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„Ein historischer Tag“: Kirgistan und Tadschikistan unterzeichnen Grenzabkommen

Regierungsdelegationen aus Kirgistan und Tadschikistan haben sich getroffen, um das Schlussprotokoll über die Festlegung der gemeinsamen Grenze zu unterzeichnen und damit jahrzehntelang dahinschwelende Konflikte zu beenden. Das Dokument muss nun von den Parlamenten und anschließend von den Präsidenten der beiden Länder unterzeichnet werden.

Saimumin Jatimow (links) und Kamtschybek Taschijew nach der Unterzeichnung des kirgisisch-tadschikischen Grenzabkommens, Photo: Asia-Plus

Regierungsdelegationen aus Kirgistan und Tadschikistan haben sich getroffen, um das Schlussprotokoll über die Festlegung der gemeinsamen Grenze zu unterzeichnen und damit jahrzehntelang dahinschwelende Konflikte zu beenden. Das Dokument muss nun von den Parlamenten und anschließend von den Präsidenten der beiden Länder unterzeichnet werden.

Der 21. Februar war ein „ganz besonders historischer Tag für die Völker Kirgistans und Tadschikistans“, verkündete der Leiter des Staatlichen Komitees für nationale Sicherheit Kirgistans (GKNB), Kamtschibek Taschijew, der zusammen mit seinem Amtskollegen Saimumin Jatimow den Vertrag über die Festlegung der kirgisisch-tadschikischen Grenze unterzeichnet hatte.

„Wir haben mehrere Dokumente für eine spätere Unterzeichnung durch die Staatsoberhäupter vorbereitet. Da ist erstens ein Abkommen über die Staatsgrenze zwischen Kirgistan und Tadschikistan. Zweitens ein Abkommen zwischen unseren Regierungen über Energieanlagen und Wasserressourcen. Und drittens ein Abkommen über die Nutzung von Kreuzungsstraßen [gemeint sind transnationale Straßen zu Enklaven, Anm. d. Red.] und den Bau neuer Straßen. Heute haben wir das Abkommen zum Abschluss gebracht. Unsere Grenz- und Demarkationskommissionen erklären offiziell: Die Grenze zwischen Kirgistan und Tadschikistan ist vollständig vereinbart worden“, erklärte Taschijew.

Ein historisches Abkommen von größter Bedeutung

Der GKNB-Chef betonte außerdem, dass das unterzeichnete Dokument „ein historisches Abkommen von größter Bedeutung“ sei, berichtete das kirgisische Medium Kloop. Seiner Meinung nach ist die komplexe Arbeit an der Grenzziehung und ihrem genauen Verlauf zu einem Ende gekommen. „Wenn das Abkommen umgesetzt wird, wird es den jahrhundertealten Streit zwischen unseren beiden Schwesterrepubliken beenden“, sagte er. Der wichtigste Punkt des Vertrags: die Festlegung der Grenze über 970 Kilometer, wodurch mehrere Streitigkeiten über zahlreiche Streckenabschnitte beigelegt werden.

Darüber hinaus unterzeichneten die beiden Politiker ein Abkommen über den Bau und die Nutzung von Autobahnen sowie ein Abkommen zwischen den Regierungen, das den Zugang zu Wasser- und Energieanlagen garantiert, berichtet Radio Azattyk, der kirgisische Dienst von Radio Free Europe.

Ein Projekt zur Umsiedlung der Bevölkerung

Wie das tadschikische Nachrichtenportal Asia-Plus berichtet, hatte sich Kirgistans Präsident Sadyr Dschaparow Ende Januar zur Zukunft der Menschen geäußert, die in der Grenzregion leben. Er betonte, wie komplex die Lage der Dörfer sei, die sich unmittelbar auf der Grenze befinden. Die Häuser dieser Dörfer gehören teils den Bürgern beider Länder. Er erklärte, dass, wenn Häuser auf der kirgisischen Seite Bürgern Tadschikistans gehörten, diese nach Tadschikistan umgesiedelt würden. Umgekehrt gelte dies auch für die Bürger Kirgistans. Die Regierung Kirgistans verpflichtet sich, ihnen neue Wohnungen zur Verfügung zu stellen und dabei die Größe der Grundstücke zu berücksichtigen.

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In Fällen, in denen diese Umsiedlungen nicht durchführbar sind, „würde der Grenzschutz große Nachteile für beide Seiten schaffen“. Sadyr Dschaparow erinnerte daran, dass es an der fast 1000 Kilometer langen Grenze viele umstrittene Gebiete gibt. Er stellte klar, dass einige Gebiete gerecht aufgeteilt worden seien, da bei jeder Entscheidung jeder Quadratmeter Land berücksichtigt worden sei.

Teil des sowjetischen Erbes

„Kern des Problems ist die Art und Weise, wie die Grenzen während der Sowjetzeit gezogen wurden“, erklärte Muslimbek Burijew, ein tadschikistanischer Analyst aus Duschanbe, gegenüber The Diplomat. Seiner Meinung nach hatten die Sowjets diese Grenzen gezogen, ohne die Organisation der lokalen Bevölkerung zu berücksichtigen. Dies führte dazu, dass zwischen Tadschikistan, Kirgistan und Usbekistan ineinander verflochtene Enklaven entstanden sind.

„Straßen, die diese Gebiete miteinander verbinden, entwickelten sich schnell zu Brennpunkten“, fügt er hinzu. Darüber hinaus wurde die kollektive Verwaltung der Ressourcen komplexer: Bewohner, die früher für ihren täglichen Bedarf Zugang zu bestimmten Gebieten hatten, wurden dieser Flächen beraubt.

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Temur Umarow, Zentralasienexperte am Carnegie-Zentrum in Berlin, weist darauf hin, dass die Grenzziehung zwischen Kirgistan und Tadschikistan nach Bewältigung zweier tödlicher Konflikte erfolgt, was die Situation noch komplizierter macht. „Es handelt sich um ein hochpolitisches und sensibles Thema. Wenn die getroffenen Vereinbarungen veröffentlicht werden, könnten sie eine heftige Debatte auslösen und in beiden Ländern auf den Widerstand bestimmter Gruppen stoßen„, mahnt er in einem Interview mit Reuters.

Das Ergebnis einer langwierigen Arbeit

Bereits im Dezember letzten Jahres hatten die beiden Regierungsdelegationen die Beschreibung der gemeinsamen Grenze vollständig fertiggestellt. Ende desselben Monats hatten sie zudem auf einem Text basierend eine Rechtsvorschrift vereinbart, die die Regeln für das Überschreiten dieser Grenze festlegt.

Zwei Monate später, am 11. Februar, erklärte Tadschikistans Außenminister Sirodschiddin Muchriddin, dass zwei akute Probleme weiterhin bestünden: die Straßen und die Wasserflächen. Zu diesen „zwei oder drei wichtigen Fragen“ gehörten ihm zufolge der Bau einer direkten Straße zwischen der zu Tadschikistan gehörenden Enklave Woruch und der nächstgelegenen tadschikischen Stadt Isfara sowie „eine Reihe von Wasserflächen“.

Es gibt keine direkte Straße zwischen Isfara und Woruch. Um von einem Punkt zum anderen zu kommen, sind die Bewohner sind gezwungen, kirgisisches Territorium zu durchqueren. Bewohner der kirgisischen Grenzregionen hatten diese Straße wiederholt blockiert, was in der Folge zu Konflikten geführt hat.

Ein von zahlreichen Konflikten geprägtes Gebiet

Die Verhandlungen über die Grenzfragen, die bereits im Dezember 2002 aufgenommen wurden, gerieten immer wieder ins Stocken und schürten so Spannungen. Die fehlende Lösung der territorialen Streitigkeiten führte regelmäßig zu Konfrontationen zwischen Bewohnern und militärischen Kräften.

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„Die Intensität der Grenzkonflikte stieg nach der Unabhängigkeit explosionsartig an“, erklärt Muslimbek Burjew. Er betont, dass der Wegfall der Grenzkontrollen und des sowjetischen Militärpersonals zu einer zunehmenden Militarisierung der Spannungen geführt hatte, an denen nun „Soldaten, Raketenwerfer und Drohnen“ beteiligt sind.

Einer der tödlichsten Vorfälle ereignete sich im September 2022 und führte zur Vertreibung von fast 130.000 Menschen auf der kirgisischen Seite, während die genaue Zahl der vertriebenen Bürger Tadschikistans unbekannt ist. Laut einem Bericht von Human Rights Watch forderte dieser Konflikt 50 zivile Todesopfer und 121 Verletzte. Ein ähnlicher Zusammenstoß im April 2021 hatte bereits rund 20 Todesopfer und über 200 Verletzte gefordert.

Zoé Toulouse für Novastan

Aus dem Französischen von Arthur Siavash Klischat

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