Dieser Jahreswechsel ist der erste des neuen usbekischen Präsidenten Schawkat Mirsijojew. Seine Neujahrswünsche brechen mit vielen Traditionen seines Vorgängers Islom Karimow.
Seit der Wahl von Schawkat Mirsijojew kommen aus Usbekistan viele neue Ankündigungen, wie eine kommende Visafreiheit für Touristen oder die geplante Regularisierung des doppelten Wechselkurses. Auch der Übergang ins Jahr 2017 trägt Mirsijojews Handschrift.
Kurz vor Mitternacht wandte sich Mirsijojew am Sylvesterabend in einer Fersehansprache direkt an die Bürger des Landes, um ihnen ein frohes neues Jahr zu wünschen. Es war die erste Ansprache dieser Art seit der Unabhängigkeit des Landes: Mirsijojews Vorgänger Islom Karimow ließ seine Wünsche immer verlesen.
Mirsijojew, der das Jahr 2017 unter das Zeichen des „immer vorrangigen menschlichen Interesses“ setzte, sprach erst auf Russisch und dann auf Usbekisch, im Hintergrund der Senat und eine undekorierte Tanne. Seine Rede wurde mit Glockengeläut eingeleitet.
Das Symbol einer neuen Ära
Das Symbol ist nicht belanglos, da Karimow die aus der Sowjetzeit geerbte Neujahrsfeier stets mied. Sylvester wird in der Region ab und zu für seinen „westlichen“ Charakter kritisiert, als fremdes Fest, unvereinbar mit den örtlichen Traditionen und der Religion. Andere Feste, die einen lokalaren Charakter haben, wie das persische Neujahrsfest Nouruz im März, werden ausgiebiger gefeiert.
Kurz vor Neujahr ließ der neue Präsident ebenfalls Geschenke an alle Kinder in den usbekischen Waisenhäusern schicken. Der 2. Januar wurde per Präsidentendekret als Feiertag festgelegt. Schließlich war die Hauptstadt Taschkent laut der Beobachtungen vieler Einwohner noch mit so viel Licht und Tannen dekoriert, wie in diesem Jahr, wie in der Fotoreportage von gazeta.ru zu sehen.
Zahlreiche Reformen
Auch auf politischer Ebene gab es viele Ankündigungen in der Zeit vor dem Jahreswechsel. Nach seiner Wahl am 4. Dezember hat Mirsijojew den Tourismus als eine Priorität für die usbekische Wirtschaft definiert. Die Ankündigung einer einseitigen Visafreiheit für Touristen aus 27 Ländern ist ein klares Zeichen für den Reformwillen in dem touristischsten Land der Region.
Ende Dezember wurde zudem ein Runder Tisch organisiert, bei dem sich Vertreter der Behörden und Tourismusfachleute offen über die Probleme im Tourismussektor austauschen konnten. Die in staatlich kontrollierten Medien ausgetragene Debatte ließ keine sensiblen Themen aus: Die international kritisierte Renovation mancher historischer Denkmale wie die Stadt Shahrisabz, der der Verlust des Status eines UNESCO-Weltkulturerbes droht, wurde angesprochen, genau wie die Schwierigkeiten der täglichen Registrierung von Touristen und der Zustand öffentlicher Toiletten.
Eine neue regionale Dynamik
Die größte Neuerung unter Mirsijojew, der zwischen September und Dezember bereits als Interimspräsident regierte, betrifft die regionalen Beziehungen Usbekistans. Vor allem das Verhältnis Tadschikistan hat sich aufgewärmt: Es gab mehrere gegenseitige offizielle Besuche und die direkte Flugverbindung zwischen Taschkent und Duschanbe wurde wiedereingeführt. Der usbekische Vizepremierminister Rustam Asimow, der auch unter Karimow eine wichtige Stellung einbehielt, besuchte am 27. Dezember den tadschikischen Präsidenten Emomalii Rachmon.
Auch die Beziehungen mit Kirgistan haben sich deutlich verbessert. Seit dem Machtantritt Mirsijojews wurden mehrere Übereinkommen unterschrieben, um die konfliktgeladene Grenzziehung zwischen den beiden Ländern voranzubringen. Am 24. Dezember besuchte der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew als erster ausländischer Staatschef seit der Wahl Mirsijojews Usbekistan. Die zwei Staatschefs demonstrierten dabei ihre Nähe und signalisierten ihren Willen zur weiteren Kooperation.
Auch Kasachstan, der regionale Rivale Usbekistans, wurde von mehreren usbekischen Delegationen besucht. Dabei signalisierte Taschkent auch, dass es eine Lösung für das Problem der Grenzziehung zwischen den zwei größten Ländern Zentralasiens finden wolle.
Auch Turkmenistan nähert sich Usbekistan an – über eine Reihe neuer Brücken über den Amudarija, die Anfang 2017 eröffnet werden sollen, wie der turkmenische Präsident Gurbanguly Berdimuchammedow verkündete.
Während sich unter Karimow die Nachbarschaftskonflikte Usbekistans häuften, hat Mirsijojew in wenigen Monaten die Karten neu gemischt. Er scheint auch als gewählter Präsident weiter auf Versöhnungskurs zu bleiben und könnte so als Friedensmacher und Stabilitätsgarant in Zentralasien eine internationale Stellung entwickeln. Dies könnte sich auch positiv auf die Beziehungen zu weltweiten Mächten ausüben, die oft das Risiko einer regionale Destabilisierung hervorheben.
Zugang zu internationalen Medien und „Dialogsarmee“
Wie Eurasianet.org am 30. Dezember bemerkte, waren die Webseiten der großen Nachrichtendienste zu Usbekistan, wie der usbekischsprachige Dienst der BBC, die unabhängige Presseagentur Fergana.ru und der Ozodlik, der usbekische Dienst von RFE/RL im Land, nicht mehr gesperrt. Dies gilt sogar für die Webseiten großer Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International.
Noch überraschender ist, dass auch die Webseiten der Oppositionsbewegungen der Volksbewegung Usbekistans und eltuz.uz freigeschaltet wurden. Die Entwicklung wird von Eurasianet (das ebenfalls entsperrt wurde) skeptisch betrachtet, sie zeigt aber, dass das neue Regime ein anderes Gesicht zeigen will und vielleicht auch eine der am stärksten kontrollierten Pressen der Welt etwas befreien wird.
Eine Liberalisierung der Presse könnte auch zu dem vom Präsidenten verkündeten Motto für 2017 als Jahr des „Dialogs mit dem Volk“ passen. Die offiziellen Medien betonen bereits in vielen Artikeln, wie wichtig Medien für den Dialog sind, konkrete Ergebnisse werden jedoch viel Zeit beanspruchen und das Ziel wird kaum die vollständige Liberalisierung der Kritik sein.
In der Zwischenzeit ließ Mirsijojew bereits während der Wahlkampagne einen Internetdienst einstellen, über den die Bürger ihre Anliegen direkt an den Präsidenten schicken können. Nach der Wahl wurden zu dem Zweck Verwaltungsdienste in allen Städten des Landes eröffnet. Laut den Behörden ist die Maßnahme ein Erfolg: es wurden schon mehrere hunderttausend Nachrichten empfangen.
Reform und Realität
Mirsijojew sendet viele Signale an die internationale Gemeinschaft, auch rund um das Thema der Zwangsarbeit in der jährlichen Baumwollernte, für welche Usbekistan oft von internationalen Organisationen kritisiert wird. So ließ er mehrere Verantwortliche dafür einsperren, dass sie Leute zur Ernte nötigten.
Nach Jahren extrem strikter Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten bleibt der Optimismus im Hinblick auf den Reformwillen des neuen Präsidenten jedoch verhalten.
Diese Reformen scheinen vor allem darauf abzuzielen, Mirsijojew mit einer Präsidentenstatur zu versehen und ihm einen gewissen öffentlichen Rückhalt zu sichern. Manche Änderungen, wie die Erhöhung der Sozialleistungen, kommen in der Bevölkerung besonders gut an.
An Karimow erinnert Mirsijojews Neubesetzung von Verwaltungsposten mit seinen Vertrauten: Er hat beinahe alle „Hokim“ (regionale Gouverneure) in den Regionen und der Hauptstadt und mehrere Regierungsmitglieder ersetzt. Auch der neue Premierminister Abdulo Aripow steht Misijojew nah.
So gibt es viele Änderungen im Usbekistan des neuen Jahres, aber noch ist es schwer vorauszusehen, welche entscheidend sein werden.
Die Redaktion