt auch einen Präzedenzfall: Samarkand. Die zweitgrößte Stadt des Landes wurde seit 2008 über weite Strecken durch neue Straßen und den Bau vieler Gebäude modernisiert. Das traditionelle Stadtbild hat stark darunter gelitten. Wie viele Beobachter bedauern, hat keine Reglementierung den über weite Strecken stümperhaften Arbeiten Grenzen setzen können.
Der Massentourismus in Usbekistan
Die Transformierung des usbekischen geschichtlichen Erbes durch die großen Baupläne der Behörden, wie in Shahrisabz und zuvor in Samarkand und Buchara, bedient einen immer intensiver werdenden Massentourismus. Laut der Weltbank haben 2013 knapp zwei Millionen Touristen das Land besucht. Laut den Schätzungen des World Travel and Tourism Council werde sich diese Zahl bis 2025 verdoppeln.
Es ist ein lukratives Geschäft. Im letzten Jahr hatte der touristische Sektor im vergangenen Jahr einen Umsatz von 318 Milliarden usbekischer Sum (ca. 98 Millionen Euro) und die Zahl steigt konstant (zu 3,9% im Vergleich mit 2014, so die World Travel and Tourism Council). Für das 30-Millionen-Einwohner-Land, das sich schwer tut, ausländische Investitionen anzuziehen, ist das eine wertvolle Devisenquelle. Die usbekische Regierung erklärt, dass sie sehr auf Tourismus und Investitionen in dem Bereich setzt, um seine Wirtschaft dynamischer zu gestalten.
Übernachtungen fast nur in Hotels
Um als Tourist Usbekistan zu besuchen, ist weiterhin ein Visum notwendig, wobei die Nachbarn Kasachstan und Kirgistan eine einseitige Visumfreiheit für die meisten OECD-Länder eingeführt haben, für bis zu 15 beziehungsweise 60 Tage. In Usbekistan müssen ausländische Touristen Wohnnachweise für die gesamte Dauer ihres Aufenthalts sammeln. Diese Registrierungspflicht begrenzt die Möglichkeiten, in Privatwohnungen zu wohnen, wenn die Einwohner nicht viel Mühe in die Erteilung einer Lizenz gesteckt haben. So müssen ausländische Besucher auf die offizielle Hotelinfrastruktur zurückgreifen, die über die notwendigen Dokumente verfügt.
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Übernachtungsmöglichkeiten bei den Einwohnern oder über Dienste wie AirBnB sind in Usbekistan fast ausgeschlossen, insbesondere in der Region von Shahrisabz. In Samarkand gibt es 5 Privatleute, die ihre Wohnungen „mutig“ für 14 Euro die Nacht anbieten und nur ein Angebot in Shahrisabz. Der bevölkerungsnahe Tourismus ist in Kirgistan, das über ein dichtes Netz an Gasthäusern, wie die der Organisation Community Based Tourism (CBT), verfügt, sehr verbreitet. In Usbekistan bleibt das Konzept fast unbekannt.
Hotelbauten im Vorteil
Diese Besonderheit des Tourismus in Usbekistan führt dazu, dass immer mehr, teils massive, Hotelinfrastrukturen gebaut werden müssen, um der wachsenden Nachfrage der Touristen folge leisten zu können. Um diese Hotels so nah wie möglich an die touristischen Städten zu setzen, werden zwangsläufig alte Mauern zerstört und neues Beton gegossen – ganz im Gegensatz zu den von der UNESCO vorgeschriebenen Prinzipien des Erhalts historischen Erbes.
Außerdem ist Usbekistan durch diese Politik im Vergleich zu seinen Nachbarn bei weitem kein günstiges Urlaubsziel. Der Durchschnittspreis eines Hotelzimmers in einem drei Sterne Hotel liegt bei 50 Euro pro Nacht. Dazu muss man aber bemerken, dass die Preise nach dem offiziellen Währungskurs gerechnet sind (aktuell 1 Euro = 3000 Sum) und Touristen ihr Geld auf dem Schwarzmarkt wechseln können (wo man für einen Euro bis zu 6800 Sum bekommt), so dass sich der reale Preis mehr als halbiert. Die meisten anderen „inoffiziellen“ Herbergen definieren ihre Preise aber nach dem Schwarzmarktkurs.
Welche Folgen sind zu erwarten?
Heutzutage zählt Shahrisabz nur drei Hotels. Aber es haben schon Verhandlungen zum Bau weiterer Herbergen begonnen.
Welche Folgen wird die auf einen Massentourismus ausgerichtete Tourismuspolitik auf diesen Schlüsselsektor der usbekischen Wirtschaft haben? Es ist noch zu früh für Spekulationen. Die UNESCO schlägt jedenfalls regelmässig Alarm hinsichtlich der historischen und archäologischen Schäden, die diese Politik verursacht.
Assel Kipchakova
Redakteurin für Novastan.org
Aus dem französischen übersetzt von Florian Coppenrath
Mitgründer von Novastan.org