Kurut, ein trockener Käse, der aufgrund seiner Kugelform an weiße Steine erinnert, ist in Zentralasien immer noch weit verbreitet. In einem Artikel aus dem Jahr 2015, der am 18. August erneut veröffentlicht wurde, stellt Fergana News den vor allem in Kirgistan konsumierten Kurut und seine Herstellung vor. Wir übersetzen den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Wer in Zentralasien mag schon bitte keinen Kurut? Sein Name mag sich unterscheiden – die BaschkirInnen nennen ihn Korot, die TatarInnen Kort. Bei den TurkmenInnen heißt er Gurt und bei den UsbekInnen Qurt. Aber die Zutaten dieses Sauermilchproduktes, das einst von NomadInnen erfunden wurde, sind überall gleich. Unveränderbar sind auch die beiden wichtigsten Legenden über die Herstellung, die allen Einheimischen in den zentralasiatischen Republiken bekannt sind. Eine von ihnen besagt, dass die KirgisInnen als Nomaden viele Kühe hatten. Sie machten aus der Milch eine Art Quark, um sie haltbar zu machen. Aber wenn es zu heiß war, konnte der Quark nicht lange aufbewahrt werden. Daher wurde es gesalzen und getrocknet. So wurde der Kurut erfunden.
Die ZentralasiatInnen erinnern sich an diese Legenden und lachen, wenn sie Fremden Kurut anbieten. Sie erzählen, nutzen die Reaktionen noch einmal aus und sagen, indem sie auf die Schulter des Gastes tippen: „Iss, iss, das ist sehr gut für die Gesundheit!“
Erbol aus Karabalta, eine Stunde Fahrtzeit von Bischkek entfernt, ist 21 Jahre alt. Schon seit zehn Jahren arbeitet er im auf einer Höhe von 2000 bis 3000 Metern gelegenen Suusamyr-Tal, das für seine frische Luft und seine grünen Sommerweiden bekannt ist. Erbol stellt selbst Kurut her und verkauft ihn auch selbst. Die Produktivität des Einzelunternehmers ist außergewöhnlich: Bis zu 50 (!) Kilogramm Kurut produziert er am Tag, obwohl dies ein sehr arbeitsintensiver Prozess ist.
Kurut wird aus Kuh- oder Ziegenmilch hergestellt. Die Milch wird gekocht und durch Gärung entsteht Qatiq, der von der Konsistenz her an eine sehr fettige saure Sahne erinnert. Anschließend wird der Qatiq in einen speziellen Beutel aus mehreren Mullschichten gegossen, so dass die Flüssigkeit abtropfen kann. Nach dem Abtropfen, welches bis zu 12 Stunden dauern kann, bleibt suzma zurück – eine quarkähnliche Masse, die mit Salz gemischt wird, bevor der Formprozess beginnt.
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Die Masse wird von Hand zu Kugeln verschiedener Größe gedreht und muss anschließend einige Tage trocknen. Es gibt zwei Arten des Trocknens, während denen sich die Größe der Kurut-Kugeln auf einen Bruchteil verkleinert. Die erste Variante ist die Trocknung an der Sonne, bei der ein sehr trockener, beinahe steinartiger Kurut entsteht, der Jahre haltbar ist. Die zweite Variante ist die Trocknung in der Jurte, bei der der Kurut weich und zart bleibt.
Es gibt viele Sorten von Kurut. Traditionell wird er mit zerkleinerten Chilis zubereitet. Beliebt ist auch Kurut mit geschmolzener Butter, der leicht durch den spezifischen Geruch und die bräunliche Färbung zu erkennen ist.
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Das Suusamyr-Tal ist in jederlei Hinsicht ein idealer Ort für die Kurut-Produktion. Auf dem Dschailoo (Bergweide) kann man Vieh weiden und die das Tal durchschneidende Trasse Osch – Bischkek, auf der täglich hunderte TouristInnen entlangkommen, ist ein guter Ort um Kurut und Kumys zu verkaufen. Auch Erbols Herde weidet in der Nähe, weswegen er immer genug suzma hat. Die Jurten, in denen die ProduzentInnen von Kurut und Kumys leben und ihre fertigen und halbfertigen Produkte lagern, stehen am Straßenrand. Sie alle leben für ein halbes Jahr an der Trasse, weswegen der Kurut direkt neben der Kinderkleidung trocknet.
Erbol fürchtet keine Konkurrenz. „Das wichtigste ist, ein qualitatives Produkt herzustellen“, sagt er. Unehrliche VerkäuferInnen mischen Mehl in den Kurut und verkaufen ihn billiger. Der Preis für eine Kugel Kurut reicht von 10 bis 30 (amerikanische, Anm. d. Ü.) Cent, aber eine erfahrene Person erkennt sofort eine „Fälschung“ und bereut nicht zusätzliche 20 Cent für echte Qualität auszugeben. Einige, die den Geschmack von Erbols Kurut schätzen, nehmen ein Kilogramm für 5 bis 6 US-Dollar. Zu Erbol kommen auch Großhändler aus Bischkek und Osch — so wird Suusamyr-Kurut auf allen Basaren des Landes und der Welt gehandelt.
Die Saison geht von Mai bis Oktober. Gemäß Erbols Worten kann man in dieser Zeit gut am Kurut verdienen. So viel, dass Erbol zugunsten dieser Arbeit nicht studiert hat. Er hat auf ein Auto gespart und faulenzt auch im Winter nicht, sondern verdient als Taxifahrer dazu.
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Obwohl vor einiger Zeit in Kirgistan begonnen wurde, Kurut industriell herzustellen und in hübschen Verpackungen zu verkaufen, erfreut sich die „Handarbeit“ solcher Beliebtheit, dass sogar SchmugglerInnen aus den benachbarten Republiken ihn tonnenweise ausführen und dabei von Zeit zu Zeit vom Grenzschutz erwischt werden.
Kurut kann man recht lange aufbewahren. Außerdem ist er recht sättigend. Deshalb war er unter den nomadischen Völkern so verbreitet und wurde oft während des langen Umherziehens mitgenommen. Heute ist Kurut vielmehr eine Leckerei, eine natürliche Kalziumquelle und ein ausgezeichneter Snack zum Bier. Außerdem macht man aus ihm ein Erfrischungsgetränk, indem man die Kugeln in Wasser auflöst. Darüber hinaus hat Kurut auch medizinische Eigenschaften: Er unterdrückt Übelkeit, so dass Reisende in Kirgistan, vor allem jene mit kleinen Kindern, immer dieses wunderbare Produkt mitnehmen.
Ekaterina Iwaschtschenko für Fergana News
Aus dem Russischen von Robin Roth
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