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„Selbst das Atmen ist schwerer geworden“ – Kritische Luftverschmutzung in Taschkent

In den vergangenen Jahren ist die Luftverschmutzung in den Hauptstädten Zentralasiens zu einem offenkundigen Problem geworden. Dabei hat im vergangenen Jahr insbesondere Usbekistans Hauptstadt Taschkent sämtliche Rekorde übertroffen. Die Luftverschmutzung ist vor allem durch Industrie, Autoverkehr und fossile Brennstoffe verursacht und wird noch durch die geographische Lage Taschkents und den Klimawandel verschärft. Insbesondere Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden darunter.

Die Luftverschmutzung ist in Taschkent zu einem zunehmenden Problem geworden, Photo: Abdulhak Turgunov / CABAR

In den vergangenen Jahren ist die Luftverschmutzung in den Hauptstädten Zentralasiens zu einem offenkundigen Problem geworden. Dabei hat im vergangenen Jahr insbesondere Usbekistans Hauptstadt Taschkent sämtliche Rekorde übertroffen. Die Luftverschmutzung ist vor allem durch Industrie, Autoverkehr und fossile Brennstoffe verursacht und wird noch durch die geographische Lage Taschkents und den Klimawandel verschärft. Insbesondere Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden darunter.

In den letzten Monaten tauchte Taschkent mehrfach unter den zehn am stärksten verschmutzten Städten der Welt auf. Dabei wurde etwa die Luftqualität in der Hauptstadt Usbekistans im Januar 2024 an 19 Tagen als „schädlich für die Gesundheit“ und lediglich an einem Tag als „moderat“ bewertet. Die Bewertung bezieht sich dabei auf die AQI-Luftqualitätsskala, die durch das Schweizer Technologie-Unternehmen IQ Air erstellt wird, welches weltweit die Luftverschmutzung überwacht.

Die Meldungen zur Luftqualität des vergangenen Jahres bezeugen dabei einen Anstieg in der Konzentration von Schadstoffen in der Luft Taschkents, was Fragen über dessen Auswirklungen auf die Gesundheit und die Nachhaltigkeit in der Stadt aufwirft. Die Situation ist insbesondere für Menschen mit Atemwegserkrankungen schwierig geworden.

Einschränkungen im Alltag

Der 61-jährige Bewohner von Taschkents Sergeli-Bezirk, Mansur Mohirov, leidet unter Asthma. Er erzählt, dass er aufgrund der schlechten Luftqualität versucht, möglichst schon um fünf Uhr morgens spazieren zu gehen, bevor die Stadt wieder zum Leben erwacht. Andernfalls falle ihm das Atmen schwer. „Diese Luft auf der Straße bringt mich um. Sogar das Atmen ist schwerer geworden. Meine Gesundheit hat sich deutlich verschlechtert und die Allergien sind schlimmer geworden. Sogar während der Pandemie war die Luft besser. Aber jetzt ist die Situation einfach katastrophal. Tagsüber öffnen wir die Fenster nicht. Wenn die Fenster geöffnet sind und man dann nach 15-20 Minuten mit dem Finger über die Fensterbank fährt, hat sich dort bereits eine Staubschicht abgesetzt“, erzählt Mohirov.

Nach einer Vielzahl von Regenschauern und Schneefällen hat sich die Luftqualität geringfügig verbessert, insgesamt bleibt die Situation dennoch schlecht. Das Portal IQ Air gab am 21. Februar 2024 bekannt, dass das Niveau der Luftverschmutzung in Taschkent die Norm um ein Vielfaches übersteigt. Um 9:30 Uhr morgens hielt die Messstation in Usbekistans Hauptstadt einen Wert von 247 AQI fest. Die Feinstaub-Konzentration überstieg den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Jahresmittelwert für Luftqualität um das 39,3-fache.

Menschengemachte Luftverschmutzung

All diese Probleme sind mögliche Nebenwirkungen des zielstrebigen urbanen Wachstums, das Taschkent in den vergangenen Jahren ergriffen hat, sowie auch durch den Klimawandel bedingt, denken Expert:innen. Als Hauptfaktoren für die Verschlechterung der Luftqualität nennen sie die Emissionen aus kohle- und heizölbetriebenen Kraftwerken, die Luftverschmutzung durch Abgase des Straßenverkehrs sowie die Verringerung der Grünflächen aufgrund der sich ständig weiter ausbreitenden Bebauung.

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Marina Plotsen, Expertin des Hydrometeorlogischen Dienstes merkt an, dass in Taschkent, Buchara, Samarkand, Urganch, Termiz und Nukus eine erhöhte Konzentration von Staub in der Luft vorliegt. Ebenso wird in großen Städten wie Taschkent, Nurafshon, Navoiy und Farg‘ona der Gehalt an Stickstoffdioxid überschritten. „Die erhöhten Werte dieser Stoffe in der Luft entstehen durch die Emissionen von Industrieunternehmen, den Kraftverkehr, die Entwicklung der Bauindustrie, die meteorologischen Bedingungen sowie durch die geographische Lage der Republik Usbekistan“, so Plotsen.

Zudem sind nach Meinung des Klimatologen Erkin Abdulahatov die Grünflächen in Taschkent deutlich zurückgegangen. „Noch vor 15 Jahren waren 20-30 Prozent der Stadtfläche begrünt, jetzt beläuft sich dieser Wert auf 10-18 Prozent. Die urbane Bebauung wird aktiv vorangetrieben und statt mit Bäumen und Begrünung „schmückt“ sich die Stadt jetzt mit Beton und Asphalt“, konstatiert Abdulahatov.

Steigende Verwendung von Heizöl und Kohle

Ein weiteres Problem in Bezug auf die Luftverschmutzung stellt die Verwendung von Heizöl für den Betrieb des Taschkenter Heizkraftwerks dar. Heizöl ist wegen seines hohen Gehalts an schädlichen Emissionen wie Schwefel, Schwermetallen und anderen toxischen Stoffen gefährlich. Die Verwendung führt zur Bildung von Smog und einer zunehmenden Umweltverschmutzung, unter anderem der Böden und der Wasserressourcen. Während 2018 im Heizkraftwerk von Taschkent 118.900 Tonnen Heizöl verwendet wurden, stieg der Verbrauch auf 270.000 Tonnen im Jahr 2023 an, was einem Zuwachs um das 2,3-fache entspricht. In den vergangenen vier Jahren ist die Nachfrage nach diesen Energiequellen sowohl in der Industrie als auch unter den Privathaushalten erheblich gewachsen. Der Kohleverbrauch stieg in Usbekistan von 3,9 Millionen Tonnen im Jahr 2019 auf 6,7 Millionen Tonnen im Jahr 2023 an. Nach der Energiekrise im kalten Winter 2022, stiegen zahlreiche Gewächshäuser, Zement- und Ziegelfabriken, Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser auf Kohle als Brennstoff um, um Erdgas zu sparen.

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Daneben nimmt die Zahl der Autos zu, was ebenfalls zur Luftverschmutzung der Stadt beiträgt. Während im Jahr 2021 3,14 Millionen Autos im Land waren, belief sich diese Zahl 2023 auf 4,6 Millionen – ein Anstieg um 32 Prozent. Laut offiziellen Statistiken bewegen sich auf den Straßen Taschkents täglich im Schnitt circa 730.000 Kraftfahrzeuge. Außerdem pendeln täglich aus dem Umland weitere 160.000 bis 300.000 Menschen mit dem Auto nach Taschkent. Besonders schädlich sind dabei Autos, die mit dem AI-80 Benzin fahren, das im Vergleich zu anderen Kraftstoffen wesentlich mehr Schadstoffe in die Atmosphäre abgibt. Circa 73 Prozent der Autofahrer:innen in Usbekistan tanken mit AI-80.

Die städtischen Behörden versuchen mit diesen Problemen einen Umgang zu finden. So hat das Ministerium für Ökologie, Umweltschutz und Klimawandel zusammen mit dem Ministerium für Inneres und Gesundheit am 10. August 2023 eine Veranstaltung zum „Monat der sauberen Luft“ durchgeführt, dessen Ziel es war, die Schadstoffemissionen durch den Autoverkehr zu senken.

Auch die Tatsache, dass die Stadt, beginnend mit der Fällung der Bäume auf dem Amir-Temur-Platz im Jahr 2009, große Teile der Grünflächen verloren hat, ist für die Luftqualität in Taschkent nicht förderlich. 2019 verhängte der Präsident ein Moratorium für das Fällen von Bäumen auf unbestimmte Zeit. Nichtsdestotrotz wird weiterhin eine große Anzahl von Bäumen gefällt. Lokale Medien berichteten, dass seit der Einführung des Moratoriums ungefähr 49.000 weitere Bäume gefällt wurden, meist durch Bauunternehmen, die sich von den niedrigen Bußgeldern nicht einschüchtern lassen. Eine ähnliche Situation herrscht auch in anderen Regionen Usbekistans. So fällte in der Ortschaft Gurlan (Provinz Choresm) ein Verwalter 81 vollkommen gesunde Pappeln, was der Natur einen Schaden von rund 618,1 Millionen usbekische Sum (mehr als 49.000 US-Dollar) zufügte.

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Die Aktivitäten des Menschen tragen entscheidend zur Luftverschmutzung der Stadt bei, sei es durch ununterbrochenen Baubetrieb, Energieerzeugung, Industrie, Autoverkehr und Landwirtschaft. Die Expert:innen weisen darauf hin, dass sich Taschkent in einem Tal befindet. Die Gebäudeplanung sollte deshalb wohlüberlegt sein, da eine übermäßige Bebauung die Luftzirkulation stört. Aufgrund des Klimawandels werden in Usbekistan immer häufiger extreme Wetterereignisse beobachtet, wie etwa Staubstürme, anomale Winter und heiße Sommer mit Dürren.

Die Regierung des Landes hat angesichts einer derart starken Luftverschmutzung und dessen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit Anstrengungen unternommen, den Schaden zu begrenzen. So wurde im Jahr 2023 ein Verbot von Neubauten erlassen, das bis zur Genehmigung eines Generalplans der Stadt gelten soll.

Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität

Aus dem Umweltministerium heißt es, dass die Installation von Staub- und Abgasreinigungssystemen in Industrieanlagen der ersten und zweiten Umweltbelastungskategorie geplant sei und dass vorgesehen ist, bestehende Systeme umzubauen und zu modernisieren. Außerdem ist die Einführung von speziellen Beobachtungsposten geplant, die die Quellen der Luftverschmutzung nachverfolgen werden. Weiterhin sollen automatische Stationen zum Umweltmonitoring aufgestellt werden.

Zu den Maßnahmen zur Verbesserung der Situation gehören die Umstellung des öffentlichen Verkehrs in Taschkent auf alternative Gas- und Elektrokraftstoffe, die Schaffung künstlicher Wasserreservoirs zur Gewährleistung der Klimastabilität und zur Verbesserung der Luftqualität sowie die Einrichtung verkehrsfreier Zonen in zentralen Straßen der Stadt. Außerdem sind die Einführung von Beschränkungen auf die Verwendung von Heizöl als Ersatzbrennstoff in Heizkraftwerken, die Schaffung eines „grünen Gürtels“ rund um Taschkent (um die Windgeschwindigkeit zu verringern und die Fortbewegung von Staubpartikeln zu verhindern) sowie andere Maßnahmen, um schädliche Auswirkungen durch den Klimawandel zu verringern, geplant.

Alle diese Maßnahmen könnten zukünftig die Situation verbessern. Bis dahin muss der an Asthma leidende Mansur Mohirov weiter mit einer speziellen Maske auf die Straßen Taschkents gehen, um Anfälle zu vermeiden.

Rano Gaibullayeva und Abdulhak Turgunov für CABAR

Aus dem Russischen von Marie Schliesser

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