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Hungern gegen das Regime: Turkmenischer Gefangene erregt internationale Aufmerksamkeit

Er habe sich an Drogenschmuggel beteiligt und Kinderpornografie in Umlauf gebracht, heißt es in der Anklage gegen Mansur Mingelow als er 2012 vor Gericht steht. Das Urteil: 22 Jahre Haft. Mingelow beteuert seine Unschuld. Die Anklage basiere vor allem auf schriftliche Zeugenaussagen, deren Unterzeichner Medienberichten zufolge nicht Turkmenisch sprächen. Auch habe Mingelow nach eigenen Angaben seinen Anwalt nicht frei wählen dürfen; auf eine Gegenüberstellung der Verdächtigen sei verzichtet worden. Zudem hätten die Ermittler seinen Bruder und ihn geschlagen und Angehörigen gedroht.

Die Redaktion 

Pass Mingelow
Pass Mingelow

Er habe sich an Drogenschmuggel beteiligt und Kinderpornografie in Umlauf gebracht, heißt es in der Anklage gegen Mansur Mingelow als er 2012 vor Gericht steht. Das Urteil: 22 Jahre Haft. Mingelow beteuert seine Unschuld. Die Anklage basiere vor allem auf schriftliche Zeugenaussagen, deren Unterzeichner Medienberichten zufolge nicht Turkmenisch sprächen. Auch habe Mingelow nach eigenen Angaben seinen Anwalt nicht frei wählen dürfen; auf eine Gegenüberstellung der Verdächtigen sei verzichtet worden. Zudem hätten die Ermittler seinen Bruder und ihn geschlagen und Angehörigen gedroht.

Mingelow ist Belutsche, er gehört damit einer unterdrückten Minderheit in Turkmenistan an. Nachdem er zuvor schon einmal wegen mutmaßlichen Drogenschmuggels verhaftet worden war, sammelte Mingelow Beweise über polizeilichen Missbrauch und Folter an Häftlingen. 11 Fälle, von denen die meisten Belutschen aus der südöstlichen Provinz Mary waren. Mingelow hatte alles an die OSZE, die Amerikanische Botschaft in Aschgabat und den turkmenischen Generalstaatsanwalt weitergereicht. Kurz darauf wurde der Vater eines Kindes erneut verhaftet und zu 22 Jahren Haft verurteilt.

Wenn nötig, bis zum Tod

Am 19. Mai dieses Jahres erklärt der 39-Jährige, dass er jegliche Nahrungs- und Wasseraufnahme verweigert. Er protestiert damit gegen seine Verurteilung und fordert einen neuen Prozess. Unterstützt wird er dabei von der internationalen Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die die turkmenische Regierung dringend auffordert, die Rechte Mingelows zu respektieren, und ihm einen neuen Prozess zu gewähren. Der Häftling verlangt ein Treffen mit dem Generalstaatsanwalt von Turkmenistan und dem Nationalen Institut für Demokratie und Menschenrechte. Er will eine erneute Untersuchung im Verfahren gegen ihn erreichen. Kurz nach Beginn des Hungerstreiks soll ein Staatsanwalt bei einem Besuch im Gefängnis Mingelow mit Zwangsfütterung gedroht haben – laut Amnesty International ein menschenunwürdiger Umgang mit Gefangenen.

Unterdessen wird der Familienvater immer schwächer. Anfang Juni berichten mehrere Medien davon, dass ihm nur noch Stunden blieben. Angehörige bitten ihn, zumindest etwas Wasser zu sich zu nehmen, doch Mingelow weigert sich. Er wolle entweder seine Unschuld beweisen oder in Würde sterben, soll er nach Aussagen seiner Familie als Begründung angegeben haben. Daraufhin wendet sich diese laut Berichten von Alternative Turkmenistan News (ATN) an die US-Botschaft, zu deren Vertreter Mingelow Kontakte pflegte. Diplomatische Maßnahmen zu seiner Freilassung seien aber erst dann möglich, wenn die Botschaft sich seiner Unschuld sicher sei, heißt es. Eine Woche vergeht. Dann berichtet ATN vom Ende des Hungerstreiks.

Mingelow habe sich nach dem Besuch von mehreren offiziellen Vertretern und der Verbesserung seiner Haftbedingungen für die Unterbrechung des Streiks entschlossen; sein Zustand sei wieder stabil. Währenddessen führt die Polizei erneute Befragungen durch und Familienangehörige Mingelows übermitteln der US-Botschaft in Aschgabat Dokumente, die die Unschuld des Inhaftierten beweisen sollen. So berichtet auch die russische Nachrichtenagentur Fergananews, der Hungerstreik sei „wahrscheinlich nach dem Versprechen, den Fall nochmal zu überarbeiten“ unterbrochen worden. Amnesty International hegt jedoch Zweifel daran, dass es tatsächlich einen neuen Prozess geben werde.

Ethnische Spannungen im Südosten

Turkmenistan ist als einer der repressivsten Staaten der Welt bekannt, mit einem Rechtssystem das oft für politische Zwecke missbraucht wird und von einer starken Undurchsichtigkeit geprägt ist. Auch Folter und Misshandlungen in Strafvollzugsanstalten sind nach Angaben von Amnesty International ein verbreitetes Problem.

Das Schicksal zahlreicher politischer Gefangener bleibt der Außenwelt oft über Jahre verborgen. So  ist etwa auch unklar, ob der 2002 inhaftierte ehemalige Außenminister, Boris Schichmuradow, noch am Leben ist. Dass Mingelows Fall derart große Aufmerksamkeit erhalten hat, liegt vermutlich an seinen politischen Kontakten.

Besonders die auf dem Land lebenden Angehörigen von Minderheiten werden Opfer strafrechtlicher Repressionen – dazu gehören vor allem Usbeken und Belutschen, denen der Unterricht in ihrer eigenen Sprachen de facto verboten ist. In dem von vielen Belutschen bewohnten Südosten des Landes ist es an der Grenze zu Afghanistan in letzter Zeit zu Spannungen gekommen. Ein Grund dafür könnten die grenzübergreifenden Kontakte unter den Minderheiten sein. Sie untergraben die von der turkmenischen Regierung verfolgte Abschottungspolitik.

Die Redaktion von Novastan.org

 

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