Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev hat eine Arbeitsgruppe einberufen, um die Wirtschaftsindikatoren des Landes zu besprechen. Das Nachrichtenportal Hook nahm dies zum Anlass für eine Analyse. Wir übernehmen den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Ende Oktober dieses Jahres lud Shavkat Mirziyoyev zu einer Arbeitsgruppe in Bezug auf die makroökonomischen Indikatoren Usbekistans für 2020 ein und gab Anweisungen, um die Situation in einigen Bereichen zu ändern.
Die Tatsache, dass das Haushaltsdefizit offen diskutiert wurde, zeigt im Allgemeinen, dass die gegenwärtigen Eliten zunehmend an der Beteiligung der Bürger und ihren wirtschaftlichen Kenntnissen interessiert sind.
Gute Nachrichten in Bezug auf das BIP
Der Grundstein, von dem man ausgeht, wenn man über Wirtschaftswachstum spricht, ist natürlich das BIP-Wachstum des Landes. Das BIP (Bruttoinlandsprodukt, Anm. d. Red.) ist der Gesamtwert aller innerhalb eines Landes in einem Jahr hergestellten Waren und Dienstleistungen. Wirtschaftswachstum bedeutet natürlich nicht immer steigendes Wohlbefinden der Bürger, aber im Allgemeinen sind diese beiden Konzepte miteinander verbunden.
Das Bruttoinlandsprodukt Usbekistans belief sich im ersten Halbjahr 2019 auf 222 Billionen US-Dollar, und das Wachstum lag mit 5,8 Prozent fast doppelt so hoch wie im Jahresdurchschnitt. Das BIP pro Kopf (das gesamte BIP durch die Bevölkerungsanzahl des Landes geteilt) belief sich jedoch auf fast 6,7 Millionen Sum (1 US-Dollar = 8.400 Sum im Juni 2019), das sind 800 US-Dollar pro Person. Dank dieser Zahlen kann Usbekistan als Entwicklungsland eingestuft werden.
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Wenn das BIP-Wachstum des Landes geringer ist als das Bevölkerungswachstum, wird dieses Land aufgrund hoher Geburtenraten ärmer (5,8 Prozent BIP-Wachstum versus 1,5 bis 2 Prozent). Auf dem Treffen wurden die Zahlen für das weitere BIP-Wachstum bekannt gegeben und als Ziel wurde benannt eine Wachstumsrate von 6,2 Prozent bis 2021 zu erreichen. Bei einem Rückgang des Welthandelswachstums und dem Wachstum des globalen BIP können solche Prognosen jedoch als optimistisch eingestuft werden.
Den größten Beitrag zum BIP-Wachstum im ersten Halbjahr leisteten mit 1,7 Prozent der Dienstleistungssektor, die Industrie mit 1,6 Prozent und das Baugewerbe mit 1,3 Prozent. Taschkent macht den größten Teil des Bruttoinlandsprodukts aus – rund 32 Milliarden Sum bei einem Wachstum von mehr als 7 Prozent, die Republik Karakalpakstan zeigte ein ähnliches Ergebnis. Im Durchschnitt schwankt die Variabilität des BIP-Beitrags verschiedener Regionen zwischen 3,3 und 7,2 Prozent.
Kaum Lohnwachstum
Das schmerzlichste Thema für die Wirtschaft Usbekistans ist das Lohnwachstum. Von Januar bis Juni 2019 belief sich der durchschnittliche Monatslohn auf 2,1 Millionen Sum und stieg gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent. Wachstumstreiber waren: Bildungswesen (35 Prozent), Gesundheits- und Sozialwesen (37 Prozent), Banken, Versicherungen und Leasing (32 Prozent) mit einem Durchschnittsgehalt von 4,04 Millionen Sum sowie die Informations- und Kommunikationsbranche (3,75 Millionen Sum).
Die Reallöhne (ohne Steuern und Inflationsbereinigung) stiegen dennoch nur um 14,6 Prozent. Die Stadt Taschkent überholt die umliegende Region um 15 bis 16 Prozent, von anderen Regionen ganz zu schweigen. Nur drei Regionen wiesen einen Anstieg des durchschnittlichen Monatsgehalts auf republikanisches Niveau auf (die Stadt Taschkent, die Region Taschkent und Navoiy), andere Regionen wiesen einen Rückgang von –4 bis –15 Prozent auf, was auf einen langsameren Anstieg der Löhne in diesen Regionen und eine größere Disparität in der gesamten Republik hinweist.
Probleme bei der Inflationsbekämpfung
Eine wichtige Anweisung des Präsidenten ist es, die Inflation bis 2022 auf 9,5 Prozent zu senken, obwohl die Prognose für 2019 bei 15,5 Prozent lag. Aber bereits in den 10 Monaten dieses Jahres ist sie um 11,4 Prozent gewachsen, so dass die Zahl im Allgemeinen für das Jahr unter 15 Prozent liegen kann.
Grundsätzlich stiegen die Preise für Geflügel und Fisch um 20 Prozent, für Backwaren um 18,6 Prozent, für Milchprodukte um 18,4 Prozent, für Knoblauch um 70 Prozent und für Zwiebeln um 50 Prozent. Und natürlich wirken sich höhere Preise für Konsumgüter auf das Einkommen der Bürger aus.
Einer der wichtigsten Faktoren für das Inflationswachstum sind die Staatsausgaben. 2019 stieg das Haushaltsdefizit um 60 Prozent – von den geplanten 4,5 Billionen auf 7,3 Billionen Sum – mit Einnahmen von 102 Billionen und Ausgaben von 110 Billionen Sum.
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Im Allgemeinen wuchsen die Ausgaben seit 2018 um mehr als 50 Prozent (von 74 auf 110 Billionen Sum), und dieser Anstieg stimuliert die Inflation. Das Land kann die Inflation nicht niedrig halten und investiert mehr Geld in Sozialausgaben, deren Anteil mehr als 50 Prozent beträgt.
Im nächsten Jahr plant der Staat, das Defizit durch eine Erhöhung der Staatseinnahmen zu verringern. Das Haushaltsdefizit in Usbekistan führt zu einem Anstieg der Auslandsverschuldung, und es gibt viele Ängste vor einer Zahlungsunfähigkeit. Jetzt beträgt die Auslandsverschuldung 20,7 Milliarden US-Dollar bei 27,7 Milliarden US-Dollar Gold- und Währungsreserven. Man kann über das schnelle Wachstum des Landes nicht sprechen, ohne Fremdkapital aufzunehmen. Das Hauptziel des Finanzministeriums ist es zu verhindern, dass das Wachstum der Auslandsverschuldung des Landes 70 Prozent des BIP erreicht. Dies erfordert die Reduzierung der Ausgaben und die Bekämpfung der Korruption.
Im Allgemeinen sind die makroökonomischen Indikatoren ungeachtet der Inflation ermutigend. Lediglich durch eine Senkung der Mehrwertsteuer von 20 auf 15 Prozent hat das Budget 12,5 Billionen Sum verloren – natürlich ist eine Steuersenkung zu begrüßen, aber bei einer Verringerung der Staatsausgaben.
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Das Ziel, die Inflation bis 2022 auf 10 Prozent zu senken, erscheint aufgrund des raschen Wachstums der Kreditvergabe, der höheren Staatsausgaben und anderer Faktoren nicht erreichbar. Um die Inflation zu bekämpfen, ist eine vom Staat unabhängige Zentralbank erforderlich, die über Mechanismen zur Kontrolle der Inflation durch Inflationstargeting und Kontrolle der Nationalwährung verfügt. Deren Kurs wurde in diesem Jahr freigegeben, um somit Ressourcen für andere Wirtschaftsaufgaben freizusetzen.
Das Hauptproblem der Wirtschaft Usbekistans sind nach wie vor geringe Investitionszuflüsse, so dass der Staat die Kosten erhöht und versucht, selbst zu investieren, aber die staatliche Finanzierung führt zu einer geringen Effizienz.
Um den Investitionszufluss zu erhöhen, müssen eine Reihe von Änderungen vorgenommen werden: Justiz- und Verwaltungsreformen, Schutz der Eigentumsrechte, Senkung der Einfuhrzölle usw. Mit einer klaren und irreversiblen Zusage, der WTO und der Euraischen Wirtschaftsunion bis 2030 beizutreten, kann die Regierung Usbekistans das Vertrauen ausländischer Investoren stärken. Dies erfordert jedoch auch eine weitere Demokratisierung und Liberalisierung des Staates.
Shaxriyor Ismailxojayev auf Hook
Aus dem Russischen von Esmira Saudkasova
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