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Turkmenistan auf dem Weg zu einem eigenen Intranet

Mit dem Projekt eines neuen, autonomen und nationalen Netzwerks bekundet Turkmenistan die Absicht, die bereits bestehende Internetzensur noch weiter zu verschärfen.

ecollet 

Übersetzt von: Lukas Kühne

Original (10. März 2023)

Internet Symbolbild
Turkmenistan plant, sein Internetnetzwerk weiter zu schließen (Illustrationsbild, Darwin Laganzon/ Pixabay)

Mit dem Projekt eines neuen, autonomen und nationalen Netzwerks bekundet Turkmenistan die Absicht, die bereits bestehende Internetzensur noch weiter zu verschärfen.

Die turkmenische Regierung möchte in den kommenden Jahren ein „nationales digitales Netzwerk“ errichten. Das Projekt wurde, laut Eurasianet, am 10. Dezember letzten Jahres per Präsidialdekret genehmigt. Es droht die Rechte turkmenischer Bürger:innen weiter einzuschränken und die Isolation des Landes voranzutreiben.

Derweil hat das turkmenische Außenministerium während einer Sitzung des UN-Menschenrechtsausschusses in Genf Anfang März den Vorwurf zurückgewiesen, das Internet zu blockieren und die Arbeit der Medien zu behindern, berichtet Turkmen News, ein unabhängiges turkmenisches Nachrichtenportal mit Sitz in den Niederlanden.

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Gegen diese Darstellung spricht unter anderem, dass Turkmenistan 2022 zu den Ländern mit den längsten, absichtlich herbeigeführten Internetausfällen gehörte und sich damit einer autoritären Art der Kontrolle der Informationsströme bedient. Die beliebtesten sozialen Netzwerke sowie die Gesamtheit der unabhängigen Medien sind zensiert und eine Vielzahl der weltweit existierenden IP-Adressen sind nicht erreichbar, so Turkmen News.

Das Projekt bleibt vage

Im Januar 2022, so erklärt ein Artikel der zentralasiatischen Abteilung des russischen Mediums Mediazona, beauftragte der damalige Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow das Ministerium für Innere Sicherheit damit, „die Arbeit von Internetquellen einzuschränken, die Informationen in unserem Land verbreiten, die der verfassungsmäßigen Ordnung unseres Staates schaden […].“ Im September letzten Jahres soll der turkmenische Außenminister Raşit Meredow das Projekt eines eigenständigen digitalen Netzwerks bei einer Regierungssitzung angekündigt haben.

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Im Staatlichen Programm zur Cybersicherheit Turkmenistans für 2022-2025, das Turkmen News veröffentlicht hat, wird das neue Netzwerk als „geschützter nationaler Informationsraum“ bezeichnet. Aus dem Dokument geht die geplante Ausbildung von Fachkräften im Bereich der Cybersicherheit hervor sowie der nicht näher definierte Ausbau des „Schutzes vor Cyberbedrohungen in Einrichtungen für Cybersicherheit und Cyberverteidigung“. Über die Struktur des geplanten Netzwerks und die Mittel zu seiner Verwirklichung gibt das Dokument kaum Aufschluss.

Veraltet und langsam

Das Internet in Turkmenistan ist nach wie vor veraltet. Erst seit einigen Jahren versucht die Regierung die Digitalisierung der Wirtschaft voranzutreiben. „In einer Welt, wo die Staatschefs eigene Konten in den sozialen Medien unterhalten, müssen selbst Länder wie Turkmenistan zumindest Webseiten einrichten“, schreibt Mediazona.

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Die Internetnutzung befindet sich in Turkmenistan auf einem Niveau, das mit dem der 2000er Jahre vergleichbar ist. Die beiden Anbieter im Land, Turkmentelecom und Ashgabat City Telephone Network, boten im letzten Jahr Tarife mit Geschwindigkeiten von 2 Megabit pro Sekunde (Mb/s) an, während in den anderen zentralasiatischen Staaten 100 Mb/s die Regel sind.

Mobiles Internet wird vom alleinigen turkmenischen Anbieter Altyn Asyr (TmCELL) bereitgestellt, mit einer Geschwindigkeit bei 9 bis 10 Mb/s, gegen durchschnittlich 20 bis 25 Mb/s in den Nachbarländern. Nur die Hauptstadt Aschgabat genießt eine relativ gute 4G-Abdeckung, so das Laden einer beliebigen neueren Webseite oft schon viel Zeit in Anspruch nehmen kann.

China oder Nordkorea?

Eurasianet zeigt sich besorgt, dass Turkmenistan „eine noch drakonischere Version einer Firewall nach chinesischem Vorbild“ errichten könnte, während Turkmen News erklärt, dass selbst das stark kontrollierte chinesische Internet nicht als autonom bezeichnet werden kann. Das nordkoreanische Modell kommt einem nationalen Netzwerk am nächsten, doch die Turkmenische Regierung ist, dem Artikel von Mediazona zufolge, noch weit von der Fähigkeit zur Errichtung eines solchen Netzwerks entfernt.

Bisher haben offizielle turkmenische Medien nur über Kopien ausländischer Dienste berichtet, wie etwa über eine Webseite zur Taxibestellung, für Regierungsdienste, einen Messenger oder auch eine Suchmaschine – Dienste, die kaum jemand nutzt und die meist kurz nach ihrer Einführung unbemerkt eingehen.

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Für Louis Pétiniaud, Forscher am Französischen Institut für Geopolitik, zeugt die massenhafte Blockierung von IP-Adressen und virtuellen privaten Netzwerken (VPN) bei einem Land wie Turkmenistan allerdings von „einer gewissen technische Kompetenz“. Die Republik Turkmenistan gehört dank einer hyperzentralisierten Netzwerkstruktur weltweit bereits zu den Ländern mit der rigidesten Internetkontrolle.

Um ein Netzwerk zu isolieren und die Kontrolle darüber zu festigen, muss man in der Regel versuchen, die Zahl der Zugänge nach außen zu reduzieren. Da es in Turkmenistan nur zwei Festnetzbetreiber gibt, von denen Turkmentelecom der größte ist, ist es leicht, entsprechende Gesetze durchzusetzen “, erklärt Pétiniaud. Die Ankündigung eines autonomen Netzwerks bedeutet also keinen qualitativ neuen Schritt. Sie besiegelt jedoch die faktisch längst bestehende Unfreiheit der turkmenischen Internetlandschaft.  

Emma Collet, Journalistin für Novastan France

Aus dem Französischen von Lucas Kühne

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