Startseite      Made in USSR: Warum ein junger Musiker aus Duschanbe sowjetische E-Gitarren sammelt und restauriert

Made in USSR: Warum ein junger Musiker aus Duschanbe sowjetische E-Gitarren sammelt und restauriert

Ruslan Karimow aus Duschanbe kauft sowjetische Instrumente aus ganz Tadschikistan, repariert sie und gibt ihnen ihr ursprüngliches Aussehen zurück. Dieses Hobby bereitet ihm ästhetisches Vergnügen. Meistens kauft er sie für kleines Geld, manchmal aber investiert er einen großen Teil seines Gehalts. Der Artikel erschien am 25. Oktober im russischen Original auf der tadschikischen Nachrichtenseite Asia Plus.

Asia Plus 

Sammlung Made in USSR
Ein Teil der Gitarrensammlung von Ruslan

Ruslan Karimow aus Duschanbe kauft sowjetische Instrumente aus ganz Tadschikistan, repariert sie und gibt ihnen ihr ursprüngliches Aussehen zurück. Dieses Hobby bereitet ihm ästhetisches Vergnügen. Meistens kauft er sie für kleines Geld, manchmal aber investiert er einen großen Teil seines Gehalts. Der Artikel erschien am 25. Oktober im russischen Original auf der tadschikischen Nachrichtenseite Asia Plus.

Ruslan Karimow entdeckte seine Leidenschaft für das Sammeln sowjetischer Instrumente schon in der Jugend. Mit 15 Jahren lernte er Gitarrespielen und kaufte sich seine erste E-Gitarre der Marke Aelita, die eigentlich nur noch als Brennholz gut war und 15 Somoni kostete (nach aktuellem Kurs 1,20 Euro).

Heute besteht seine Sammlung aus 19 Instrumenten, von denen einige noch reparaturbedürftig sind. „Alles geschah spontan. Anfangs hatte ich keine Ahnung, wie man sowjetische Instrumente sammelt“, erzählt Ruslan. „Als ich versuchte, die E-Gitarre zu beherrschen, merkte ich schnell, dass das nichts für mich ist. Aber ich gab die Suche nach dem passenden Instrument nicht auf. Sie führte mich zur Bassgitarre, die später zum Lebensstil wurde. Ich hatte kein Geld für ein gutes Markeninstrument, also kaufte ich einen sowjetischen Bass für 100 Somoni [etwa acht Euro]. Nachdem ich ihn eine Weile gespielt hatte, merkte ich, dass mir gefiel, wie er aufgebaut ist und aussah.“.

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Wie Ruslan erklärt, unterscheiden sich sowjetische Instrumente nicht nur äußerlich von ihren ausländischen Pendants, sondern auch in Sachen Klangqualität und Entwurf: „Sie sind in ihrer Art einzigartig, und genau das hat mich interessiert.“

Ruslan verstand, dass es solche Instrumente in drei oder vier Jahrzehnten nicht mehr geben könnte: Sie drohen „in Vergessenheit geraten“, wenn sie nur noch in heruntergekommenen sowjetischen Zeitschriften erwähnt würden. So beschloss der junge Mann, zumindest einige von ihnen zu behalten. Wo ein Wille ist, ist immer auch ein Weg.

Sich selbst zum Meister machen

Die meisten der E-Gitarren, die er kaufte, waren reparaturbedürftig. Die meisten hatten auch schon ihre Originalform verloren. An einer Tonika-Gitarre konnte man Elemente von Aelita und Wirbel von Jalana finden. Ersatzteile gab es überhaupt nicht. Das war nicht überraschend, denn viele dieser Instrumente waren über 30 Jahre alt.

Ruslan kannte keinen Instrumentenbauer und hatte auch kein Geld, um die Reparaturen zu bezahlen. So entschloss er sich, alles selbst zu lernen. Er nutzte verschiedene Foren, in denen gleichgesinnte Experten miteinander kommunizieren, verfolgte die Life-Hacks der Profis. Durch Versuch und Irrtum lernte er, wie man Gitarren mit eigenen Händen repariert.

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Heute reicht ihm ein kurzer Blick auf das Instrument, um zu verstehen, welche Teile Originale sind und welche nicht, und ob Korpus und Griffbrett in Ordnung sind. Das aufmerksame Auge des Meisters bemerkt sofort untypischer Teile für ein gegebenes Modell, wie zum Beispiel die Lautstärkeregler.

Es ist ihm sehr wichtig, den Instrumenten ihr ursprüngliches Aussehen zu geben, da er sie nicht als Musiker, sondern als Sammler bewertet. Der Klang ist dabei nebensächlich. Alle Details sollten an der richtigen Stelle sein, so wie sie vom Hersteller vorgesehen waren.

Nach Ansicht des jungen Sammlers ist eine Gitarre mit Originalteilen etwas Wertvolles, ein Instrument mit einem Satz chinesischer Teile hingegen nur Brennholz, das man spielbar machen wollte. Ästhetischer Genuss ist für ihn, wenn das Instrument 40 Jahre alt ist und alle Details originalgetreu sind.

Es ist, als hätte man einen Oldtimer aus den 1930er Jahren Stück für Stück zusammengebaut„, meint Ruslan. „Um die Freude des Handwerkers und des Sammlers zu verstehen, muss man genauso verrückt sein“.

Ein alter Freund ist besser als zwei neue

Originalteile sind nicht leicht zu finden und manchmal muss er über das Internet weit außerhalb des Landes suchen. Die Lieferung nach Duschanbe erfolgt entweder per Post oder durch Drittpersonen.

Manche Teile gibt es in europäischen Ländern, andere im postsowjetischen Raum. Es ist nicht ganz einfach, aber durch solche Verbindungen lernt der junge Mann Gleichgesinnte kennen: Sie teilen Erfahrungen und Teile, die mangels Bedarfs in einer Schublade steckten.

Es gibt nur wenige Sammler von E-Gitarren, die in der UdSSR und den Ländern des Warschauer Paktes produziert wurden. Über seine Suche entstehen freundschaftliche Beziehungen zwischen Verkäufern und Käufern.

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In 30 Jahren kann sich das aber alles ändern, glaubt Ruslan. Die Menschen können des perfekten Klangs der Gitarrenmarken Ibanez und Fender überdrüssig werden, und an ihre Stelle könnten alte und sehr eigentümliche sowjetische Instrumente auf die Bühne treten. Dann werden sie teurer, und es wird schwieriger sein, sie zu kaufen.

Gitarren-Retter

Etwa 95 Prozent der E-Gitarren erhalte ich in einem schrecklichen Zustand. Es kommt vor, dass das Instrument voller Teile ist, die bei irgendeinem Ali-Express bestellt wurden“, sagt Ruslan. „Manche Schallkollektoren wurden grob mit Blechschrauben befestigt – eine Axtarbeit, deren Anblick mich schmerzt. […] Für mich ist diese Art von Haltung gegenüber der Rarität barbarisch, denn jede dieser E-Gitarren ist Teil der Musik-Geschichte.

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Eines Tages rettete Ruslan vier sowjetische E-Gitarren vor dem Verfall. Sie befanden sich in der Speisekammer einer Musikschule und waren wegen des undichten Daches seit Jahren durchnässt. Es lebten schon Larven im Holz und er musste die Instrumente sehr lange restaurieren. Das war seine ungewöhnlichste Entdeckung und zugleich ein Beispiel für die Gleichgültigkeit und Sorglosigkeit der Menschen gegenüber der Geschichte.

Heute umfasst Russlans Sammlung elektrische Gitarren aus der UdSSR, der DDR und der Tschechoslowakei. Da er sich aktiv mit Musik beschäftigt, arbeitet er auch mit Instrumenten japanischer und amerikanischer Herstellung.

Nicht für Geld

Nach der Arbeit von Ruslans geschickten Händen klingt jedes Instrument so, wie es zum Zeitpunkt der Produktion geklungen haben könnte. „Meine Sammlung ist von unschätzbarem Wert für mich, und ich werde sie nicht verkaufen„, beteuert er. „Es mag vielleicht eines Tages eine extreme Notwendigkeit dafür geben, aber ich werde mein Bestes tun, um es zu verhindern. Es geht nicht so sehr um das Geld, sondern um die investierte Zeit. Manchmal dauert es Jahre, um Originalteile zu finden. Ich kann meine Sammlung in bar nicht schätzen.“

Wie er weiter erklärt, hat er Exemplare, die an speziellen Standorten für 700 Dollar verkauft werden können, was für Instrumente dieser Epoche sehr teuer ist. „Ich verfolge jedoch keine kommerziellen Ziele, und ich schätze meine Arbeit zu sehr, als dass ich nur versuchen würde Geld damit zu verdienen. Es gibt viele andere Möglichkeiten, dies zu tun.“

Der junge Mann ist der Meinung, dass ein solches Erbe der Sowjetzeit wie die E-Gitarre in der modernen Welt voller großer Ereignisse auch einen Platz verdient.

Anna Miftankowa
Asia Plus

Aus dem Russischen von Florian Coppenrath

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Kommentare (2)

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Bohlmann, 2020-11-9

Guten Tag liebes Novastan-Team,

da ich selber ein Interesse an Instrumenten habe und in Dushanbe lebe und arbeite, würde ich gerne Kontakt zu Ruslam Karimov aufnehmen. Könnten Sie ihm meine Kontaktdaten weiterleiten oder mir seine Kontaktdaten geben?

Herzlichen Dank im Voraus

Thomas Bohlmann

Reply

Florian Coppenrath, 2020-11-9

Lieber Thomas,
vielen Dank für die Anfrage. Der Artikel ist eine Übersetzung, daher würde ich Ihnen empfehlen, direkt die Redaktion von Asia Plus zu kontaktieren. Sie können Ihnen bestimmt weiterhelfen: infoasiaplustj@gmail.com.
Liebe Grüße,
Florian Coppenrath

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