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Tadschikistans Dörfer sammeln Schmelzwasser

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler prognostizieren Zentralasien eine beträchtliche Wasserknappheit ab spätestens 2030. Doch schon heute bahnt sich diese Entwicklung zusehends an, vor allem in Tadschikistan. Seit einem Jahr sammeln die Dorfbewohnerinnen und -bewohnern das Wasser für ihren gesamten Bedarf aus den Regenfällen. Die Behörden sind sich des Problems bewusst, eine Lösung ist jedoch noch nicht absehbar.

Schafhirte Berge Tal Kirgistan
In diesem von der Sommerhitze und Trockenheit verblichenem Tal kehren die Hirten und ihre Schafe nach einigen Monaten in den Bergen nach Hause zurück

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler prognostizieren Zentralasien eine beträchtliche Wasserknappheit ab spätestens 2030. Doch schon heute bahnt sich diese Entwicklung zusehends an, vor allem in Tadschikistan. Seit einem Jahr sammeln die Dorfbewohnerinnen und -bewohnern das Wasser für ihren gesamten Bedarf aus den Regenfällen. Die Behörden sind sich des Problems bewusst, eine Lösung ist jedoch noch nicht absehbar.

Das Problem der Wasserknappheit in Lolasor besteht schon seit Jahren. Das Dorf liegt in den Ausläufern des Rajons Wachsch im Oblast Chatlon, 140 Kilometer südlich von der Hauptstadt Duschanbe. Es ist Teil der ländlichen Gemeinde Maschal und liegt zwischen den drei Rajons des Oblasts Chatlon – Wachsch, Kuschonijon und Dangara.

Vor zehn Jahren lebten etwa 40 Familien in Lolasor, heute sind es 80, die Einwohnerzahl steigt von Jahr zu Jahr. Laut den Dorfbewohnerinnen und -bewohnern verschärft sich die Knappheit mit wachsender Bevölkerung, sowohl in puncto Trinkwasser als auch bezüglich der landwirtschaftlichen Bewässerung.

Dawlat Gaffurow, ein 75-jähriger Dorfbewohner, erzählte im Interview mit CABAR.asia, dass sie schon seit vielen Jahren kein sauberes Wasser zum Trinken oder Waschen haben. In der Not sammeln sie, besonders in der Regen- und Schneesaison, Regen- und Schmelzwasser oder kaufen bis zu vier Tonnen sauberes Trinkwasser für 150 Somoni (etwa 15 Dollar).

„Wenn es regnet, läuft das Wasser vom Dach durch Abflüsse in spezielle Gruben. Der gesammelte Vorrat reicht bis Mitte Herbst. Geht das Wasser zur Neige, kaufen wir es nach“, erklärt Gaffurow.

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Anwar, ein anderer Dorfbewohner, erinnert sich, dass es zu Sowjetzeiten noch Wasser in Lolasor gab. Es kam über Wasserleitungen aus dem Fluss Wachsch, Zufluss des Amudarja, hierher.  Doch dann wurden die Rohre baufällig und verstopften, bis schließlich kein Wasser mehr hindurchfloss.

„Das in den Gruben gesammelte Wasser nutzen wir zum Kochen, zum Waschen und selbstverständlich trinken wir es auch“, erzählt er.

Sparsamer Umgang mit Wasser

Der 67-jährige Dawlatmoch beschreibt, welche Strategien er und andere Dorfbewohner nutzen, um möglichst wenig Wasser zu verschwenden: „Wir sparen an allen Ecken und Enden, beim Waschen der Kleidung, und sogar, wenn wir uns Gesicht und Hände waschen. Da schafft das gekaufte Wasser auch nur wenig Abhilfe. Wir verschwenden keine Sekunde, wenn wir uns waschen, und unsere Kleidung waschen wir nicht mal richtig gründlich. Es reicht hinten und vorne nicht.“

Dawlat Gaffurow sagt, dass die Ernte auch maßgeblich von den Niederschlägen abhängt: „Was sollen wir denn ohne Wasser anbauen? Unser Trockenfeldbau (Ackerbau ohne künstliche Bewässerung, Anm. d. Red) ist auf genügend Regen und Schnee angewiesen. Eine Dürre bringt uns um die Ernte.“

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Totschiddin Safarow, Mitarbeiter der Abteilung für Landgewinnung und Bewässerung in Wachsch, bestätigte, dass es vielen Dörfern des Rajons an einem Wasserversorgungssystem fehlt. Allerdings weigerte sich Safarow, Statistiken vorzulegen, und konnte keine Angaben zum zukünftigen Zugang zu Wasser machen.

Die Abteilung für Wasserversorgung im Oblast Chatlon weigerte sich ebenfalls, derlei Statistiken vorzulegen. Die Abteilung für Umweltschutz selbigen Oblasts teilte derweil mit, dass die Wasserknappheit fast alle Rayons beträfe.

Es betrifft das ganze Land

Die lokalen Medien thematisierten die Wasserknappheit im Süden Tadschikistans bereits 2024. Die Zeitung Farasch berichtete 2022, dass allein im Rajon Churoson 85 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hatten. Ein Vertreter der Rajonverwaltung von Churoson bestätigte gegenüber CABAR.asia, dass dort ebenfalls ein Mangel an Trink- und Bewässerungswasser herrsche.

Kamol Kurbonow, ein Umweltexperte im Oblast Chatlon, bedauerte, dass die Zahl der Dörfer, die unter Wassermangel leiden, immens hoch sei. Dies sei vor allem auf defekte oder unbrauchbare Wasserversorgungsanlagen oder Pumpen aus der Sowjetzeit zurückzuführen.

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„Das Problem besteht in fast allen Regionen. Wir könnten es lösen, indem wir internationale Organisationen einbeziehen, die sich für die Menschen hier einsetzen“, so Kurbonow.

Kamol Kurbonow fügte erklärend hinzu, dass Wasser aus Gräben und Bächen kein sauberes Trinkwasser darstellt, aus dem einfachen Grund, dass es nicht gefiltert ist.

„Selbst dort, wo Städte und Dörfer über Wasser verfügen, ist der Zugang der Bevölkerung zu sauberem Trinkwasser nicht gewährleistet. Das liegt an dem völlig unhygienischen Zustand der örtlichen Bäche und Kanäle“, so Kamol Kurbonov.

Redaktion von CABAR.asia

Aus dem Russischen von Arthur Siavash Klischat

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