Am 3. Februar 2017 erhielten die Schulen und Universitäten Tadschikistans einen überraschenden Brief vom Bildungsministerium. Vom 1. bis zum 24. März, dem Ende des Nouruz-Festes, ist es dieses Jahr Pflicht für alle Lehrerinnen, Studentinnen und Schülerinnen des Landes, sich an Schulen und Universitäten in traditionelle tadschikische Tracht zu kleiden.
Die Tracht wird während dieser Zeit die übliche Uniform ersetzen, die von Schülerinnen und Studentinnen normalerweise getragen wird, so Echsoni Chuschwakt, der Pressesprecher des tadschikischen Bildungsministeriums.
Eine Anweisung von ganz oben
Öffentlich gemacht wurde die Anweisung an die Frauen des Landes über einen vom Bildungsminister selbst unterschriebenen Brief, wie Radio Ozodi berichtet. Das Ziel der Maßnahme sei „die Förderung und Wiederbelebung tadschikischer Traditionen“.
Das Nouruz-Fest findet am astronomischen Frühlingsbeginn statt, der Frühlings-Tagundnachtgleiche, und läutet das tadschikische Neujahr ein. Traditionell wird es vom 21. bis 24. März gefeiert.
Es sei das erste Mal, dass ein offizieller Brief die Frauen tatsächlich verpflichte, die Tracht zum Nouruz-Fest zu tragen, so Salomat Kuwwatowa, Vorsitzende des Frauenrats der Stadt Duschanbe. Die vorherigen Jahre habe es sich lediglich um Empfehlungen gehandelt. Das Komitee für Frauen und Familienfragen des tadschikischen Präsidialamtes hat bestätigt, die Anweisung initiiert zu haben. Ein solches Projekt sei schon vor drei Jahren angekündigt worden.
Wiederbelebung der Tadschikischen Kultur oder Zeichen gegen radikalen Islamismus?
Bei der Anweisung geht es allerdings um mehr als um die Förderung nationaler Traditionen. Sie sei auch ein Mittel um die Ausbreitung der sogenannten „schwarzen Kleider“ in den Städten und Dörfern des Landes einzudämmen, erklärte der Präsident Emomalii Rahmon am 7. März 2015 am Vorabend des tadschikischen Muttertages. Seiner Meinung nach seien die „schwarzen Kleider“ kein Ausdruck tadschikischer Kultur und Tradition: “Frauen und Mädchen, die diese Kleider tragen, verstehen deren wahre Bedeutung nicht oder wollen sie nicht verstehen“.
Hinter der Aussage steht, dass die tadschikische Regierung diese Art der Kleidung als eine Manifestierung des radikalen Islamismus‘ innerhalb der Gesellschaft sieht. Mit Vorstößen wie der aktuellen Trachten-Pflicht wird versucht, einer solchen Tendenz, die von den tadschikischen Eliten als Bedrohung für die Stabilität des Landes gesehen wird, entgegenzuwirken. Ob Maßnahmen wie diese im Kampf gegen den radikalen Islamismus effektiv sind, wird zu beweisen bleiben.
Jérémy Lonjon
Übersetzt von Charlotte Dietrich