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Coronavirus: Turkmenistans undurchsichtiges Spiel zwischen Prävention und Desinformation

Als die Weltgesundheitsorganisation ihre Inspektion in Turkmenistan beginnt, fangen die TurkmenInnen an Masken zu tragen. Ein Mittel im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus oder um das Einatmen von Staub zu vermeiden? Widersprüchliche Informationen verkomplizieren das Geheimnis des turkmenischen Corona-Managements weiter.

WHO Turkmenistan
Am 6. Juli ist eine Delegation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Turkmenistan eingetroffen

Als die Weltgesundheitsorganisation ihre Inspektion in Turkmenistan beginnt, fangen die TurkmenInnen an Masken zu tragen. Ein Mittel im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus oder um das Einatmen von Staub zu vermeiden? Widersprüchliche Informationen verkomplizieren das Geheimnis des turkmenischen Corona-Managements weiter.

Möchten Turkmenistans Behörden der Bevölkerung die Unannehmlichkeiten einer Allergie ersparen oder verbergen sie Fälle des Coronavirus? Das regierungsnahe Nachrichtenportal Turkmen-Portal hat am 7. Juli eine Liste mit Tipps veröffentlicht, mit denen sich die Bevölkerung vor Staub schützen kann. In dem Artikel heißt es, dass die Behörden eine abnormale Staubkonzentration in der Luft festgestellt haben und aus Sorge um die EinwohnerInnen der Hauptstadt Aşgabat das Tragen von Masken empfehlen. Allerdings wird auch geraten, Räume so gut wie möglich zu lüften. Ebenso sei es notwendig, die Hände mindestens 20 Sekunden lang gründlich zu waschen, was selten empfohlen wird, um eine überhöhte Staubbelastung der Luft zu beseitigen.

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Diese Empfehlungen erfolgen zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Delegation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Turkmenistan bereist. Wie Hans Kluge, Europadirektor der WHO, via Twitter mitteilte, war es der WHO am 6. Juli nach monatelangen Verhandlungen gelungen, Turkmenistan zu besuchen, um die Situation um das Coronavirus zu bewerten.

Nach offiziellen Angaben gibt es im Land keine Fälle von Covid-19. Aber seit dem Frühjahr häufen sich Verdachtsmomente. So berichtete im Mai beispielsweise Radio Azatlyk, der turkmenische Dienst des amerikanischen Medienhauses Radio Free Europe, dass sich die Friedhöfe in Aşgabat mit einer ungewöhnlichen Geschwindigkeit füllten, weil dort Menschen begraben würden, die an Lungenerkrankungen gestorben seien. Ein weiteres Indiz ist, dass sich Turkmenistan lange weigerte, überhaupt WHO-Inspektionen zuzulassen. Auch wenn das Land inzwischen den Besuch einer WHO-Delegation akzeptiert hat: Die konkrete Route wurde von den Behörden geplant, die so genügend Zeit hatten, sich auf die Kontrollen vorzubereiten.

Widersprüchliche Informationen

Der Grund für die gesundheitlichen Maßnahmen, die die TurkmenInnen ergreifen sollen, bleibt aber unklar. Während einige Informationen wie ein Vorwand erscheinen, um sanitäre Maßnahmen durchzusetzen, erwähnen andere eindeutig das Coronavirus. In einer Pressemitteilung des Außenministeriums vom 8. Juli, die über Turkmenistans Bewältigung der Epidemie berichtet, wird betont, dass die Behörden sehr schnell strenge Maßnahmen wie die Schließung der Grenzen ergriffen haben. Ebenso erklärt die Website des Gesundheitsministeriums genau, was das Coronavirus ist, wie es übertragen wird und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine Ausbreitung zu verhindern. Turkmenistan ist demnach weit davon entfernt, das Wort Coronavirus aus seinem Vokabular verbannt zu haben, wie einige Medien Ende März behauptet hatten.

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Doch unter den medizinischen Ratschlägen basieren einige auch auf der traditionellen Medizin. So empfiehlt das Gesundheitsministerium einen bestimmten Lebensstil, um Infektionskrankheiten zu vermeiden. Sport zu treiben, rote Paprika zu essen und Fisch oder Fleisch zu vermeiden, wird dringend empfohlen.

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Besonderes Augenmerk wird auf traditionelle Heilpflanzen aus Turkmenistan gelegt, die mehrfach erwähnt werden. Für weitere Details sei es sogar ratsam, die 11 Bände von Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow zu diesem Thema zu lesen. Am 15. März, als die Pandemie weltweit in vollem Gange war, veröffentlichte Turkmenistans staatliche Nachrichtenagentur TDH ein Video mit dem Titel „Harmala – das Heilmittel für viele Krankheiten“, in dem die turkmenische Pflanze gegen verschiedene Leiden empfohlen wird. So führt Turkmenistan ein undurchsichtiges Spiel mit Informationen zum Coronavirus, in dem Vorwände zur Durchsetzung von Gesundheitsmaßnahmen, Informationen von wahrhaft wissenschaftlichem Wert und Hausmittel sich abwechseln.

Turkmenistan und die WHO

Am 6. Juli landete dann die WHO-Delegation in Turkmenistan und forderte das Land auf, das bestmögliche Bild zu vermitteln. Der Besuch ist das Ergebnis langwieriger Verhandlungen, da Turkmenistan die Inspektionen der WHO lange abgelehnt hatte.

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Obwohl mit Paulina Karwowska eine WHO-Vertreterin langfristig in Turkmenistan ist, kann sie ihrer Arbeit nicht frei nachgehen. Wie das amerikanische Nachrichtenportal Eurasianet im Mai berichtete, konnte sie auf offiziellen Besuchen im ganzen Land nur Situationen sehen, die von den Behörden vollständig kontrolliert wurden. Als Diplomatin musste sie zwischen Erklärungen, in denen Turkmenistan für sein Krisenmanagement gelobt wurde, und Druck, die WHO angemessen zu empfangen, hin- und herpendeln. Dies scheint sich jetzt, wo eine Delegation anreisen konnte, bezahlt gemacht zu haben. Allerdings bestehen Zweifel an den Bedingungen dieses Besuchs, da er ebenfalls in einem starren Rahmen durchgeführt wird.

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Neben der WHO, die keine andere Wahl hat, als die Karte der Zusammenarbeit zu spielen, gibt es auch kritischere Stimmen. So hat die US-Botschaft in Turkmenistan am 23. Juni Alarm geschlagen und in einer Erklärung auf ihrer Website Turkmenistan zwei Verfehlungen vorgeworfen. Einerseits würden Menschen, die alle Symptome des Coronavirus zeigen, nicht getestet. Andererseits würden diese Menschen dann gegen ihren Willen (und auf eigene Kosten) auf unbestimmte Zeit in Quarantäne-Zentren geschickt. Dies verschlechterte die Beziehungen zwischen den beiden Ländern noch weiter, als Turkmenistan diese Veröffentlichung als Fake News bezeichnete.

Héloïse Dross, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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