Usbekistan hat gewählt. Bei den ersten Parlamentswahlen in der Ära Mirziyoyev blieben Überraschungen aus und die regierende Liberaldemokratische Partei bleibt nach den vorläufigen Ergebnissen weiterhin stärkste Kraft.
Bei der Parlamentswahl in Usbekistan, die am 22. Dezember stattfand, hat die regierende Liberaldemokratische Partei erneut das beste Ergebnis eingefahren. Wie die Zentrale Wahlkommission am 23. Dezember bei der Verkündung der vorläufigen Ergebnisse bekanntgab, konnte die regierende Partei 43 der insgesamt 150 Wahlkreise gewinnen. Auf die demokratische Partei Milliy tiklanish entfallen 35 Sitze, die sozialdemokratische Partei Adolat erhielt 21 Mandate, die Volksdemokratische Partei stellt 18 Abgeordnete und die Ökologische Partei ist mit 11 Sitzen im Oliy Majlis vertreten.
Damit sind 128 der insgesamt 150 Mandate vergeben. In den verbleibenden 22 Wahlkreisen werden Stichwahlen stattfinden, da das usbekische Wahlgesetz vorsieht, das ein Wahlkreis erst als gewonnen gilt, wenn mindestens 50 Prozent der Stimmen auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin entfallen. Die Ergebnisse sind also vorläufig und theoretisch könnte Milliy tiklanish die LiberaldemokratInnen noch überholen. Die Wahlbeteiligung lag bei 71,1 Prozent und war damit so niedrig wie noch nie zuvor in der Geschichte des seit 1991 unabhängigen Usbekistans.
Wahl nicht frei von Verstößen
Auch wenn die Parlamentswahl sowie die zeitgleich stattfindenden Wahlen zu den Regionalversammlungen unter das Motto „Neues Usbekistan – Neue Wahlen“ gestellt wurden, blieben Unregelmäßigkeiten auch diesmal nicht aus. So teilte der stellvertretende Vorsitzende der Wahlkommission Maxmud Istamov mit, dass in drei Wahlkreisen Vertreter der lokalen Exekutivmacht Druck auf Wahlkommissionen ausübten und damit das Ziel verfolgten, die Ergebnisse von bestimmten Abgeordneten zu verbessern.
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Das Nachrichtenportal Gazeta.uz berichtet des Weiteren, dass in den Sozialen Netzwerken Nachrichten und Videos darüber erschienen, dass Mitglieder von Wahlkommissionen Beobachtern nicht erlaubten, beim Ausfüllen von Protokollen anwesend zu sein, und dass bei Mitgliedern von Wahlkommissionen Pakete mit bereits ausgefüllten Wahlzetteln entdeckt wurden.
Die Leiterin der OSZE-Wahlbeobachtungsmission Tana de Zulueta lobte hingegen während ihres Besuchs in einem der Taschkenter Wahllokale, dass die Zahl der WahlbeobachterInnen erstmals nicht beschränkt wurde. „Ich bin jetzt in der Hauptstadt, aber im Land arbeiten 222 Kurzzeitbeobachter und 55 Vertreter der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. Zusammen mit Langzeitbeobachtern, die auch im ganzen Land arbeiten, und mit dem Hauptteam der OSZE-Mission haben wir insgesamt 316 Personen. Für Usbekistan ist es zum ersten Mal eine so große Zahl. Insgesamt sind Beobachter aus 37 Teilnehmerländern der OSZE vertreten“, sagte de Zulueta.
Keine Neuerungen unter Mirziyoyev
Im Vorfeld der Wahlen war mit Spannung beobachtet worden, ob die ersten Parlamentswahlen nach der Regierungszeit des langjährigen Präsidenten Islom Karimov freier und demokratischer sein würden. Wer aber zu viel Hoffnung auf den als reformfreudig geltenden, neuen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev gesetzt hatte, wurde enttäuscht. Wie Radio Ozodlik, der usbekische Dienst von Radio Free Europe, darlegt, sind alle fünf zur Parlamentswahl zugelassenen Parteien dieselben wie unter Karimov und vertreten eine einheitliche Politik zu Schlüsselfragen und Entscheidungen des Präsidenten. Oppositionsparteien wurden gar nicht erst zu den Wahlen zugelassen.
Zwei Tage vor der Landtagswahl gab es eine TV-Debatte zwischen Vertretern der verschiedenen Parteien. Wie Radio Free Europe berichtete, konnten JournalistInnen in deren Rahmen einige kritische Fragen stellen. Doch auch wenn unter Karimov ein solches Format undenkbar gewesen wäre, reicht dies nicht im Ansatz aus, um Pluralismus zu schaffen.
Kaum Wahlkampf, wenig Interesse bei ExpertInnen
Wie Fergana News berichtete, fand der Wahlkampf im Wesentlichen unterhalb der Wahrnehmungsgrenze statt und auch unter ExpertInnen war im Vorfeld der Wahl wenig Interesse zu beobachten. Die britische Journalistin Joanna Lillis macht als Grund dafür aus, dass die Wahlen keine weittragende Bedeutung haben. „Die Parlamentswahlen in Usbekistan erfahren kein Interesse seitens Experten, weil bei ihnen nichts auf dem Spiel steht und sie im Grunde genommen sinnlos sind. Dies sind Wahlen, in denen die Pro-Präsidenten-Parteien und die Pro-Regierungs-Parteien einen Kampf simulieren. Eine politische Konfrontation gibt es hier nicht, und natürlich steht das Ergebnis fest: ein fügsames Parlament, bestehend aus Parteien, welche die bestehende Regierung unterstützen und den Status quo erhalten“, meint Lillis im Interview mit Fergana News.
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Der Politologe Arkadij Dubnow ist überzeugt, dass die Bevölkerung zuerst Vertrauen in die Staatsführung gewinnen müsse, bevor es zu echter Konkurrenz kommen könne. „Das kann nur durch Vertrauen der Gesellschaft in die Reformen der Regierung und in deren Unumkehrbarkeit bewirkt werden. In diesem Fall könnten auch politische Initiativen von unten entstehen, dafür müsste die Gründung von politischen Strukturen, Parteien oder Non-Profit Organisationen, zugelassen sein, welche sich politisch betätigen und in das politische Geschehen einwirken. Heute vertrauen die Leute in Usbekistan den Machthabern noch nicht wirklich, vor allem auf örtlicher Ebene nicht, daher erlauben sie sich nicht, politische Präferenzen zu äußern. Die Regierung sollte sich vor dieser Art von Aktivität der Wählerschaft nicht fürchten, und das System sollte unabhängigen Kandidaten erlauben, einen Sitz im Parlament anzustreben“, so der Zentralasien-Experte.
Auf die Frage, ob es in der Präsidialdemokratie Usbekistan während des Reformprozesses überhaupt ein starkes Parlament brauche oder ob dieses eher stören könne, sind sich Dubnov und Lillis einig: ein starkes Parlament würde den Reformprozess eher beschleunigen und stärken. „Es würde die für die Reformen verantwortlichen Personen zur Rechenschaft ziehen und kontrollieren, dass diese die Interessen der Menschen berücksichtigen. Dem Regime zufolge soll das neue Parlament stärker und mutiger sein, ungeachtet dessen, dass in ihm keine oppositionellen Parteien vertreten sein werden. Es bleibt zu hoffen, dass das Parlament tatsächlich so handelt, sobald es seine Arbeit aufnimmt“, so Joanna Lillis abschließend.
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