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Wie ein Lawinenjäger für die Sicherheit der Tourist:innen in den Bergen Usbekistans sorgt

In Usbekistan ist er der einzige Vertreter eines außergewöhnlichen Berufs: Albert Popov ist Lawinenjäger und findet, dass die Menschen schonender mit der Natur umgehen sollten. Schon seit mehr als 40 Jahren (seit 1983) löst Popov Lawinen in gefährdeten Gebieten des Skigebiets Chimgan aus, das im gleichnamigen Bergmassiv gelegen ist. Außer ihm kann niemand in Usbekistan zielgerichtet Lawinen auslösen.

Lawinenjäger Albert Popov steht auch noch mit 78 Jahren auf den Skiern, Photo: CABAR asia.

In Usbekistan ist er der einzige Vertreter eines außergewöhnlichen Berufs: Albert Popov ist Lawinenjäger und findet, dass die Menschen schonender mit der Natur umgehen sollten. Schon seit mehr als 40 Jahren (seit 1983) löst Popov Lawinen in gefährdeten Gebieten des Skigebiets Chimgan aus, das im gleichnamigen Bergmassiv gelegen ist. Außer ihm kann niemand in Usbekistan zielgerichtet Lawinen auslösen.

Der beliebte Skisport-Ort Chimgan liegt 80 Kilometer von Taschkent entfernt und ist mit seiner schönen Natur ein beliebtes Ausflugsziel für Bewohner:innen und Tourist:innen der Hauptstadt. Seit mehr als 40 Jahren lebt und arbeitet Albert Popov in der Lawinenstation am Fuße des Großen Chimgan (Anm. d. Red.: Der Große Chimgan ist 3309 Meter hoch, die Ortschaft Chimgan befindet sich auf 1620 Metern Höhe). Trotz seiner 78 Jahre ist Popov auf den Skiern sportlicher unterwegs als manch jüngere Generationen. Seine Arbeit besteht vor allem daraus, die Sicherheit der Urlauber:innen im Skigebiet zu gewährleisten sowie den Zustand der Schneedecke zu beobachten und zu kontrollieren. In Chimgan beginnt die Saison im November und endet im Juni. Über all die Jahre als Lawinenexperte kam es zu keinen Unfällen, erzählt er im Interview mit CABAR.asia.

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Studiert hat Popov an der meteorologischen Fakultät der Universität Aschgabat und dort auch seine zukünftige Frau kennengelernt, mit der er schließlich in ihre Heimat zog – nach Taschkent. Zu diesem Zeitpunkt war die Lawinenstation in Chimgan gerade erst errichtet worden und man bot ihm dort einen Job an. Seitdem arbeitet Popov in Chimgan. Popov erinnert sich, dass die Lawinenstation zum damaligen Zeitpunkt zu einer der besten in Bezug auf Ausrüstung und Komfort zählte. Allerdings wurde die Technik anschließend nicht mehr auf dem modernsten Stand gehalten, „sodass alles wie in der Sowjetunion blieb“, so Popov.

Früher: Technik – Heute: Erfahrung

Dort gab es den allerersten Computer sowie Funkgeräte, die Informationen vom Gipfel des Chimgan übermittelten, und es gab auch eine Kanone. (…) Damals gab es Programme zur Berechnung der Lawinengefahr und so weiter…“, erzählt Popov. 2006 wurden die Geschütze zur Auslösung von Lawinen aus Chimgan abtransportiert, wodurch ein weiteres Problem entstand: dem Lawinendienst blieben keine Mittel, um auf den Schnee einzuwirken. „Heutzutage verlasse ich mich mehr auf meine Intuition und jahrzehntelange Erfahrung, was bisher ganz gut funktioniert“, erklärt Popov.

Mit der Arbeit in den Bergen sind Popov und sein Assistent praktisch den ganzen Tag beschäftigt. Bei der Rückkehr in die Station dokumentieren sie alle gesammelten Daten über den Zustand des Schnees, die Höhe der Schneedecke und die Anzahl der Lawinenabgänge. Daraus ergibt sich der Lawinenbericht für den nächsten Tag, der über die Lawinengefahr informiert.

Nachwuchsprobleme bedrohen Zukunft der Lawinenstation

Den Mangel an Spezialist:innen zum Auslösen von Lawinen in Usbekistan führt Albert Popov auf eine mangelnde Gefragtheit des Berufs zurück. Über die Jahre wurden ihm mehrere Assistenten zugeteilt, doch keiner von ihnen fing für den Beruf Feuer und Flamme. „Den Beruf des Lawinenjägers gibt es nicht so häufig wie etwa Taxifahrer:innen oder Verkäufer:innen, da es in Usbekistan auch nur wenige Orte gibt, an denen das Wissen und die Erfahrung eines Lawinenexperten notwendig sind. Heutzutage trifft das praktisch nur auf Chimgan zu. Die Bedeutung des Berufs eines Lawinenjägers hängt davon ab, welches Verhältnis man zu seinem Beruf hat. Wenn hier ein Mensch arbeiten würde, der die Natur und Berge nicht mag, der der Umgebung gleichgültig gegenübersteht, wird mit derselben Gleichgültigkeit seinem Beruf nachgehen. Hier sollte ein Mensch arbeiten, der für diesen Beruf brennt und versteht, was vor sich geht. Aber leider habe ich keine Lehrlinge, die sich genauso für die Berge begeistern wie ich“, erzählt Popov.

Auf die Frage, warum er keine Lehrlinge habe, antwortet Popov, dass zum einen eine Person fehle, die diese Arbeit liebt und Fragen stellt, und es zum anderen an einer angemessenen Bezahlung mangele. Trotz der alltäglichen Gefahren seiner Arbeit und seiner vielen Dienstjahre fällt Popovs Gehalt gering aus. „Da dieser Job recht ärmlich bezahlt wird, gibt es niemanden, der bereitwillig diesen Beruf wählt. Ich weiß nicht, wie sich der Lawinendienst hier weiter entwickeln wird“, bedauert Popov.

Urlauber:innen und Baubranche mit wenig Rücksicht auf Natur

Nach vielen Jahren der Beobachtung der Natur im Gebiet des Chimgan konstatiert Albert Popov enttäuscht, dass das rücksichtslose Verhalten der Menschen zu einer Verschlechterung der Umwelt geführt hat. „In all den Jahren reisten die Menschen nicht nur nach Chimgan, um die Schönheit hier zu genießen, sondern auch die saubere Luft, das reine Wasser und um die Seele baumeln zu lassen. Hier ist es zu jeder Jahreszeit schön. Das Meer aus Blüten im Frühling… Aber leider fehlt es den Menschen oft an Verständnis und so pflücken sie einfach Blumensträuße und karren haufenweise die Blumen fort. Darunter leidet die Umwelt natürlich“, sagt Popov.

Er macht sich Sorgen, dass bei einem Fortdauern dieses „räuberischen“ Umgangs mit der Natur die Artenvielfalt von Flora und Fauna in Chimgan leidet. „So ist zum Beispiel die Rosenwurz verschwunden. Praktisch sind nur noch sehr wenige Exemplare übriggeblieben, früher wurde sie säckeweise abtransportiert. Die Murmeltiere wurden ausgerottet. Es gab Zeiten, da sind wir nach Oksay (Anm. d. Red.: eine Schlucht im Chimgan-Gebiet) bis auf 2000 Höhenmeter aufgestiegen, wo es überall Höhlen gab und Murmeltiere herauskamen und pfiffen. Und jetzt ist es still“, erzählt der Lawinenexperte.

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Im Hinblick auf den globalen Klimawandel und die fortschreitende Zerstörung von Ökosystemen hat Chimgan nicht nur einen Wert als Erholungsgebiet, findet Popov. Doch durch die mangelnde Regulierung des Tourist:innenstroms und die noch wachsende Zahl an Tourist:innen steigt auch für Chimgan die Gefahr der Zerstörung. Jeder Meter Land wird für den Bau von Hotels und kilometerlangen Zäunen genutzt. In Chimgan existieren schon Dutzende Hotels und noch mehr Gästehäuser und Datschen, die im Naturschutzgebiet stehen.

Bereits jetzt ist Chimgan von einem merklichen Wassermangel betroffen. Es gibt nicht genügend Parkplätze. Außerdem ist unklar, wohin die Abwässer der mehrstöckigen Hotels fließen. Über diese Probleme wird jedoch nicht gesprochen, sie haben für die Entscheidungträger:innen keine Priorität. Und die Abwässer werden potenziell noch als „Geschenk“ an die Natur gesehen, erzählt der Lawinenexperte.

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Wozu braucht es so viele Herbergen, wenn die existierenden unter der Woche leer stehen? Außer den Hotels wird jedes dritte oder vierte Haus im Ort als Datscha oder für Urlaub im Aiwan oder im Tapchan vermietet. Zuerst müssen wir die Probleme mit dem Wassermangel, der fehlenden Kanalisation und die Parkplatzsituation angehen. Darauf möchte ich alle aufmerksam machen. Kommt nach Chimgan, erholt euch, habt eine gute Zeit, genießt, aber lasst keinen Müll zurück, denn wer soll das alles aufräumen?“, resümiert Albert Popov.

Redaktion von CABAR Asia

Aus dem Russischen von Marie Schliesser

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