Kirgistan hat vor vier Monaten die Erlaubnis erhalten, Waren nach Europa zu exportieren, ohne Zollgebühren entrichten zu müssen. Aber es gibt immer noch ungeklärte Fragen bezüglich der Ausstellung der Dokumente, der Zertifizierung der Waren und der Vorbereitung der Prüflabore.
Dieser Artikel erchien zuerst bei Radio Azattyk, der kirgisischen Redaktion von Radio Free Europe/ Radio Liberty.
Die Europäische Union (EU) gewährte Kirgistan zu Beginn des Jahres den Status „APS+“ (Allgemeines EU-Zollpräferenzsystems, Anm. d. Red.), wodurch mehr als 6.000 verschiedene Waren und Produkte zollfrei auf den europäischen Markt eingeführt werden können. Diese Nachricht begeisterte den Unternehmer Adan Kokkosow aus Ösgön, im Süden des Landes, der Reisanbau betreibt. Er arbeitet an der Verbesserung seines Betriebs, damit seine Produkte den internationalen Standards entsprechen und auf den europäischen Markt exportiert werden können.
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„Wir haben einen Zuschuss der UNDP (United Nations Development Programme, Anm. d. Red.) gewonnen. Mit diesen Mitteln haben wir unseren Betrieb mit unverzichtbarer Technik ausgestattet, damit unsere Produkte den internationalen Standards gerecht werden. So Gott will, werden wir die Maßnahmen im Herbst beenden und den Reis dann nicht mehr wie bisher in Tüten packen, sondern in Pakete – mit jeweils 0,8 kg, 5 kg, 10 kg oder 25 kg. Dann können wir die Produkte in Paketen zu den Prüflaboren schicken, Zertifikate erhalten und in die EU exportieren. Natürlich ist der Reisvorrat meines Betriebs nicht besonders groß, aber wir können uns mit anderen Landwirten zusammentun und gemeinsam arbeiten“, sagt der Landwirt.
Zum Verzeichnis der Waren, die von den Zollgebühren befreit sind, gehören Obst, Konserven, Säfte, Walnüsse, Mandeln, Pistazien, Tabakwaren, Textilien, Filzwaren, Kleidung sowie Lederwaren und Teppiche. Die Liste ist lang genug, um Produkte aus allen Regionen Kirgistans exportieren zu können. Zum Beispiel Bohnen aus Talas, Aprikosen aus Batken, Reis und Honig aus der Region Osch.
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Aschimurat Schalilow, ein Fachmann der Regierungsvertretung in der südlichen Region Dschalalabat sagt, dass die Einwohner der Region Interesse an den neuen Möglichkeiten zeigen und die Ernte von Walnüssen sowie deren Lieferung nach Europa gezielt erhöhen:
„Die Fläche der Walnusswälder in unserem Gebiet beträgt etwa 35.000 Hektar. Die ausländischen Verbraucher wissen bereits, dass dies qualitativ hochwertige und umweltfreundliche Erzeugnisse sind. Es wäre gut, sich auf die Nüsse zu konzentrieren und diese zu exportieren, statt sich mit anderen Waren und Produkten zu verzetteln, denn gerade hier haben wir die besten Möglichkeiten. Wenn wir und unsere Produkte von Anfang an einen guten Eindruck machen, können die Europäer schließlich unsere ständigen Abnehmer werden.“
Die Pläne sind zwar gut und vielversprechend. Wären da nicht die Probleme bezüglich der Anpassung an europäische Standards und Richtlinien, die Produktzertifizierung und der notwendige Bau von Laboren.
„Was die Zertifizierung der Produkte angeht, hinken wir weit hinterher. Es gibt keine Prüflabore und Logistikzentren. Wenn man sich nicht heute um diese Probleme kümmert, werden die Unternehmer, die ihre Produkte exportieren wollen, morgen vor Schwierigkeiten stehen. Wird auch nur ein Makel an unseren Produkten festgestellt, werden sie auf halbem Weg zurückgesendet oder vernichtet, was zu Verlusten in Millionenhöhe führen wird. Ich möchte zum Beispiel Reis exportieren: In welchem Labor wird man ihn für mich prüfen und zertifizieren?“, so Kokkozov.
Im Wirtschaftsministerium für Wirtschaft wird angemerkt, dass der Prozess nicht mit dem Erhalt des „APS +“ Status endet. Es steht noch viel Arbeit bevor, die sich über mehrere Jahre erstrecken kann.
„Im Wirtschaftsministerium wurde eine spezielle Arbeitsgruppe aus Vertretern der Regierungsorgane, der Business-Gemeinschaft und der Förderorganisationen gegründet. Diese Gruppe beschäftigt sich damit, wie der „APS +“ Status genutzt werden kann und wie unsere Produkte in Einklang mit den europäischen Standards gebracht werden können und zertifiziert werden. Ungeachtet der gewährten Präferenzen der EU, erwartet uns ein langer Vorbereitungsprozess. Im Rahmen des Beitritts zur Eurasischen Wirtschaftsunion bauen wir spezielle Labore, die sich mit der Prüfung und Zertifizierung von nach Europa auszuführenden Waren beschäftigen werden“, erklärt Dschyldysbek Schumakow, ein Vertreter des Ministeriums.
Er fügt hinzu, dass demnächst Vertreter der Europäischen Kommission nach Kirgistan kommen, mit denen es Verhandlungen über die Regelungen zur Ausfuhr von Waren geben wird. Am runden Tisch in Osch diskutierte man vor kurzem Themen wie das Warenverzeichnis, Zollprozeduren, technische Normen sowie durchgeführte Maßnahmen von Staat und Unternehmern.
Gleichzeitig merken die Experten an, dass sich die Bedingungen für das Befördern von Waren auf dem Gebiet der Nachbarstaaten der EU nicht verbessert haben. Laut dem Experten Erkin Abdyrasakow lassen die Partnerstaaten trotz der gewährten Zollpräferenzen seitens der EU keine Waren kirgisischer Unternehmer durch:
„Wir können Waren nur über Land in die Europäische Union liefern, nicht über Wasser oder auf dem Luftweg. Wir transportieren sie entweder mit dem Zug oder per LKW. Der Weg führt durch Russland und Kasachstan. Die Regierungen dieser Länder werden sich unter sich schon nicht einig, was Zollregelungen angeht, in Krisenzeiten verhängen sie sich gegenseitig Sanktionen. Wie Kirgistan Waren durch diese Länder transportieren soll, weiß ich nicht. Zum Beispiel lässt Kasachstan unsere Waren unter verschiedenen Vorwänden nicht über die Grenze, obwohl wir Partner in der Eurasischen Wirtschaftsunion sind. So ist es nicht leicht, Waren über weite Strecken zu transportieren. Daher müssen die kirgisischen Behörden von Russland und Kasachstan Erleichterungen für den Transport von Waren über diese Gebiete erhalten.“
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Der Status „APS +“ wurde vor Kirgistan nur 14 Staaten gewährt. Durch die Aufnahme hat Kirgistan die Chance, Zugang zu einem Markt mit einer halben Milliarde Einwohner zu erhalten. Derzeit exportiert Kirgistan Waren im Wert von 5,7 Milliarden US-Dollar, nur 3 Prozent davon werden nach Europa exportiert.
Ernist Nurmatow
Korrespondent von Radio Azattyk
Aus dem Russischen übersetzt von Sofia Tscholakidi
Korrekteurin für Novastan.org