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Osch hat alles – sogar einen FIFA-Stützpunkt

Die südkirgisische Stadt Osch ist vor allem für den Konflikt bekannt, der sie 2010 erschütterte. Acht Jahre später ist sie aber in voller Entwicklung, nicht zuletzt dank der verbesserten Beziehungen mit Usbekistan. Novastan übersetzt das Interview der russischen Zeitung „Rossijskaja Gaseta“ mit dem oscher Bürgermeister Aitamat Kadyrbajew.  

Osch Zentrum Ajtschürök
Ein Schild im Zentrum von Osch zeigt die Prioritäten für die Entwicklung der Stadt

Die südkirgisische Stadt Osch ist vor allem für den Konflikt bekannt, der sie 2010 erschütterte. Acht Jahre später ist sie aber in voller Entwicklung, nicht zuletzt dank der verbesserten Beziehungen mit Usbekistan. Novastan übersetzt das Interview der russischen Zeitung „Rossijskaja Gaseta“ mit dem oscher Bürgermeister Aitamat Kadyrbajew.  

Vor dem Interview stellt der Bürgermeister seine Mobiltelefone auf lautlos. Und obwohl beide Telefone während des gesamten Gesprächs unaufhörlich vibrieren, geht Aitamat Kadyrbajew doch nur ein einziges Mal ran: „Grüß dich, mein Lieber! Entschuldige, bei mir ist gerade die „Rossijskaja Gaseta“, ich stehe Rede und Antwort, unter anderem zu den Projekten, an denen du und ich arbeiten. Ich ruf dich zurück und erzähl dir alles.

Das war der Gouverneur des Gebiets Andischon, das liegt gleich nebenan in Usbekistan“, erkärt Kadyrbajew. „Wir sind eng befreundet, sogar unsere Familien sind es. Wir treffen uns regelmäßig beruflich und privat. Wir haben für diesen Frühling viele Pläne geschmiedet, deshalb werden wir viel Arbeit haben. Er ist ein toller Nachbar.

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Das kirgisische Osch und das usbekische Andischan sind sehr alte Städte, die schon fast 3.000 Jahre lang Nachbarn sind. Es gab viele Hochs und Tiefs, doch in der letzten Zeit verbessern sich die Beziehungen zwischen den beiden Völkern und Städten wieder zusehends. Der Anruf des usbekischen Gouverneurs bringt denn auch eine zusätzliche positive Note in das Interview.

Beim Regierungstreffen, das kürzlich stattgefunden hat, um das Jahr 2017 auszuwerten, wurde Osch als Musterbeispiel für sozioökonomische Stadtentwicklung bezeichnet. Was hat es damit auf sich, Herr Kadyrbajew?

Aitamat Kadyrbajew: Das, was wir heute haben, ist das Ergebnis der intensiven Arbeit, die in den letzten Jahren verrichtet wurde. Der Schwerpunkt lag dabei nicht nur auf der Lösung von komplexen Fragen im Bereich der Stadtentwicklung, sondern auch von auf den ersten Blick unwichtigen, alltäglichen Problemen. Gerade die Lösung dieser kleinen Fragen trägt enorm dazu bei, angenehmere Arbeits- und Lebensbedingungen zu schaffen.

I love Osh
Das Schild „I love Osh“ wurde im Frühling 2016 vor dem ikonischen Sulaiman-Too aufgestellt

Tatsächlich haben wir es in sehr kurzer Zeit geschafft, Osch zum landesweiten Spitzenreiter zu machen, was die Qualität staatlicher Dienstleistungen für die Bevölkerung angeht. Aber auch bei der Entwicklung des sozialen Bereichs und in puncto Vertrauen in die lokalen Behörden sind wir ganz vorn. Außer­dem sind wir offiziell die sauberste Stadt in Kirgistan und das will etwas heißen. All diese Bereiche sind detailliert im Stadtentwicklungsprogramm  2017-2020 beschrieben. Wir versuchen lediglich, all diese Punkte umzusetzen, das ist das ganze Geheimnis.

Osch genoss und genießt nach wie vor viel Aufmerksamkeit vonseiten der Regierung in Bischkek. Womit hängt das zusammen?

Osch ist seit jeher ein wichtiger Kreuzungspunkt der Seidenstraße. Und bis heute hat sich die Stadt ihre Rolle als eines der wichtigsten Handels- und Kultur­zentren in Zentralasien erhalten. Ihre besondere geografische Lage, ihre historische Bedeutung und ihr Status als südliche Hauptstadt des Landes, aber auch die Tatsache, dass bei uns 80 verschiedene Ethnien friedlich zusammenleben, machen Osch zu einer in dieser Form einzigartigen Stadt. Unser größter Reichtum sind natürlich die Bewohner: freundliche, offene und arbeit­same Menschen. Und die Arbeit der Regierung ist darauf ausgerichtet, das Leben der Einwohner zu verbessern und dafür alle notwendigen Bedingungen zu schaffen.

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Nachdem Sie 2017 das zweite Mal zum Bürgermeister gewählt worden waren, versprachen Sie den Bewohnern, dass Sie sich vor allem auf die Lösung sozialer Fragen konzentrieren wollen. Was haben Sie diesbezüglich bisher schon erreichen können?

Bei meiner Arbeit befolge ich drei Grundprinzipien: Rechtmäßigkeit, Offenheit und Zusammenarbeit mit den Bürgern. Meinen Arbeitstag beginne ich um sechs, wenn ich die Arbeit der städtischen Behörden überprüfe. Oder ich fahre in die Wohngebiete, laufe durch die Straßen, frage die Bürger, wie es ihnen geht, welche Probleme sie haben oder wie ich helfen kann. Dann versammle ich die Leiter und verantwortlichen Personen aus den ver­schiedenen Behörden. Und genau hier weise ich dann die Verantwortlichen an, die Bitten und Forderungen der Bürger zu erfüllen. Die Verbes­serung und den Ausbau des sozialen Sektors halte ich für das Allerwichtigste.

Zum Beispiel haben wir bis 2014 jährlich höchstens einen Kilometer Straße saniert. Heute liegen wir schon bei etwa 10 Kilometern pro Jahr. In kürzester Zeit haben wir vier neue Brücken gebaut, durch die wir die beiden Ufer des Flusses Ak-Buura an wichtige Ausfallstraßen angeschlossen haben. In den letzten drei Jahren haben wir acht Vorschuleinrichtungen eröffnet und gleichzeitig sind neun Schulen im Bau. Außerdem ist der Bau eines neuen Krankenhauses mit 150 Betten, dessen Kosten sich auf 1,8 Mrd. Som (ca. 21. Mio Euro) belaufen, fast fertig gestellt. Es wird mit allen notwendigen medizinischen Apparaten sowie mehreren Rettungswagen ausgestattet und in der Lage sein, nicht nur Bewohner der Stadt Osch medizinisch zu betreuen, sondern auch die Bevölkerung der gesamten südlichen Region Kirgistans. Die Eröffnung des Krankenhauses ist für Juni 2018 geplant.

Darüber hinaus wollen wir am Fluss Ak-Buura ein Podium bauen, auf dem bereits zum Nouruz-Fest im März Fashion-Shows, Konzerte, Volksfeste, Ausstellungen und andere kulturelle Veranstaltungen stattfinden sollen. Im gesamten postsowjetischen Raum gibt es keine ähnlich geartete Anlage.

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Und nachdem wir auf Bitten der Bürger auf den Hauptverkehrsstraßen von Osch moderne, energiesparende LED-Laternen aufgestellt und die „alten“ Laternen in Nebenstraßen „umgesiedelt“ haben, konnten wir bis Ende 2017 einen Großteil der Straßen in unserer Stadt mit Beleuchtung versorgen. Ab 2020 wird es in Osch keine einzige Straße ohne Beleuchtung mehr geben. Ach ja, und während wir bis vor Kurzem noch jeden Frühling etwa 50.000 Blumen gepflanzt haben, waren es allein 2017 schon ganze 1,5 Mio. Blumen.

Osch Sicht vom Sulaiman Too
Osch ist mit offiziell knapp 300.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kirgistans

Bis heute haben wir in Osch bereits mehr als 200 Videoüberwachungssysteme eingerichtet. Und auch im Jahr 2018 werden wir im Rahmen des Projektes „Umnyj Gorod“ (Smart City) an allen wichtigen Kreuzungen der Stadt mehr als 1500 Verkehrsüberwachungskameras installieren.

Und zu guter Letzt: In unserer Stadt gibt es die einzige FIFA-Akademie für die Ausbildung von Fußballnachwuchs in ganz Zentralasien. Es gibt auch ein neues Sportinternat  mit den Schwerpunkten Boxen und Gewichtheben. Im Laufe der Zeit entstand ganz im Zentrum der Stadt, um das Stadion herum, ein ganzes Sportstädtchen. Dabei erfüllt jede öffentliche, kulturelle oder Sport­einrichtung einen ganz bestimmten Zweck: den Bewohnern rund um die Uhr als Ort der Erholung und des gemeinsamen Sportes zu dienen. Und die Qualitätssicherung der Bauobjekte überwache ich höchstpersönlich.

Das Jahr 2018 wurde in Kirgistan zum Jahr der regionalen Entwicklung erklärt. Welche Aufgaben haben Sie sich für dieses Jahr gestellt? Welche Entwicklungsperspektiven sehen Sie?

In erster Linie werden wir unsere Aufmerksamkeit auf die Lösung von wichtigen Problemen der Stadt richten. Gleichzeitig wollen wir die Aufgaben zu einem logischen Ende bringen, die wir uns bereits in der Vergangenheit gestellt hatten. 2018 wollen wir einerseits die Verkehrs- und soziale Infrastruktur ausbauen und andererseits das menschliche Potenzial entwickeln, Investitionen heranziehen und kleine und mittlere Unter­nehmen fördern. Was die Außenhandelsbeziehungen angeht, so setzen wir einen Schwerpunkt auf den Export.

Osch ist bereits mehr als 3.000 Jahre alt. Was wird für den Erhalt des einzigartigen kulturellen Erbes getan?

Die Geschichte unserer Stadt, das ist gleichzeitig die Geschichte unserer Region und unseres Volkes mit seiner Kultur und den Traditionen unserer Vorfahren. Zweifellos war und ist die wichtigste Stätte in Osch der für jeden Einwohner unseres Landes und jeden Muslim auf der Welt heilige Berg Sulaiman-Too. Insgesamt befinden sich auf dem Territorium von Osch mehr als 100 historisch und kulturell bedeutsame Denkmäler und der Großteil von ihnen wurde vollständig restauriert und repariert. Wir laden alle herzlich ein, im Frühling das 100-jährige Jubiläum des Toktogul-Parks zu feiern, der seinerzeit von Jugendlichen der Stadt gegründet wurde.

Und was würden Sie sagen, wenn in diesem Park eine „Rossiskaja Gazeta“-Allee angelegt würde?

Wir sehen uns im Frühling! Sie bringen die Birken, ich die Spaten! Ich selbst werde mindestens fünf Bäume pflanzen!

Thema äußere Beziehungen: Osch ist Partnerstadt von Nowosibirsk und St. Petersburg. Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit? Welche russischen Städte und Regionen könnten noch Partner Ihrer Stadt werden?

Im Juni 2017 haben die Stadtverwaltungen von Nowosibirsk und Osch das Arbeitsprogramm für die bilaterale Kommission für Zusammenarbeit in den Bereichen Handel und Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie Kultur bis zum Jahr 2020 festgelegt. Zuvor wurde bereits ein ähnliches Dokument mit der Stadtverwaltung von St. Petersburg unterschrieben. Was wir für die Zukunft wollen? Die partnerschaftlichen Beziehungen zu Krasnojarsk ausbauen, denn dort arbeiten viele unserer Landsleute. Es gibt auch schon eine direkte Flugverbindung zwischen unseren Städten, der Anfang für eine echte Städte­partnerschaft ist also schon gemacht.

Mit Aitamat Kadyrbajew sprach Dmitri Jewlaschkow
Rossijskaja Gaseta

Aus dem Russischen von Florian Tack

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